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Herrnhuts sichere Bank für die Zukunft

Mit Ministerpräsident und überraschenden Geschenken haben die Zinzendorfschulen ihr neues Schulhaus eingeweiht. Für manchen endet mit dem Bau ein familiäres Drama.

Von Anja Beutler
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Ein Geschenk zur Schuleinweihung: Schüler der Herrnhuter Zinzendorfschulen tragen das Geschenk der Brüdergemeine in ihr neues Haus.
Ein Geschenk zur Schuleinweihung: Schüler der Herrnhuter Zinzendorfschulen tragen das Geschenk der Brüdergemeine in ihr neues Haus. © Foto: Matthias Weber

Heiner Gregor ist sich sicher: Seinem Vater Friedrich hätte dieser Anblick sehr gefallen. Genau dort, wo bis zum verheerenden Herrnhuter Stadtbrand am 9. Mai 1945 das Haus der Familie samt Glas- und Porzellangeschäft gestanden hat, glänzt nun ein Haus. Die neue Zinzendorfschule, um genau zu sein. "Ich freue mich sehr, dass die alten Strukturen der Stadt wieder entstehen", sagt Heiner Gregor und meint damit nicht nur die Zinzendorfschulen sondern auch die benachbarte Comenius-Schule, die in den Jahren zuvor neu entstanden war und ebenso eine alte Kriegswunde schließt. So ersteht vor den Augen von Heiner Gregor das alte Herrnhut wieder neu, das Herrnhut seiner Kindheit.

So wie Heiner Gregor haben rund 300 Gäste den Schulneubau vis-a-vis des Kirchensaales am heutigen Donnerstag gefeiert. Zwar lernen die Schüler bereits seit den Winterferien in ihren neuen Räumen. Doch ein Festakt - mit dem Ministerpräsident, der sich bereits als Bundestagsabgeordneter mit dem Schulbauprojekt befasst hatte - gehört zu diesem wichtigen Projekt für Herrnhut und die Brüdergemeine mit dazu. In atemberaubend kurzer Zeit sei der Bau entstanden, erklärte Herrnhuts Altbürgermeister und Vorsitzender des Kuratoriums der Evangelischen Schulstiftung, Rainer Fischer: Grundsteinlegung war im Mai 2017, sieben Monate später Richtfest und nach insgesamt 23 Monaten Bauzeit der Umzug.

Der Schulbau ist zudem ein architektonisch-ökologisches Vorzeigeobjekt und ein stolzes Symbol für das Schulwesen der Herrnhuter Brüdergemeine. Denn den Herrnhutern war von jeher Bildung enorm wichtig: "Bildung ist gewissermaßen ein Herrnhuter Rohstoff, wir haben keine Erze oder andere Bodenschätze", umschrieb es Bürgermeister Willem Riecke (Herrnhuter Liste). In Zeiten, wo überall vor allem in Pflegeheime und  Seniorenwohnungen investiert werde, eine Schule zu bauen, sei ein besonderer Akzent. Und der komme nicht nur der Stadt, sondern dem ganzen Kreis zugute.

Dass der Schulbau - vor allem mit Blick auf die Nähe zur Straße - bis heute nicht ganz unumstritten ist, gibt Bürgermeister Riecke zu: "Dinge lassen sich begründen, ob sie verstanden werden, ist eine andere Sache", sagte er mit Blick auf die Anforderungen des Bebauungsplanes der Stadt, der genau diese Positionierung in den alten Kubaturen vorgibt. Für Menschen wie Heiner Gregor oder auch Renate Hertzsch, deren Elternhaus ebenfalls an der Zittauer Straße gestanden hatte, schließt sich auf diese Weise architektonisch und emotional eine schmerzhafte Wunde in der Stadtgeschichte. 

Denn nach dem Stadtbrand war nicht nur für die beiden Familien nichts mehr wie es war. Und Herrnhuts Zentrum hatte sein Gesicht verloren. Heiner Gregors Vater war zwei Tage nach dem Stadtbrand aus Peenemünde, wo er als Soldat stationiert war, zurückgekommen. Dort sah er die rauchenden Reste seines Lebens. "Mein Vater wollte das Haus immer wieder aufbauen, aber er durfte nicht", erinnert sich Heiner Gregor. Die DDR-Führung verhinderte dies ein ums andere Mal und entschied sich dann spontan, eine sozialistische Schule genau gegenüber den Kirchensaal zu setzen. "Die Staatsführung wollte geistig und architektonisch mit dem Plattenbau vom Typ Dresden der Stadt einen Stempel aufdrücken", wertet auch Andreas Verbeek, der damals bei der Brüdergemeine arbeitete und auch dienstlich mit der Frage des Wiederaufbaus der Unitäts-Gebäude befasst war, diesen Schritt.

