SZ +
Merken

Zechtour endet mit Schlägerei

Drei Jungs gehen ein paar Bier trinken, am Ende fliegen Fäuste, und es gibt ausgeschlagene Zähne.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Annett Heyse

Es war an einem heißen Sommerabend im Juli 2013. Drei junge Männer treffen sich am Dorfrand von Kleinopitz. Sie trinken ein paar Bier und mit Schnaps angereicherten Saft. Ganz nett soll die Stimmung gewesen sein, erzählen sie später. Und dennoch war dies der Anfang vom Ende einer Kumpelei. Nun sitzt Sebastian R. (23) auf der Anklagebank. Es geht um Körperverletzung, vielleicht aber auch um Notwehr. Und es geht um eine Schlägerei, die von fünf Menschen, die mit dabei waren, unterschiedlich geschildert wird. Dabei stand am Ende der Vater einer der jungen Männer mit sieben an- oder ausgeschlagenen Zähnen da.

Zunächst aber trank man in trauter Eintracht. Sebastian R., der gerade sein Fachabitur nachholt, sowie sein Klassenkamerad und guter Freund Franz L. hatten die Getränke besorgt. Lucas G., gelernter Tischler kam hinzu. Zu gemeinsamen Schulzeiten war er mit Sebastian R. gut befreundet gewesen. Später verlief sich dies. „Wir hatten nur noch Streit miteinander“, berichtet Lucas G. vor Gericht. Der Sommerabend in Kleinopitz war das erste Mal seit Langem, dass man sich wieder sah. Irgendwann beschlossen die drei, nach Freital zu fahren. Man wollte noch etwas erleben.

„Wir gingen in die Kellerbar in Potschappel und tranken ein paar Bier“, berichten Sebastian R. und Franz L. Die beiden zahlten auch die Rechnung für Lucas G., der vorgab, kein Geld mehr zu haben. Lucas G. hingegen sagt, er könne sich an nichts erinnern. Weder an die Kellerbar noch daran, wie sie überhaupt nach Freital gekommen sind, noch wie das mit dem Bezahlen gewesen sei. Es war nach Mitternacht, als sie sich auf den Rückweg machten. Die beiden Abiturienten waren pleite. Dennoch bestellten sie ein Anrufsammeltaxi, weil Lucas G. gesagt haben soll, er hätte doch noch etwas Geld von seinem Vater, er könne das Taxi bezahlen. Lucas G. meint vor Gericht, genau sei gar nichts abgesprochen gewesen und er wisse nicht mehr viel von dem Abend, er sei betrunken gewesen. Wollte er sich durchschnorren?

Zoff auf dem Heimweg

In Kleinopitz jedenfalls ist er aus dem Taxi gesprungen und schnurstracks nach Hause gegangen. „Besser gesagt, ich bin gerannt. Die anderen folgten mir. Ich hatte richtig Angst.“ Gerannt, obwohl er betrunken war? „Im Taxi habe ich von R., der hinter mir saß, drei oder vier Ohrfeigen bekommen“, erzählt Lucas G. Die beiden Schüler dagegen behaupten, es hätte keine Ohrfeigen gegeben. Dem Taxifahrer – zum Glück ein Bekannter aus Kleinopitz – versprachen sie, am nächsten Tag das Geld zu bringen. Dann spurteten sie hinter Lucas G. her.

Es war gegen ein Uhr, als bei der Familie G. Sturm geklingelt wird. Auch hämmern und treten die beiden gegen die Tür. Handwerksmeister Clemens G. war noch auf und nahm die Sache gleich selbst in die Hand, „weil mein Sohn zu betrunken wirkte“. Aber was genau dann geschah, davon gibt es nun mehrere Versionen – und nur eine kann stimmen. Clemens G. sagt, er hätte einen Schrubber, der zufällig im Hausflur stand, geschnappt und die Tür geöffnet. „Der R. sagte, auf den Moment habe er schon lange gewartet. Dann riss er mich mit dem Schrubber die Treppe herunter, dann rangen wir miteinander.“

Sebastian R., einen Kopf größer als Clemens G. und von kräftiger Statur, weist dies von sich. „Die Tür ging auf und ich bekam sofort den Schrubber auf den Kopf. Da habe ich versucht, ihm den Schrubber wegzunehmen, eine Zeit lang rangen wir miteinander, dann hatte ich den Schrubber und wollte ihn vertreiben. Also sind wir um einen Baum im Garten gerannt und er ist dann wieder ins Haus rein.“ Ina F., eine Bekannte des Vaters , die zu der Zeit in der Einliegerwohnung lebt, kommt in dem Moment die Treppe herunter. „Der R. stand mit dem Schrubberstiel im Windfang, der andere Junge draußen vor der Tür“, sagt sie aus. Clemens G. habe sich den stark blutenden Mund gehalten und geschockt gewirkt. Sie habe dann die beiden ihr Unbekannten angeschrien, sie sollten sich aus dem Staub machen. Da habe R. nochmals den schon wehrlosen Mann vor die Brust geschlagen.

Not-OP noch in der Nacht

Wann Clemens G. den Schlag gegen den Kiefer bekommen hat, ob es gezielt oder im Handgemenge passiert ist, ob Absicht oder Notwehr – Fakt ist nur, dass sieben Zähne aus- oder abbrachen. Die Kinnlade musste noch in der Nacht operiert werden. Daran schlossen sich zahlreiche weitere Behandlungen an: Überkronung, Füllungen, Implantate – die ganze zahnärztliche Behandlungskunst musste her.

Sebastian R. ist sich keiner Schuld bewusst. „Allein wird sich das Opfer doch wohl kaum eine solche Verletzung zugezogen haben“, argumentiert Richterin Daniela Höllrich-Wirth. Sie verurteilt den jungen Kleinopitzer wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je fünf Euro. Clemens G. kann jetzt auf zivilrechtlichem Weg noch auf Schadensersatz klagen. Und da dürfte bei solch einer Verletzung einschließlich Krankheitstage, Verdienstausfall und Zahnarztkosten einiges zusammen kommen.