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Pötschkes feiern ihren 100-jährigen Bauernhof

Landwirtschaftstradition in Nieder-Neundorf lässt die Gäste in Erinnerungen schwelgen.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Der Pötschke-Hof ist eine Institution in Nieder-Neundorf. So konnten Martina und Hubertus Pötschke am vergangenen Freitag rund 100 Gäste aus dem Dorf begrüßen, die mit ihnen zusammen das vergangene Jahrhundert Revue passieren ließen, sich an liebe Nachbarn erinnerten, an Hand vieler historischer Bilder aber auch die Höhen und Tiefen des Pötschke-Hofes noch einmal reflektierten.

Vor 100 Jahren, genau am 30. Juli 1918, hatte Ernst Pötschke den Kaufvertrag für das Anwesen unterschrieben. Er war schwer verletzt aus dem Ersten Weltkrieg nach Hause gekommen, arbeitete kurze Zeit als Schrankenwärter, wollte dann aber in die Landwirtschaft. „Es war ein Glücksgriff, dass sich der Großvater meines Mannes für das Grundstück in Nieder-Neundorf entschied und daraus einen florierenden Bauernhof machte“, erzählt Martina Pötschke. Pferde, Kühe, Schweine und Ziegen standen in den Ställen oder tummelten sich auf den Neißewiesen bis fast hinunter zum Fluss. Ernsts Sohn Karl übernahm den Hof 1957, musste den Tierbestand in den 1960er Jahren jedoch reduzieren, weil Privathaltungen in der DDR nicht gern gesehen waren und er seinen Job bei der volkseigenen LPG nur noch schwer mit den Arbeitsaufgaben im eigenen Hof vereinbaren konnte. Bis 1977 gab es noch ein paar Kühe, dazu Hühner und Tauben sowie einen Garten zur Eigenversorgung. Anstelle Lotte, Liese &Co. zogen danach Martina und Hubertus Pötschke in den ehemaligen und runderneuerten Kuhstall ein. „Wir hatten schon Arbeit und Wohnung in Dresden organisiert, entschieden uns dann aber doch für den Verbleib in der Heimat“, erzählt die 65-Jährige, die diesen Entschluss zusammen mit ihrem nur ein paar Monate jüngeren Mann nie bereut hat. „Als Hubertus 2001 das Grundstück von seinem Vater übertragen bekam, war klar, dass Viehwirtschaft auf unserem Hof nicht mehr funktionieren würde. Allein zeitlich war das gar nicht mehr drin“, begründet die frühere Lehrerin und Erzieherin. Zusammen baute das Ehepaar den elterlichen Hof zu einer Blumenoase aus, der man die bäuerliche Vergangenheit jedoch auf Schritt und Tritt ansieht. „Genau das war es, was wir Hubertus‘ Eltern versprochen hatten – den Pötschke-Hof niemals aufzugeben.“

Wie das gelang, welche Personen daran ihre Aktie hatten, welche Etappen zu gehen waren, wie es um die Wertschätzung der Nieder-Neundorfer stand – von all dem konnten sich die Besucher des Hoffestes in einer Powerpoint-Präsentation und einer Bilder-Ausstellung in der Scheune überzeugen. Als Zeitzeugin mit dabei war auch die letzte noch lebende Angestellte des Pötschke-Hofes. Und Liselotte Metzig, die älteste Nachbarin, schilderte, wie sie den Hof als Landwirtschaftsbetrieb in Erinnerung behalten hatte. „2014 hatten wir die Hoffest-Idee noch mit den Eltern besprochen. Als sie dann leider 2015 verstarben, haben wir uns fest vorgenommen, den Gedanken umzusetzen – nicht zuletzt als Würdigung für ihre Verdienste“, begründet Hubertus Pötschke.

Was daraus geworden ist, wird den Gastgebern, aber auch den Gästen, noch lange in Erinnerung bleiben. Als Bauer und Magd hießen Pötschkes ihre Besucher willkommen, bekamen im Gegenzug manch interessantes bäuerliches Inventar geschenkt – zum Beispiel ein Butterfass, das nun einen ihm gebührenden Platz erhalten soll. „Es war viel besser, als wir uns das vorgestellt hatten. Viele kamen selbst als Bauern verkleidet und keiner wollte nach Hause gehen.“ Erst weit nach Mitternacht, als die spektakuläre Mondfinsternis längst zu Ende war, brachen auch die Nieder-Neundorfer allmählich auf. Nicht ohne an Martina und Hubertus Pötschke den Wunsch heranzutragen, auch das 110-jährige Bestehen des Hofes gebührend zu feiern. „Dann sind wir 75. Mal sehen, ob das gesundheitlich noch zu machen ist.“