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Wer darf Angela Merkel malen?

Auch von der scheidenden Kanzlerin wird ein Bild in der Ahnengalerie des Kanzleramtes hängen. Ein Maler hat sich schon mal dafür beworben.

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Die Gemäldegalerie der ehemaligen Bundeskanzler im Kanzleramt: Gerhard Schroeder, Helmut Kohl, Helmut Schmidt, Willy Brandt, Kurt Georg Kiesinger, Ludwig Erhard, Konrad Adenauer.
Die Gemäldegalerie der ehemaligen Bundeskanzler im Kanzleramt: Gerhard Schroeder, Helmut Kohl, Helmut Schmidt, Willy Brandt, Kurt Georg Kiesinger, Ludwig Erhard, Konrad Adenauer. © dpa PA/photothek.net/Michael Gottschalk

Von Joana Nietfeld

Für das Bild von der Bundeskanzlerin hat Joachim Krause eine 50 mal 60 Zentimeter große Leinwand gekauft. Er wählt Ölfarben in kräftigen Tönen, Rosshaarpinsel und ein Foto der scheidenden Regierungschefin in einer Illustrierten, das er ausschneidet und an seiner Staffelei befestigt. Mit den ersten Strichen deutet er ihre Wimpern an, dann Mund, Nase und schließlich den Gesichtsumriss. „Ich wollte, dass sie auf dem Porträt erholt aussieht“, sagt er später über das fertige Bild. Als es trocken ist, wickelt Krause Packpapier darum und schreibt die Adresse darauf: „Z. Hd. Angela Merkel, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin.“

Joachim Krause ist gerne mit den Großen zusammen, den mächtigen, namhaften Persönlichkeiten der Gegenwart. Er schaut sie über mehrere Wochen an – und sie irgendwann auch ihn. Mit jedem Pinselstrich werden sie ein bisschen lebendiger. Krause, 79, Niedersachse, hat sich der Porträtmalerei verschrieben. Stundenlang sitzt er in seinem Wohnzimmer vor der Staffelei und vertieft sich in Augenlider, Haaransätze, Kinnfalten und Oberlippenschatten.

Vor 14 Jahren hatte sich Joachim Krause schon darum bemüht, Gerhard Schröders Porträt für die Kanzlergalerie zu malen - ohne Erfolg.
Vor 14 Jahren hatte sich Joachim Krause schon darum bemüht, Gerhard Schröders Porträt für die Kanzlergalerie zu malen - ohne Erfolg. ©  privat

So richtig los ging das mit seiner Leidenschaft vor 14 Jahren, als die „Bild“-Zeitung einen Wettbewerb startete, bei dem sie dazu aufrief, den damals scheidenden Bundeskanzler Gerhard Schröder zu porträtieren. Krause machte mit, sendete ein Ölgemälde zum Springerverlag.

Gewonnen hat er nicht. Schließlich wurde die Auftragsvergabe viel informeller geregelt. Und nicht über die Bild-Zeitung. Schröder wählte den bekannten Künstler Jörg Immendorff, einen langjährigen Freund, für sein Porträt aus. Krause sagt am Telefon, dass ihm das Werk von Immendorff nicht gefallen habe, es sei so düster und verschnörkelt. Tatsächlich hatte Immendorff Schröder auf ungewöhnliche Weise abgebildet: zwar naturalistisch, aber mit in Gold eingefärbtem Gesicht. Wie ein Imperator sieht er aus. Im Hintergrund tummeln sich Affen, sieht man Spinnenweben und Blitze. Immendorff hatte das Bild kurz vor seinem Tod mithilfe von Assistenten gefertigt. Er litt unter der Nervenkrankheit ALS und verewigt sich im unteren Bildrand selbst – als gebrochener Mann.

Künstler ist zwar kein geschützter Beruf, doch Joachim Krause hätte sich wohl früher nicht als einer bezeichnet. Er arbeitete in der Verwaltung, kam nur abends zum Malen. Dabei wollte er eigentlich schon nach der Bundeswehr auf die Kunstakademie. In seiner Zeit bei der Marine lernte er einen Kunststudenten kennen, der ihn im Zeichnen unterrichtete. Nach der Ausbildung bewarb sich Krause an der Folkwang Universität in Essen. Er sei angenommen worden, berichtet er am Telefon, doch die hohen Studiengebühren, damals 6.000 D-Mark, habe er nicht aufbringen können. Er musste einen konventionellen Beruf wählen.

