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Zurück im Zuhause

Vor einem Jahr entzündete ein Blitz ein Eigenheim in Bannewitz. Die Hilfe war groß. Dafür dankt die Familie nun.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Hänichen. Sie schweigt, überlegt kurz. „Uns geht es gut“, sagt Ulrike Weder schließlich und lächelt. Diesen Satz hat die junge Frau zuletzt nicht so oft ausgesprochen. Hinter ihr liegt eine turbulente Zeit. Der 35-Jährigen und ihrer Familie ist widerfahren, wovor es jedem graut. Vor einem Jahr brannte ihr Wohnhaus, als es von einem Blitz getroffen wurde. Seitdem vergingen Monate voller Sorgen und Probleme, aber auch voller Hoffnung und Hilfsbereitschaft.

Im August 2017 brannte nach einem Blitzeinschlag das Wohnhaus von Familie Weder in Hänichen.
Im August 2017 brannte nach einem Blitzeinschlag das Wohnhaus von Familie Weder in Hänichen. © Roland Halkasch
Obwohl die Flammen das Gebäude nicht komplett ergriffen hatten, war der Schaden enorm. Dachstuhl und Wohnbereich mussten wieder hergerichtet werden
Obwohl die Flammen das Gebäude nicht komplett ergriffen hatten, war der Schaden enorm. Dachstuhl und Wohnbereich mussten wieder hergerichtet werden © Foto: privat

Der 10. August 2017 veränderte das Leben der vierköpfigen Familie mit einem Schlag. Um Mitternacht zog ein heftiges Unwetter über Bannewitz. Das Paar und beide Söhne schliefen, als gegen ein Uhr nachts der Blitz in das Dach ihres Einfamilienhauses auf der Bahnhofstraße krachte. Der Lärm ließ das Paar aufwachen. Weil sie sich aber zunächst nichts dabei dachten, legten sich beide wieder schlafen.

Marcus Weder aber fand keine Ruhe. Der Familienvater ging ins Bad, wollte das Licht anknipsen. Doch die Sicherung war offenbar rausgeflogen. Dann bemerkte er dieses seltsame Knistern und Knacken. Er ging vom Schlafzimmer aus der ersten Etage die Treppe hinauf. Als der 36-Jährige im Obergeschoss die Dachluke öffnete, stockte ihm der Atem. Er sah, wie aus dem Dachstuhl die Flammen loderten. Geistesgegenwärtig schloss er die Luke, rannte hinab zu seiner Frau und wählte den Notruf. „Ich habe die Kinder aus den Betten gezerrt“, erinnert sich Ulrike Weder.

In Nachtwäsche bekleidet rannte die junge Mutter mit den Jungs aus dem Haus. Nachbarn hatten das Feuer bemerkt, eilten ihnen entgegen und nahmen die Kinder zu sich. „Dann bin ich zurück“, erzählt Ulrike Weder. Ohne großartig darüber nachzudenken, griff sie sich noch ihr Handy samt Ladekabel, einige Jacken von der Garderobe und den Schulranzen des Ältesten, der fertig gepackt im Flur stand. Erst eine Woche zuvor hatte Maximilian stolz seine Zuckertüte nach Hause getragen.

Auch Marcus Weder versuchte zu retten, was er konnte. „Dann haben wir entschieden, es zu lassen“, sagt er. Drei Stunden kämpften die Freiwilligen Feuerwehren aus Bannewitz, Possendorf, Freital sowie Goppeln und Hänichen um das Zuhause der Familie. Doch den Dachstuhl und alles, was sich darunter befand, hat das Feuer zerstört oder das Löschwasser unbrauchbar gemacht. Die schwarze, rußgetränkte Brühe lief durch das gesamte Treppenhaus bis ins Wohnzimmer im Erdgeschoss. Der Schaden war zu groß. Das Haus blieb unbewohnbar. Eine nahegelegene Pension wurde ihre neue Bleibe.

