SZ + Zittau
Merken

Kriegsende: So verlief Zittaus Stunde Null

In den letzten Stunden war die Stadt hart umkämpft. Tiefflieger-Angriffe forderten über 80 Todesopfer. Und es kam zu Plünderungen.

 4 Min.
Teilen
Folgen
Zeugnisse der letzten Kriegstage: Bei Bauarbeiten an der Friedensstraße wurde am 18. August 2000 eine Fliegerbombe gefunden und geborgen (links).Die Leiterin des Stadtarchivs Zittau, Jutta Rothmann, zeigt ein Foto von der ausgebombten Feuerwache.
Zeugnisse der letzten Kriegstage: Bei Bauarbeiten an der Friedensstraße wurde am 18. August 2000 eine Fliegerbombe gefunden und geborgen (links).Die Leiterin des Stadtarchivs Zittau, Jutta Rothmann, zeigt ein Foto von der ausgebombten Feuerwache. © Jens Böhme/Archiv

Zittau am 7. Mai 1945. Die Einwohner wurden aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Eilig packten sie das Notwendigste in Leiterwagen und begaben sich zu den Sammelplätzen. Von dort sollten sie mit Kleinbahn und Bussen ins nahe Gebirge gebracht werden. Doch nichts fuhr, so dass nur der Fußmarsch blieb. Aus der Ferne konnten sie die Tieffliegerangriffe auf ihre Heimatstadt verfolgen, als sowjetische Flugzeuge ihre todbringende Last abwarfen.

Ein Angriff zog sich von der Mandaukaserne bis zur Neustadt hin. 30 Todesopfer etwa wurden danach gezählt. Auch am nächsten Tag gingen die Luftangriffe weiter. Viele Gebäude wurden schwer getroffen oder zerstört, so die F. A. Bernhardt AG, die Gasthöfe "Stadt Prag" und "Goldener Löwe", Wohnhäuser auf der Brüder- und der Kasernenstraße (heute Südstraße) und zahlreichen weiteren Straßen. Auch die Zittauer Feuerwache lag in Trümmern, die Säulen an der Auffahrt am seitlichen Theatereingang waren durch Splitter stark beschädigt. 

Diese Angriffe auf Zittau forderten ungefähr 85 Todesopfer, darunter Kinder, Arbeiter, Häftlinge und Flüchtlinge, sowie zahlreiche Verletzte. Auf einem Lkw wurden zwei Wehrmachtsoldaten an der Ecke Görlitzer/Leipziger Straße getötet und in der Nähe des Holzhofes begraben. Während die Städte Görlitz und Löbau durch die Rote Armee am 8. Mai bereits eingenommen waren, stieß sie auf ihrem weiteren Vormarsch nach Zittau teils auf verbissenen Widerstand der deutschen Wehrmacht.

Lange hallte der Geschützdonner über der Region, ehe sich die deutschen Soldaten am Abend ergaben. Am 9. Mai wurde Zittau im Zuge der "Prager Operation", dem letzten großen Angriff der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg, weitgehend kampflos eingenommen. Die Stadt wurde von Truppen der 28. und 54. Armee sowie vom 7. Mechanischen Gardekorps besetzt. Es war ein schöner Frühlingstag, sonnig und warm. 

Rotarmisten plünderten Häuser

Ein Augenzeuge, damals noch Kind, erinnert sich, wie die Panzerfahrzeuge über die Görlitzer Straße zum Zentrum fuhren. Durch Brandschatzung wurden viele weitere Gebäude zerstört, so die ehemalige Handwerker- und Gewerbeschule der Stadt. Akribisch suchten die Rotarmisten nach Wehrmachtsoldaten, die sich noch in der Stadt versteckt hielten. Wehrmachtverbände flohen in Richtung Gebirge, verfolgt von Soldaten der Sowjetarmee.

Es kam zu Gefechten in Hartau, Oybin und Lückendorf, die auf beiden Seiten sinnlose Opfer forderten. Danach war es endgültig vorbei, die deutschen Soldaten mussten ihre Waffen abgeben und wurden gefangen genommen. Doch es gab auch viele Erschießungen, sogar Jungen der Hitlerjugend traf es. Am Abend des 9. Mai hatte die Rote Armee die gesamte ehemalige Amtshauptmannschaft Zittau besetzt, der Waffenstillstand wurde ausgerufen. Endlich gab es den langersehnten Frieden. 

Doch Rotarmisten konfiszierten Villen und Wohnungen für Unterbringung ihrer Offiziere. Sie plünderten systematisch in Zittau und Umgebung die Häuser und nahmen alles mit, was sie brauchten. Besonders waren sie an Fahrzeugen, Uhren und Maschinen interessiert. Eine Oberseifersdorferin erzählte ihrer Tochter, dass, als nichts weiter im Haus zu holen war, ein Rotarmist sein Beil in eine Tür ihres aufwendig gearbeiteten Wohnzimmerschrankes hieb. Solche Stuben mit Vertiko, Sofa, Teppich und Esstisch kannte er wohl aus seiner Heimat nicht, er war sichtbar verärgert und neidisch. 

Das einstige Kriegsgefangenenlager im Zittauer Ortsteil Großporitsch, wo einst Zwangsarbeiter ab Oktober 1944 bis Februar 1945 in den Zitt-Werken für die Junkers- Flugzeug- und Motorenwerke schuften mussten, wurde nun Kriegs- und Zivilgefangenenlager der Roten Armee. Man sprach von Zwanzigtausenden, die nun hier gefangen saßen. Der Platz reichte kaum für alle, selbst Keller- und Bodenräume wurden genutzt. Nachdem alle gefallenen Sowjetsoldaten und die deutschen Todesopfer beigesetzt waren, versuchte man, unter den gegebenen Umständen, zur Normalität zurückzufinden. Die ersten Trümmer wurden beseitigt. Das Theater öffnete bereits am 30. Mai 1945 wieder. Doch Mädchen und Frauen waren gut beraten, nicht allein unterwegs zu sein, denn auch in Zittau gab es zahlreiche Vergewaltigungen durch Rotarmisten. (hs)

Mehr Nachrichten aus Zittau und Umland lesen Sie hier.