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Wirtschaft zwischen Wachstum und Energiesorgen

Auch das Nachbarland kämpft mit der Inflation. Doch noch gibt es Neuansiedlungen und immer neue Jobs. Wie es in Niederschlesien zugeht.

Von Irmela Hennig & Petra Laurin & Klaus-Peter Längert
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Der Professor-Zwerg sitzt vor der Uni in Wroclaw und wird von Touristen mit Münzen versorgt. Die bräuchte auch mancher Unternehmer.
Der Professor-Zwerg sitzt vor der Uni in Wroclaw und wird von Touristen mit Münzen versorgt. Die bräuchte auch mancher Unternehmer. © I. Hennig

Ein paar Münzen liegen eigentlich immer zu Füßen des Professorenzwerges vor der Universität in Wroclaw (Breslau). Touristen vor allem „spenden“ dem Bronze-Männchen mit Buch und Brille Złoty und manchmal auch Euro.

Über solche Gaben würde sich so manches Unternehmen in der Oderstadt und im niederschlesischen Gebiet dieser Tage sicher auch freuen. Denn die starke Inflation, getrieben durch hohe Energie- und Rohstoffpreise, mache der erfolgsverwöhnten niederschlesischen Wirtschaft durchaus zu schaffen. So beklagte der Keramikhersteller „Manufaktura Boles³awiec“ in Bunzlau nun, dass die Gaspreise um 400 Prozent gestiegen seien. Und dies, obwohl der polnische Staat solche Kosten derzeit bezuschusst oder deckelt. Für den Betrieb heiße das, die Produktion werde eingeschränkt, jedes Produkt neu berechnet und alle für 2023 geplanten Investitionen ausgesetzt. Die Keramikbruderschaft, ein Interessenverband, dem 30 Unternehmen angehören, haben sich nun laut Medienberichten hilfesuchend an Polens Politik gewandt. Noch ist offen, ob und wie unterstützt wird.

Trotz Krisen weniger Arbeitslose

Noch scheint die Situation insgesamt aber nicht so dramatisch in der Nachbarregion. Bis zum August sank die Arbeitslosenquote in der Woiwodschaft auf 4,3 Prozent stetig leicht ab. Zum Vergleich – im August 2021 lag sie bei 5,2 Prozent und im gleichen Monat 2019, also vor der Pandemie, bei 4,9 Prozent. Im Corona-Jahr 2021 nahm die Zahl der Unternehmen laut Statistikamt um 3,8 Prozent auf rund 411.000 zu. Nach Angaben der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK) waren es sogar 418.000 Firmen. Allerdings sind rund drei Viertel davon klassischerweise Solo-Selbstständige. Das Bruttoinlandsprodukt Niederschlesiens, also der Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, lag 2021 pro Kopf bei umgerechnet 16.500 Euro. Laut AHK befinde sich Niederschlesien innerhalb Polens damit auf dem zweiten Platz. Nur in Masowien war das BIP höher. Quartalszahlen für 2022 konnte die SZ zunächst nicht bekommen.

Der Durchschnittslohn der Niederschlesier lag bei umgerechnet 1.625 Euro. Er hat sich in den vergangenen Jahren nahezu verdoppelt; allerdings sind auch die Lebenshaltungskosten in großen Städten wie Wroc³aw gestiegen. Auch mit Blick auf Neuansiedlungen gab es positive Nachrichten. So baut ein Medizintechnik-Unternehmen einen neuen Standort in Breslau auf und will rund 2.500 neue Jobs schaffen.

Allerdings spüren die Städte und Gemeinden die Inflation zum Teil deutlich. Der Kurort Świeradów-Zdrój (Bad Flinsberg) will kostenlose Angebote gerade für Familien und Kinder einschränken. Darunter sind Schulfrühstück und Schulbusfahrten. In Wroc³aw soll der Weihnachtsmarkt reduziert stattfinden, auf die Silvesterparty werde verzichtet.

Glasmacher droht mit Schließung

Auch in Tschechien gibt es teils sorgenvolle Nachrichten mit Blick auf die hohen Energiepreise. So hatte František Novosad, Eigentümer der Glashütte in Harrachov (Harrachsdorf), kürzlich zunächst verkündet, wegen hoher Gaspreise ab November die Produktion einzustellen. Der Glasofen sollte zwei Monate außer Betrieb bleiben und die meisten der 90 Mitarbeiter entlassen werden. Allerdings ruderte Novosad dann zurück. Er werde den Betrieb mit eigenen Mitteln stützen. „Die Politiker haben uns allein darin gelassen. Aber ich kann die Leute nicht auf das Arbeitsamt schicken“, begründete er. Die Fabrik verbrauche trotz der Sparmaßnahmen jährlich rund 8.000 Megawattstunden Gas. 2021 zahlte er dafür 4,5 Millionen Kronen. n diesem Jahr überschritten die Rechnungen schon 20 Millionen Kronen (800.000 Euro).