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Wofür die Görlitzer Synagoge künftig dienen soll

Die neuen Planer mussten sich erst einarbeiten. Dann haben sie Probleme bei der Statik und Baumängel vorgefunden.

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Im Foyer der früheren Synagoge in der Otto-Müller-Straße laufen derzeit die Bauarbeiten. Stuckateurmeister Jens Noack von der Augsburg Bau GmbH aus Dresden trägt Spanplatten in das Gebäude.
Im Foyer der früheren Synagoge in der Otto-Müller-Straße laufen derzeit die Bauarbeiten. Stuckateurmeister Jens Noack von der Augsburg Bau GmbH aus Dresden trägt Spanplatten in das Gebäude. © Nikolai Schmidt

Dieter Gleisberg ist stocksauer. „Da werden Millionen von Euro in der früheren Synagoge verbaut und dann stellt sich heraus, dass niemand das gesamte Gebäude im Blick hatte“, schimpft der Fraktionschef der CDU im Stadtrat, der sich als Bauingenieur tatsächlich auch fachlich auskennt. „Die Bauverwaltung hätte merken müssen, dass es Probleme gibt“, sagt er.

Hintergrund: Bei dem Gebäude, das seit der Wende nach und nach saniert wird, gibt es statische Probleme. Die waren nie bekannt. Erst die neuen Planer haben sie jetzt festgestellt. Bürgermeister Michael Wieler bestätigt das gegenüber der SZ, spricht von Problemen mit den früher verwendeten Materialien, aber auch von „verdeckten baukonstruktiven Mängeln“ aus der Zeit, in der die Beschäftigungsgesellschaft Ebiz in der Synagoge tätig war, also vor allem in den 1990er Jahren. „Um Rohre oder Kabel zu verlegen, wurden damals im Boden des Obergeschosses wichtige Träger durchbohrt“, sagt Wieler. Das habe die Statik des Gebäudes beeinträchtigt. Zwar lässt sich alles reparieren. Aber der Bau wird teurer. Als die Stadt im Dezember 2016 den Fördermittelantrag für den letzten großen Bauabschnitt bei der Sanierung des Gebäudes gestellt hatte, war sie von 3,8 Millionen Euro Kosten ausgegangen. Inzwischen sind es schon 5,1 Millionen. Die Erhöhung liegt laut Wieler aber nicht nur an der Statik, sondern auch an „fehlender Planungstiefe vor der Fördermittelbeantragung“. Sprich: Damals hatte sich noch niemand wirklich gründlich damit beschäftigt.

Die Stadt hat aber schon Ideen, wie die Lücke von 1,3 Millionen Euro geschlossen werden könnte. Erstens: Der vorherige Bauabschnitt war günstiger als gedacht, davon sind noch 300 000 Euro übrig. Zweitens: 700 000 Euro lassen sich einsparen, wenn das Dach nicht noch einmal neu gedeckt, die Fassade nicht rundum erneuert und einige andere Sachen weggelassen werden. Bleibt also noch eine Lücke von 300 000 Euro. Wobei das noch nicht sicher ist. Die Stadt will die Ergebnisse der Ausschreibungen abwarten. Im Juni oder Juli sollen diese vorliegen. Erst dann steht fest, ob es wirklich 300 000 Euro sind – oder etwas mehr oder weniger. Dann will Wieler noch einmal mit den beiden Fördermittelgebern – Bund und Land – reden, ob eine Aufstockung möglich ist. Erste Vorgespräche gab es schon, aber konkret wird es erst, wenn die tatsächlichen Kosten feststehen.

Das andere Problem ist die Zeit. Noch im Mai 2017 ging die Stadt davon aus, dass die Synagoge Ende 2018 fertig saniert sein wird. Inzwischen sagt Wieler, der Bau werde „bis deutlich ins Jahr 2020 hinein“ dauern. Er hofft auf eine Fertigstellung im Sommer 2020. Auch dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zunächst mal: Bis 2017 baute die Stadt in kleineren Abschnitten – unter der Regie von Andreas Schmidt vom Görlitzer Ingenieurbüro Schmidt. Dann kam die Förderzusage von Bund und Land für einen großen letzten Bauabschnitt. Deshalb musste die Stadt die Architekten- und Ingenieurleistungen neu ausschreiben, ob sie wollte oder nicht. Die Vergabeverordnung (VgV) verlangt das, denn der Schwellwert von 207 000 Euro war überschritten. Schmidt durfte sich ebenfalls bewerben, hat das auch getan, war aber gegen die Konkurrenz nicht erfolgreich. Stattdessen hat die Arbeitsgemeinschaft aus Noack+Noack Ingenieure, Ingenieurbüro für Bauplanung aus Görlitz und Schubert Horst Architekten Partnerschaft aus Dresden den Zuschlag für die weitere Planung erhalten.

Kritiker Gleisberg macht für die Versäumnisse bei der Statik die Bauverwaltung verantwortlich, nicht den früheren Planer Andreas Schmidt. Damit dürfte er richtig liegen. Schmidt nämlich sagt, er habe seit 2005 drei Aufgaben zu erfüllen gehabt: Erstens, die Voraussetzungen für eine Teilnutzung zu schaffen, also zum Beispiel Toiletten einbauen und Brandschutz-Auflagen erfüllen. Zweitens: Die Erneuerung der Fenster im Kuppelsaal und der Frauenempore. Und drittens restauratorische Arbeiten. Bei alledem ging es nicht um die Statik, sodass sich Schmidt die Träger in der Decke tatsächlich nie angeschaut hat. Vorher, also zu Ebiz-Zeiten, sei Professor Berndt als Statiker im Einsatz gewesen. „Er hat die Konstruktionen berechnet, dazu gibt es ausreichend Akten“, erklärt Schmidt. Berndt selbst ist längst in Rente.

Keine Vorwürfe macht Gleisberg der Stadt in einem anderen Punkt. „Ein Planerwechsel war unumgänglich“, sagt er. Jetzt wehe ein neuer Wind, mehr Effizienz: „Und die neuen Planer sind eine größere Truppe, die haben die Probleme mit der Statik erkannt.“ Die Ingenieurkammer Sachsen sieht das ein bisschen anders. „Ob der Schwellwert der VgV tatsächlich überschritten wird, hängt vom ausgeschriebenen Leistungsumfang ab“, sagt ein Sprecher. Je mehr Leistungen in einem Paket gebündelt werden, umso schneller ist eine Vergabe nach VgV erforderlich: „Die Ingenieurkammer Sachsen tritt aber dafür ein, die Vergabepakete möglichst klein und mittelstandsfreundlich zu gestalten.“

So oder so: Die Ausschreibung der Planung von Dezember 2016 bis April 2017 kostete viel Zeit, dann ging Schmidt in Widerspruch, scheiterte aber, die neuen Planer konnten sich erst ab September 2017 einarbeiten. Das dauerte bis März 2018, danach begannen Ausführungsplanung und Prüfung der Statik. All das kostete Zeit. Und ist nicht mehr aufzuholen.

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