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„Wir haben uns in Kamenz einen Traum erfüllt“

Am Freitag gibt sich die Rock-Legende Electra die Ehre in Kamenz. Und Band-Chef Bernd Aust lüftet ein Briefgeheimnis.

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Das Wort Legende wird ja heutzutage ziemlich inflationär genutzt. Für die Musiker, die Freitagabend im Saal von „Stadt Dresden“ in Kamenz auf der Bühne stehen werden, trifft das Wort aber in jedem Fall zu. Die legendäre Dresdner Band Electra macht auf ihrer Abschiedstour Station in Kamenz. Nach 45 Jahren soll im kommenden Jahr Schluss sein. Die SZ sprach mit Band-Gründer Bernd Aust.

Herr Aust, die in Kamenz bestens bekannten Puhdys hatten ja 1989 auch schon mal vor, auf Abschiedstour zu gehen. Nach kurzer Pause haben sie dann einfach weiter gemacht. Können auch die Electra-Fans noch mal auf einen Abschied von der Abschiedstour hoffen?

Der Unterschied ist ja, dass die Puhdys damals 25 Jahre jünger waren. Ich werde im Januar 70 – und für mich ist es wichtig, mich von den Fans im vollen Besitz meiner geistigen und auch körperlichen Fähigkeiten zu verabschieden. Wer zum Beispiel den Türkischen Marsch auf der Querflöte bläst, braucht Luft und eine fitte Gesichtsmuskulatur. Ich mache seit meinem 16. Lebensjahr Musik, eine lange Zeit.

Gibt’s zum Abschied vielleicht sogar noch mal eine neue CD?

Nein, das wird es nicht geben. Man kann ja vieles produzieren, aber man muss es eben auch verkaufen. Und es ist keine Plattenfirma auf uns zugekommen, die mit uns produzieren wollte. Aber jetzt noch auf eigene Kosten eine CD zu machen und sie dann an der Tankstelle zu verkaufen, entspricht nicht wirklich meinen Vorstellungen… Und wir haben ja eine wie ich finde tolle CD von unserem Jubiläums-Konzert im Dresdner Kulturpalast vorgelegt –  es bleibt also eine Menge von uns!

Und doch: Irgendwann wird es „Tritt ein in den Dom“ oder „Das kommt, weil Deine Seele brennt“ nicht mehr live geben. Keine schöne Vorstellung…

Zugegeben, auch wir haben noch nicht so richtig realisiert, dass dieser Punkt irgendwann kommt. Aber bis Sommer 2015 sind ja wir ja noch auf Abschiedstour –  am Freitagabend eben in Kamenz.

Gibt es nach all den Jahrzehnten auf Tour vielleicht auch die eine oder andere besondere Erinnerung an Kamenz?

Na klar – ich bin wohl einer der Ersten gewesen, der hier nach der Wende gemeinsam mit dem damaligen Kulturhaus-Chef die Hutbergbühne wieder zu neuem Konzertleben erweckt hat. Wir haben hier regelmäßig gespielt – aber ich war dann auch als Konzertveranstalter hier aktiv.

Noch mal zu den Puhdys, die ja stets zu Pfingsten zum Konzert auf den Hutberg kommen: Die Puhdys haben ja immer vom großen Traum erzählt, mal gemeinsam mit den Rolling Stones in Peking zu spielen. Hat auch Bernd Aust mit Electra noch einen solchen Traum?

Wir haben uns diesen Traum schon erfüllt – übrigens auch hier in Kamenz! Wir haben nach der Wende mal Jethro Tull hier her geholt, von denen wir ja auch einige Titel spielen. Wir waren dann auch gleich noch die Vorband. Und anschließend habe ich einen Brief vom legendären Konzertveranstalter Fritz Rau bekommen, der von einem Telefonat mit Jethro-Tull-Sänger Ian Anderson schrieb. Anderson – der ja wie ich auch, Querflöte spielt –  hatte Rau klar gemacht, nach dem Konzert mit Electra wolle er nie wieder einen Flötisten im Vorprogramm haben. Das ist doch ein Ritterschlag…

Wenn Electra abtritt, gibt es mit der Stern Combo Meißen eigentlich nur noch eine einzige Band, die den legendären Art-Rock auf die Bühne bringt. Ist die Zeit für diese Musik vorbei?

Ach wissen Sie, ich beobachte auch bei uns im Publikum eine feste Größe junger Leute, die sich wieder für handgemachte Musik interessieren – obwohl es aktuell ja so viele Spielwiesen in Sachen Musik gibt. Das war in den ersten Jahren der Beatles und der Stones anders, da gab es eigentlich nur diese beiden. Und als wir anfingen, war gerade die Zeit vorbei, mit großem Bläser-Aufgebot auf die Bühne zu gehen. Später kamen hier und da die Bläser mal wieder, das ändert sich immer mal. Es ist – so glaube ich – heute einfach ein viel größerer Markt, in den sich Musiker teilen müssen.

Sie haben ja nach der Wende Ihr Geld nicht mehr vordergründig mit Electra verdient. Bassist Wolfgang Riedel hat sogar Werbeplätze auf Stadtplänen verkauft. Könnten Sie denn im Moment wieder von Electra leben?

Die Frage ist so einfach nicht zu beantworten. Wir haben uns nach der Wende glücklicherweise entschlossen, nicht mehr allein von Electra leben zu müssen. Das hat uns den Freiraum geschaffen, weiter Musik machen zu können, ohne Druck zu haben. Aber wenn man von Musik leben will, kann man das nicht nebenbei machen. Wir hatten eine schöne Zeit bis 1989 – aber heute sozusagen als Bittsteller durch die Lande zu ziehen, ist nicht mehr mein Ding.

Kritik an den Plattenfirmen?

Ich kann die Plattenfirmen durchaus verstehen, nach der Wende nicht mehr auf uns damals gut 50-Jährige zu setzen. Da ist einfach viel zu wenig Zeit, dass sich Investitionen lohnen. So muss man das einfach sehen. Deshalb hatten es jüngere Bands auch aus dem Osten damals einfach ein bisschen leichter. Ich freue mich jedenfalls für sie – Silbermond zum Beispiel, das ist doch wirklich toll, was die erreicht haben. 

Werden sich die Fans am Freitag doch noch auf ein Wiedersehen mit Peter „Mampe“ Ludewig freuen können?

Leider nicht. Er hat ja nicht aufgehört, weil wir uns nicht mehr leiden können. Sondern aus gesundheitlichen Gründen. Aber wir haben Stefan Trepte als Sänger, auch Gisbert Koreng. Wir werden die großen Hits spielen – die Fans werden auf ihre Kosten kommen!

Gespräch: Jens Fritzsche

Tickets: Hotel Stadt Dresden, 03578 34 45-0