Von Sebastian Beutler
Görlitz. Auf Zugaben hofft das Konzertpublikum bei der Aufführung von großen Oratorien oft vergeblich. Doch am Donnerstagabend ließ sich Reinhard Seeliger in der Görlitzer Kreuzkirche nicht lange von den begeisterten Besuchern bitten, die gerade die Kantaten eins bis drei des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach gehört hatten. So wiederholten der Bachchor, die Solisten und das Orchester den großartigen Chor „Herrscher im Himmel“ aus der dritten Kantate – und ernteten erneut stürmischen Applaus. Zu Recht.
Unter Seeligers Leitung gelang eine frische Interpretation des Bachschen Oratoriums, das so oft bereits vom Bachchor und Seeliger aufgeführt wurde, dass die Gefahr der Routine groß ist. Doch nichts war davon während des 90-minütigen Konzertes zu spüren. Der Bachchor präsentierte sich ausgewogen in allen Stimmen besetzt, akkurat bei den Einsätzen und gestalterisch auf der Höhe der Partitur. Auch das Orchester musizierte mit Spielfreude. Unter den Solisten hatte der erst 30-jährige Tenor Benjamin Glaubitz aus Dresden den größten Part zu singen. Er ist nicht nur ein früherer Kruzianer, sondern auch beim Bach-Kenner Helmuth Rilling ausgebildet worden. Mit seiner schnörkellosen, schlanken und wohlklingenden Stimme setzte er den Glanzpunkt. Ulrike Zech, Christian Henneberg und Mi-Seon Kim trugen als weitere Solisten zum guten Gesamteindruck bei.