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Wohin?

Familie Elezoski lebt im Riesaer Asylbewerberheim – noch. Sie soll abgeschoben werden.

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Von Britta Veltzke

Jeden Moment könnten sie da sein – die Beamten, die Ajnur Elezoski und seine Familie auffordern mitzukommen. Den älteren Kindern Emil, Elma und Amela würde er dann sagen, dass sie ihre Sachen packen sollen – Klamotten, Spielzeug. Der neunjährige Emil würde sicher den Schulranzen mitnehmen. Noch geht er täglich, wie viele andere Kinder in Riesa auch, in die Grundschule an der Breitscheidstraße. Frau Samanta würde den zweijährigen Dehran warm einpacken und schnappen, was sie tragen kann. Viel ist es ohnehin nicht, was die Familie besitzt. Einen Blick noch auf das gelbe getünchte Asylbewerberheim – und los geht´s. Nur wohin? Zurück nach Zemun in Serbien. Und dann? Der Familienvater runzelt die Stirn. „Ich weiß nicht. Auf die Straße. In Serbien erwartet uns nichts.“

Ajnur Elezoski spricht fließend deutsch. Die nun drohende Abschiebung ist nicht die erste, die der 32-Jährige durchmacht: Von 1988 bis 1997 lebte er mit seinen Eltern in Niedersachsen. Die Roma-Familie war damals vor Diskriminierung und Armut aus dem Balkanstaat geflohen. Ebenso wie es Ajnur mit seiner eigenen Familie vor anderthalb Jahren wieder getan hat. Seinem ersten Deutschlandaufenthalt hat er seine Schulbildung zu verdanken. Als er mit damals 13 Jahren zurück in seine fremde Heimat kommt, ist es damit aber vorbei. Die Anmeldung in der Schule vor Ort scheiterte. Woran? „Daran, dass wir Roma sind. Wir haben am Stadtrand in der Nähe einer Müllhalde gelebt, ohne fließend Wasser.“

Ein Sprachtalent

Armut, staatliche Willkür, Ablehnung – all das will er Emil, Elma, Amela und Dehran ersparen. Vater Ajnur würde in Deutschland gerne einen Schulabschluss nachholen, um dann eine Lehre als Maurer zu machen. Auf dem Bau hat er bereits in Serbien gearbeitet – das hat ihm Spaß gemacht, obwohl er häufig die Erfahrung machen musste, für die Arbeit nicht entlohnt zu werden, erzählt er.

Dass er schnell lernt, hat er bereits bewiesen. Neben Serbisch, Mazzedonisch und Deutsch spricht er Englisch und Russisch. Und zwar: „Weil es andere im Heim ja auch sprechen“, meint er lapidar, als wäre es das natürlichste der Welt, eine Sprache zu lernen, nur weil man für einige Monate das Quartier mit Vertretern anderer Muttersprachen teilt. „Er ist ein Sprachtalent“, sagt Udo Röhl, der sich seit Wochen dafür einsetzt, dass die Familie nicht abgeschoben wird. Heimleiterin Valentina Hananov setzt Ajnur Elezoski immer wieder als Dolmetscher ein. Erst diese Woche hat er wieder eine russisch sprechende Patientin zum Arzt begleitet.

Der Asylantrag der Familie wurde abgelehnt. Als Flüchtlinge werden die Elezoskis nicht anerkannt. Grund: Sie sind nicht politisch verfolgt. Seitdem die Bundesregierung Serbien als sicheres Herkunftsland eingestuft hat, wird ausländischen Roma kaum noch das Bleiberecht gewährt. Mit ihrem Einzelfall klagt Familie Elezoski nun vor dem Amtsgericht in Chemnitz – bislang ohne Erfolg. In einem Schreiben, das der SZ vorliegt, heißt es, dass die Familie Deutschland innerhalb einer Woche verlassen muss. Die Zeitspanne ist längst um.

Der Eilantrag, um erst einmal doch in Deutschland bleiben zu können, wurde ebenfalls abgelehnt. Hilfe bekommt die Familie bei ihrem Rechtsstreit von Anwalt Robert Ziolkowski aus Dresden. In dem Verfahren soll nun noch geklärt werden, ob die Ausweisung grundsätzlich rechtmäßig ist. Die Verhandlung könnte auch dann weitergehen, wenn die Familie längst abgeschoben ist – vorausgesetzt sie kann die Anwaltskosten weiter bezahlen. Das fällt Ajnur Elezoski aber jetzt schon schwer. Einen Teil hat er schon beglichen. Das Geld habe er sich von anderen Bewohnern geliehen.

Dass Risiko, sein Honorar nicht komplett zu bekommen, geht Anwalt Robert Ziolkowski ein. Er vertritt auch noch andere Roma in ähnlich aussichtslosen Fällen. „Ich sage meinen Mandanten vorher klipp und klar, dass die Aussicht auf Erfolg eher gering ist, und was es kostet, zu klagen.“ Die meisten Roma kämen nach Deutschland, weil sie arm sind. „Und warum sind sie arm?“, fragt er und gibt die Antwort gleich selbst: „Weil sie diskriminiert werden, weil Behörden willkürliche Entscheidungen treffen, weil Roma oft allein wegen ihres Aussehens vom System ausgeschlossen werden. Aber diese Argumentationskette erkennen deutsche Gerichte nicht mehr an“, so Ziolkoswski. Der Justiz bleibe aber auch gar nichts anderes übrig. „Die Richter müssen sich schließlich an die Gesetze halten, die die Politik gemacht hat. Roma aus anderen Ländern sind in Deutschland politisch nicht gewollt. Das ist die einfache Erklärung.“ Der Anwalt hält das ethisch für falsch. Er weiß, wie Roma auf dem Balkan behandelt werden.

Udo Röhl will nun versuchen, den Fall vor die Härtefallkommission des Sächsischen Landtages zu bringen. Die Kommission kann aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung erwirken, wenn ein Gericht diese zuvor abgelehnt hat (siehe unten). Vor allem wegen der Kinder rechnet er sich gute Chancen für die Familie aus – aber auch, weil sich Elezoski um die Integration bemüht. Einmal hatte er sogar schon einen Arbeitsplatz gefunden. Dann aber konnte die Firma nicht nachweisen, sich genug um einen deutschen Arbeitnehmer gekümmert zu haben. Damit war die Stelle weg. Aber Elezoski lässt sich davon nicht beirren. Er kämpft weiter – für nicht mehr als ein gutes Leben.