Die Familie, die zuvor in Dresden zur Miete wohnte, hatte erst im April 2014 das neu gebaute Einfamilienhaus in Hänichen bezogen. Drei Jahre später steht wieder alles auf Anfang. Ulrike Weder vermag nicht auszudrücken, was sie seitdem erlebt haben. „Die Hilfsbereitschaft war unfassbar groß“, erzählt sie. Nicht nur Familie und Nachbarn boten unentwegt ihre Unterstützung an. „Wildfremde Menschen standen vor uns und wollten helfen“, sagt die 35-Jährige. Eine Erzieherin im Kindergarten des jüngsten Sohnes Konstantin kümmerte sich sogar nach Feierabend um den Kleinen, während seine Eltern versuchten, das Familienleben neu zu ordnen. Behördengänge standen an, etliche Telefonate mussten geführt, Papierkram bewältigt und Termine abgestimmt werden – neben den eigenen Jobs, der Schule, dem Kindergarten. „Wir haben eigentlich nur funktioniert“, sagt die 35-Jährige zurückblickend. Kraft hätten ihnen dabei vor allem die vielen helfenden Hände gegeben, die Spenden und lieben Worte. Ulrike Weder erinnert sich an eine Frau, die ihnen Lampen schenkte. Gern würde sie sich persönlich bei ihr bedanken. „Wir kennen aber bis heute nicht ihren Namen.“ Einen Platz im Haus haben die Lampen dennoch gefunden. – Familie Weder hat es geschafft. Sie sind zurück in ihrem Zuhause.

Nach dem Brand brummten wochenlang mehrere Lüfter im Wohnhaus der Familie. Baufirmen arbeiteten mit Hochdruck daran, dass sie alsbald in ihr Zuhause konnten. Nicht nur der Dachstuhl musste komplett abgetragen und neu gebaut werden. Bis in die Etagen darunter wurde das Haus entkernt. „Unterm Strich haben wir eigentlich neu gebaut“, sagt Ulrike Weder.

Eine Woche vor Heiligabend bezog die vierköpfige Familie wieder ihr Haus. Etliche Freunde halfen dabei, an einem Tag zig Möbel aufzubauen, die neu gekauft werden mussten. Fertig war dennoch nicht alles. Hier und da musste noch gemalert und gewerkelt werden, bis ins Frühjahr hinein. Auf der Wiese vorm Haus lagen nach wie vor Glassplitter von der zerbrochenen Photovoltaik-Anlage des Daches. „Es gab noch viel zu tun“, sagt Marcus Weder.

Bei alledem helfen konnte seine Frau zuletzt nur bedingt. Die beiden erwarten in wenigen Wochen ihr drittes Kind. Die Freude über den Familienzuwachs machte Mut, auch wenn die Schwangerschaft bisher nicht so verlief, wie gewünscht. Mehrere Monate musste die junge Frau liegen und sich schonen. Dabei wollten sie sich doch so gern vor allem noch einmal bei allen Ersthelfern offiziell bedanken, bei den Menschen, die in der schrecklichen Nacht des Feuers an ihrer Seite waren – die Feuerwehrkräfte, ihre Nachbarn, sogar die Bannewitzer Rathausspitze. „Es ist toll, wie sich auch der Bürgermeister für uns eingesetzt hat“, sagt UIrike Weder. „Wir sind echt dankbar, in Bannewitz zu sein.“ Am Freitag nun sahen sich all jene zum Dankeschön-Grillen in Hänichen wieder, exakt ein Jahr nach dem Brand.

Und nun? Der Schaden ist beglichen, ihr Haus aufgebaut. Die Angst aber bleibt. „Die erste Nacht wieder im Haus war merkwürdig“, sagt Marcus Weder. Das sei auch heute manchmal noch so. „Besonders schlimm ist es, wenn es gewittert“, erklärt er. Erst kürzlich zogen wieder Unwetter über Bannewitz hinweg. „Da rennt man durchs ganze Haus und schaut, ob auch alles okay ist.“ Diese Angst werde noch bleiben, sagen sie. Die Erinnerung an das, was passierte, hat Spuren hinterlassen. „Damit müssen wir in Zukunft klarkommen“, sagt die junge Frau. Trotz alledem würden sie sich hier sehr wohl fühlen und seien froh, dass es ihren beiden Söhnen gut ginge. Die schlaflosen Nächte, die den Jüngsten lange belasteten, haben sich gelegt. Dem heute fünfjährigen Konstantin geht es besser, auch wenn er hin und wieder von dem Erlebten erzähle.

Den Tag, an dem ihr Wohnhaus brannte, wird die Familie ohnehin nie vergessen können. „Es wird auch immer der Tag sein, bevor Maximilian Geburtstag hat“, sagt Ulrike Weder. Diesen Sonnabend wird der Älteste acht Jahre alt. „Er vermisst sein Trampolin sehr“, sagt Marcus Weder. Das Spielgerät stand seit seinem fünften Geburtstag im Garten. Die glutheißen, herabstürzenden Ziegel beschädigten aber das Netz derart, dass es nicht mehr zu gebrauchen war. Die nötigen Ersatzteile dafür habe er schon bestellt, sagt der Familienvater.

Am Freitagnachmittag noch, eben ein Jahr danach, klingelte der Paketdienst an der Haustür. „Es gibt wohl doch noch ein zusätzliches Geburtstagsgeschenk.“