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„Wir lassen uns nicht einschüchtern“

Akubiz-Chef Steffen Richter spricht über ein umstrittenes Fußballturnier, neue Gewalt und Hasstiraden im Internet.

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Herr Richter, der diesjährige vom Verein „Alternatives Kultur- und Bildungszentrum“ (Akubiz) organisierte antirassistische Fußballcup war überschattet von fremdenfeindlichen Attacken. Haben Sie mit Ulbersdorf den falschen Ort für das Turnier gewählt?

Nein, Ulbersdorf war eine gute Entscheidung. Nach Lohmen konnten wir dieses Jahr nicht, weil dort eine neue Turnhalle gebaut wird. Wir fragten mehrere Gemeinden als Ausweichorte an. Vom Hohnsteiner Bürgermeister Daniel Brade bekamen wir die Zusage für Ulbersdorf. Das freute uns, wir wollen gern aufs Land, um Gesicht zu zeigen. Zudem ist der Platz total toll, es war das bislang schönste Ambiente in der Turniergeschichte.

Und nichts hat vorher auf mögliche Übergriffe hingedeutet?

Im Vorfeld gab es keine negativen Anzeichen. Allerdings tauchte die Turnierankündigung, die zwei Tage vorher in der Zeitung stand, schon auf fremdenfeindlichen Seiten im Internet auf, darunter gab es bereits rassistische Kommentare.

Am Turniertag selbst gab es fremdenfeindliche Plakate am Spielfeldrand und im Ort, nachher Hasstiraden im Internet. Haben Sie einen solchen Exzess schon mal erlebt?

Akubiz gibt es seit 2001, aber solch ein Ausmaß haben wir noch nicht erlebt. Die Attacken uferten vor allem im Internet aus. Da gab es gegen das Turnier und vor allem gegen den Verein gerichtete Kommentare wie „Erschießt die Pisser!“, „Ich spende für ’nen Fußball mit Sprengstoff drin.“ und „Alle in den Gulag.“. Unsere Vereinsmitglieder sind einiges gewohnt, aber das hat uns mächtig geschockt.

Der Verein bekommt beinahe täglich Drohbriefe, es gab auch schon Morddrohungen. Ist jetzt eine neue Stufe der Gewalt erreicht?

Für uns als Verein auf jeden Fall. Sicher gab es schon mal Streitigkeiten, auch auf unsachlicher Ebene. Wenn aber jetzt Menschen so massiv bedroht werden, dann ist das sehr schlimm und bedenklich.

Wie sicher fühlt sich der Verein zurzeit?

Ich sage es mal so: Wir haben als Verein noch immer viel Rückhalt bei den Menschen. Das gibt uns ein Stück Sicherheit. Viele Menschen, für die Gewalt kein legitimes Mittel der Auseinandersetzung ist, schätzen unsere Arbeit. Nach den Attacken kam eine Menge Leute zu uns und sie haben ihre Solidarität bekundet und unsere Arbeit gelobt. Das macht uns Mut.

Bleibt dennoch Angst?

Angst trifft es nicht richtig. Es sind eher Bedenken, dass die Attacken unsere Vereinsarbeit beeinträchtigen könnten. Und es ist die Sorge, dass bislang Aufgebautes kaputt und die Motivation verloren geht.

Nach dem Turnier schlugen Unbekannte die Scheiben am Vereinsdomizil ein. Warum konzentriert sich so viel Gewalt ausgerechnet auf Akubiz?

Ich denke, das liegt am Thema Asyl. Wir haben uns viel mit dem Thema beschäftigt, uns dazu positioniert und vor Jahren auch die AG Asylsuchende mitgegründet. Asyl ist derzeit das Thema, das die Gesellschaft spaltet und Teile davon radikalisiert. Der Anschlag auf unser Büro reiht sich ein in eine Serie von Angriffen. Die Steinwürfe bei uns richteten sich wohl gegen zwei Plakate zum Thema Asyl, die im Fenster hingen.

Woher kommt all der Hass?

Das Problem heißt Rassismus, ein Problem und Phänomen, das in allen Bevölkerungsgruppen verankert zu sein scheint. Was der Gesellschaft fehlt, ist vor allem Empathie, also die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und zu ergründen, wie andere fühlen. Bestimmte Menschen können oder wollen das nicht. Zudem ist unsere Gesellschaft stark neidgeprägt. Was wir brauchen, sind mehr demokratiefördernde Angebote, die möglichst schon im Kindergarten beginnen sollten.

Eine Cup-Mannschaft trugin Ulbersdorf T-Shirts mit dem Aufdruck „Liebe Sport, hasse Deutschland“. Wurde damit der Exzess erst richtig provoziert?

Nein. Die Situation ist vorher schon mit den Plakaten am Sportplatz und Hasstiraden im Internet eskaliert. Dann hat man sich noch zusätzlich auf die Trikots gestürzt. Daraus ist die Geschichte geworden: Die Trikotträger sind Flüchtlinge, die ihr Aufnahmeland hassen. Das stimmt aber nicht. Es passte aber gerade so gut zu den Argumenten der Hassprediger.

Wenn die Trikots aber als grenzwertig galten, warum haben Sie sie als Veranstalter nicht verboten?

Für die Trikots sind die Mannschaften verantwortlich. Die besagten T-Shirts brachte das Team selbst mit, sie stammen nicht von uns. Der Aufdruck diskriminiert aus unserer Sicht keine Menschengruppen. Daher sahen wir keinen Anlass, dagegen vorzugehen. Wir sind aufgrund der T-Shirts wegen Volksverhetzung angezeigt worden, auch diesen Vorwurf sehe ich nicht als erfüllt an. Seltsam ist: Beim Turnier hat diese Trikot-Aufschrift keine Rolle gespielt. Es gab keine Diskussionen, auch nicht unter den Teams. Eskaliert ist das erst nachher im Internet. Allerdings haben uns im Nachgang auch viele gefragt: Warum soll man eine solche Aussage nicht treffen können?

Gibt es hinsichtlich der Drohungen und der Gewalt gegen den Verein schon eine Spur zu den Tätern?

Die Bedrohungen über Facebook haben wir angezeigt. Nach dem Angriff aufs Büro hat die Polizei die Steine mitgenommen. Zwei Steine lagen in den Räumen, drei davor. Ein Aktenzeichen wurde uns mitgeteilt. Aus der Zeitung erfuhren wir, dass es eine erste Hausdurchsuchung bei einem Verdächtigen gab und dass das Operative Abwehrzentrum ermittelt. Bei uns hat sich bislang niemand weiter gemeldet und etwas nachgefragt. Das wundert uns schon.

Hat Akubiz nach Drohungen und Gewalt schon mal ans Aufhören gedacht?

Nein. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Nach den letzten Ereignissen entstand eher eine Art Trotzreaktion nach dem Motto: jetzt erst recht. Und die vielen positiven Reaktionen, die wir erfahren, motivieren uns jedes Mal aufs Neue, weiterzumachen.

Wie macht der Verein jetzt weiter?

Es gibt keine gravierende Neuausrichtung. Wir machen weiter wie bisher und behalten auch unsere Angebote bei.

Findet 2016 die zehnte Auflage des antirassistischen Fußballcups statt?

Die soll es geben, wir wollen daran festhalten, zumal es ja ein Jubiläumsturnier ist. Wir hoffen, dass wir couragierte Bürgermeister und Vereine finden, bei denen wir das Turnier austragen können.

Das Gespräch führte Thomas Möckel.