So wurde Krause eben Künstler über Umwege. Mittlerweile hat er die Queen und das dänische Königspaar gemalt – jeweils mit Vorlage. Für die verschickten Bilder bekam er Dankeskarten. Seine Vorbilder sind die großen, alten Meister, Paul Gauguin und Peter Paul Rubens.

Krause erfüllt auch Auftragsarbeiten. Wenn jemand etwa mit einem Bild der Großmutter bei ihm auftaucht und ihn bittet, davon ein Gemälde zu fertigen, macht er das. Modellstehen muss bei ihm niemand. Er nimmt immer ein Foto, gerne ein Vorteilhaftes, malt mit Aquarell, Acryl, Kohle oder Öl, ganz wie es gewünscht ist. Die Bilder verkauft er dann für 400 bis 600 Euro. Und manche verschenkt er.

Das Merkel-Porträt ist beispielsweise so ein Geschenk. Er wollte ihr danken. Für 16 Jahre „halbwegs erfolgreiche“ Politik. „Ich will mal sehen, wie die Männer nach ihr das machen. Das muss ihr erst mal jemand nachmachen“, sagt er.

Klappt es für Krause dieses Mal mit Angela Merkel?
Klappt es für Krause dieses Mal mit Angela Merkel? © Joachim-Krause-Malerei.de

Die Männer, die es ihr vorgemacht haben, hängen alle in einer Reihe im ersten Stock des Kanzleramts. Als Erster ist da Konrad Adenauer angeordnet. Er ließ sich von Hans Jürgen Kallmann malen, der 1937 als „entarteter“ Künstler diffamiert wurde und Adenauers Abbild gebeugt und verletzlich aussehen lässt. Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger wurden beide vom bekannten Porträtmaler Georg Rittner in spätexpressionistischem Stil mit dicken Pinselstrichen und Pastellfarben porträtiert. Willy Brandt hatte sich von Oswald Petersen abbilden lassen. Sein Porträt fällt in der Ahnengalerie besonders auf, weil Brandt darauf so distanziert aussieht. Helmut Schmidt hatte den DDR-Künstler Bernhard Heisig beauftragt, der ihn mit wilden Strichen malte, und Helmut Kohl ließ sich vom gebürtigen Sachsen Albrecht Gehse, einem Meisterschüler von Bernhard Heisig, in knalligen Farben abbilden.

Als Schröders Porträt von Immendorff 2007 in der Ahnengalerie aufgehängt wurde, war Merkel auch dabei. Stichelnd sagte er in ihre Richtung: „Verehrte Frau Bundeskanzlerin, da ist noch ein bisschen Platz. Wann auch immer, niemand weiß, wann Sie neben mir hängen werden.“

Nun rückt der Zeitpunkt näher. Eine Künstlerin hatte bislang noch nie die Ehre. Vielleicht will die erste Bundeskanzlerin das ja ändern. In ihrem Abschiedsinterview mit der „Süddeutschen Zeitung“ sagte sie jüngst dazu nur: „Das Bild wird es geben. Aber ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Ich habe gelernt, dass es Kanzler gab, die das erst nach mehreren Jahren gemacht haben.“

Joachim Krause würde sich jedenfalls freuen, würde er der Auserwählte werden, auch wenn es erst in ein paar Jahren so weit ist. Vor einigen Tagen hat er endlich eine Rückmeldung aus dem Kanzleramt erhalten. Die Kanzlerin ließ ausrichten, dass sie sich sehr über das Bild und den Brief von ihm gefreut habe.

„Ich kann verstehen, dass sie sich nicht persönlich gemeldet hat, Frau Merkel hat ja so viel zu tun“, sagt er. Trotzdem versucht er gerade telefonisch mit ihrem Büro verbunden zu werden. Er hat nämlich gehört, dass es bald eine Ausstellung im Kanzleramt geben wird. Er könnte sich gut vorstellen, da mitzumachen.