Verbeek machte der Schule übrigens ein ganz besonderes Geschenk: Er hatte eines der alten schmiedeeisernen Gitter aufbewahrt, die einst in den Oberlichtern des Georgentores verbaut waren. Das Georgentor wölbte sich dort über die Christian-David-Straße, wo heute der Überbau der Schule beide Gebäudeteile verbindet. Bürgermeister Willem Riecke überreichte im Namen der Stadt das Geschenk, das einen besonderen Platz erhalten soll. In Herrnhut sind Alt und Neu auf besondere Weise verbunden.

Auch deshalb ist  Renate Hertzsch, die inzwischen über 80 ist, "heilfroh, dass sie nun Frieden schließen kann." Heiner Gregor pflichtet ihr bei. Ihm gefällt der Herrnhuter Barock, den der Bau äußerlich spiegelt. Wie es innen genau aussieht, darauf ist er noch gespannt. Zwei Enkelkinder von Heiner Gregor lernen momentan am Gymnasium. "Für die ist das selbstverständlich", wundert er sich ein bisschen. Kein Wunder, schließlich waren die Schüler von Anfang an in das Bauprojekt mit eingespannt: Sie haben die Arbeiten über den Fachunterricht auf ihre Weise begleitet, kreative Fliesenspiegel für die Räume kreiert und lernen nun schon einige Tage im neuen Haus.

Am morgigen Freitag findet das öffentliche Schulfest "Willkommen und Abschied" statt. Dabei werden auch Gegenstände aus der alten Schule versteigert. Von 17 bis 20 Uhr kann das neue Schulhaus besichtigt werden.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (2. von rechts) war zur Feier gekommen. Er war schon als Bundestagsabgeordneter mit dem Projekt betraut und sicherte nun  mehr Geld vom Freistaat für freie Schulen zu.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (2. von rechts) war zur Feier gekommen. Er war schon als Bundestagsabgeordneter mit dem Projekt betraut und sicherte nun  mehr Geld vom Freistaat für freie Schulen zu. © Foto: Matthias Weber
Rund 300 Gäste waren zur offiziellen Feierstunde in den Kirchensaal zu einem festlichen Gottesdienst gekommen.
Rund 300 Gäste waren zur offiziellen Feierstunde in den Kirchensaal zu einem festlichen Gottesdienst gekommen. © Foto: Matthias Weber
Architekt Daniel Neuer (vorn, 2. von links) zeichnet für den anspruchsvollen Bau nach höchsten Umweltanforderungen verantwortlich. Rund 400 Arbeiter und Fachleute waren an dem Bau beteiligt.
Architekt Daniel Neuer (vorn, 2. von links) zeichnet für den anspruchsvollen Bau nach höchsten Umweltanforderungen verantwortlich. Rund 400 Arbeiter und Fachleute waren an dem Bau beteiligt. © Foto: Matthias Weber
Neugierig schauen die Schüler der Zinzendorfschulen im Lichthof auf die vielen Festgäste, als sie ins Schulhaus kommen, um den Neubau selbst in Augenschein zu nehmen.
Neugierig schauen die Schüler der Zinzendorfschulen im Lichthof auf die vielen Festgäste, als sie ins Schulhaus kommen, um den Neubau selbst in Augenschein zu nehmen. © Foto: Matthias Weber
Seit drei Wochen lernen die Schüler in den neuen Räumen - und leben sich nach und nach mehr ein. Die geladenen Gäste bekamen einen Rundgang durch den Neubau.
Seit drei Wochen lernen die Schüler in den neuen Räumen - und leben sich nach und nach mehr ein. Die geladenen Gäste bekamen einen Rundgang durch den Neubau. © Foto: Matthias Weber
Schulische Nachbarn: An der Zittauer Straße stehen sich jetzt die Neubauten der Förderschule Johann Amos Comenius (rechts) und der Zinzendorfschulen gegenüber.
Schulische Nachbarn: An der Zittauer Straße stehen sich jetzt die Neubauten der Förderschule Johann Amos Comenius (rechts) und der Zinzendorfschulen gegenüber. © Foto: Matthias Weber
Der alte Plattenbau "Typ Dresden" wird abgerissen. 1971/72 hatte sich  die DDR-Führung spontan entschlossen, eine Schule gegenüber des Kirchensaales zu bauen - als deutliches Zeichen.
Der alte Plattenbau "Typ Dresden" wird abgerissen. 1971/72 hatte sich  die DDR-Führung spontan entschlossen, eine Schule gegenüber des Kirchensaales zu bauen - als deutliches Zeichen. © Foto: Matthias Weber

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