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Zecken pfeifen auf die Hitze

Sie lieben kühle Feuchte, rücken uns in diesen warmen Tagen trotzdem zuleibe. Experte Axel Christian erklärt, warum.

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© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Ein Paket steht auf Axel Christians Schreibtisch. Er ist noch nicht dazu gekommen, sich damit zu befassen. Absender ist das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin. Sie haben Zecken an Axel Christian geschickt – Zecken, die von untersuchten toten Wölfen stammen.

Axel Christian ist einer der Experten in Deutschland, wenn es um Zecken und besonders um Raubmilben geht. Der 59-Jährige kümmert sich bei Senckenberg in Görlitz nicht nur um die Ausstellungen im Naturkundemuseum, sondern leitet auch die Bodenzoologie, Sektion Spinnentiere. Zu denen gehören die Zecken. Axel Christian untersucht und bestimmt sie, hält zu dem Thema auch Vorträge vor Studenten der Uni Cottbus und der Hochschule Zittau-Görlitz. Vorletzte Woche war er sogar im Bundestag, wo er mit interessierten Abgeordneten über Bodenorganismen sprach.

Über Zecken kann er viel berichten. Von den etwa 20 Arten, die in Deutschland leben, sind es an der Neiße vor allem zwei, die uns zuleibe rücken wollen. Die Auwaldzecke hat sich in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten deutlich ausgebreitet und kommt hier insbesondere am Berzdorfer See vor. Woher man das weiß? „Unter anderem durch viele besorgte Bürger, die mit Röhrchen zu uns kommen“, sagt Axel Christian. Darin bringen sie vom Körper abgelesene Zecken. Sogar an Klebestreifen festgehaltene Zecken kamen schon.

Noch mehr verbreitet ist allerdings der Holzbock. Er kommt praktisch überall vor: in Gärten, Parks, auf Äckern, in Wäldern, an Bachläufen. „Ein Hoch hat er im Frühjahr und Herbst, aber sogar im Winter kann man sich den auflesen“, sagt Axel Christian. Schon ab acht  Grad wird er nämlich aktiv. Bei dem milden Januar also kein Wunder, dass der Experte sagt: „Die Zeckensaison ist dieses Jahr extrem zeitig losgegangen.“ In den paar Tagen der klirrenden Kälte, die der März brachte, hätten sich die Zecken wohl unter alten Laubschichten warm gehalten, um dann im Frühling richtig loszulegen. Die heißen Temperaturen, die gerade herrschen, lassen sie kalt. Schließlich gibt es frühmorgens feuchte Wiesen und auch sonst genug frische Orte in Bodennähe. Nur auf den völlig ausgetrockneten Feldern wird sich derzeit wohl keine Zecke aufhalten, sagt Dr. Christian.

Sonst aber nahezu überall, denn die Krabbeltiere sind auf der Suche nach Opfern. Das müssen sie sein, denn um ins jeweils nächste Entwicklungsstadium zu kommen, brauchen sie Blut. Das gibt es nur, wenn sie einen Wirt finden – ganz gleich, ob Mensch oder Tier – den sie stechen können. „Es heißt Zeckenstich, nicht Zeckenbiss.“ Axel Christian wird nie müde, den Leuten das richtig beizubringen. So ein Stich birgt Gefahren, müsse den Betroffenen aber nicht in Panik versetzen, denn selbst nach Wochen kann immer noch gehandelt werden.

Zunächst, sagt Axel Christian, suche die Zecke ohnehin auf dem Körper eine geeignete Stelle, oft da, wo die Haut besonders dünn ist – unter den Achseln oder in den Kniekehlen beispielsweise. „Das Suchen kann Stunden dauern. Wer also aus Wald oder Garten kommt und sich gründlich absucht und duschen geht, hat kein großes Risiko mehr.“ Stellt man am Körper nach Tagen eine rote Stelle fest – ganz gleich, ob man einen Zeckenstich bemerkt hat oder nicht – und vergrößert sich diese Stelle dann auch noch ringförmig, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Denn nach wie vor gilt: Zecken sind Überträger von zwei wichtigen Krankheiten – FSME und Borreliose. FSME ist eine Viruserkrankung, die im schlimmsten Fall zu Hirnhautentzündung führen kann. „Man kann sich aber durch die entsprechende Impfung gut schützen. Ich bin schon seit Jahren geimpft und kann sagen: Es ist ein gut verträglicher Impfstoff. Ich würde jedem zur Impfung raten, der in Risikogebiete wie Österreich, Bayern oder Thüringen reist.“ Laut Robert-Koch-Institut gehört seit diesem Jahr erstmals auch der Landkreis Bautzen dazu.

Auch die Barmer warnt aktuell vor der Ausbreitung von FSME und rät zur Impfung. In Sachsen habe sich die Zahl der FMSE-Infektionen von zehn (2016) auf 21 im vergangenen Jahr verdoppelt. Ronny Scharntke, Regionalgeschäftsführer der Barmer in Görlitz sagt: „Wer sich der Gefahr einer Hirnhautentzündung nicht aussetzen will, benötigt drei Impfungen. Ein bis drei Monate nach der ersten findet eine zweite statt, bis zu zwölf Monate später eine dritte. Der Impfschutz hält dann mindestens drei Jahre und führt bei 99 Prozent der Geimpften zum vollständigen Schutz.“

Borreliose ist die zweite von Zecken übertragene Krankheit, hier gelangen Bakterien in den Körper, können Gelenkprobleme, aber auch Herz- oder Hirnkomplikationen auslösen. Eine Impfung gibt es nicht. „Aber hier helfen selbst nach sechs, acht Wochen Antibiotika noch genauso gut wie nach fünf Tagen, denn die Bakterien breiten sich langsam aus“, sagt Christian.

Er liefert mit seiner Arbeit wichtige Erkenntnisse über Zecken. Neben denen, die Menschen an sich abgesammelt und zu ihm gebracht haben, sind es vor allem viele, die von Tieren stammen. Zecken von Ottern hat er schon unterm Mikroskop gehabt, ist aktuell an der Untersuchung von Zecken beteiligt, die von Haselmäusen stammen. Und wenn ein bisschen mehr Luft ist, kommen auch die von den Wölfen mal an die Reihe.