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Vermittler zwischen Ost und West: Bernhard Vogel wird 90

Er hat zwei Bundesländer regiert, Rheinland-Pfalz und Thüringen, West und Ost. Auch mit 90 Jahren ist Bernhard Vogel noch eine Instanz in der CDU.

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Der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Bernhard Vogel, feiert an diesem Montag seinen 90. Geburtstag.
Der ehemalige Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Bernhard Vogel, feiert an diesem Montag seinen 90. Geburtstag. © dpa-Zentralbild

Mainz/Erfurt. Man kann Geschichtsbücher lesen - oder Bernhard Vogel zuhören. Wenn der CDU-Politiker über die wilde Zeit nach der Wiedervereinigung in Thüringen spricht oder über die Nachkriegsanfänge des neuen Bindestrichlands Rheinland-Pfalz, ist das spannender als jedes Dokudrama. Denn: Vogel war dabei. Er hat deutsche Schlüsselmomente nicht nur erlebt, sondern mitgestaltet. An diesem Montag wird Vogel 90 Jahre alt. „Ich habe lange keinen Gedanken auf diesen Tag verwendet“, sagt Bernhard Vogel. „In meinem Alter ist es nicht so sicher, dass man ihn erlebt.“

Unter deutschen Politikern ist der gebürtige Göttinger ein Unikat. Vogel hat zwei Länder regiert, Rheinland-Pfalz und Thüringen, West und Ost. Siebenmal legte er in Mainz und Erfurt den Amtseid als Ministerpräsident ab. Damit ist er der deutsche Nachkriegspolitiker mit der wohl längsten Amtszeit als Ministerpräsident. Er führte mehr als 23 Jahre CDU-Alleinregierungen oder Koalitionen mit FDP und SPD. Vogel: „Mainz war ein Wagnis. Thüringen war ein Abenteuer.“

Davon wird bei den Feiern in den kommenden Tagen viel die Rede sein. Zum Geburtstag hat die CDU Rheinland-Pfalz an diesem Montag nach Speyer eingeladen, am 21. Dezember die Thüringer CDU nach Erfurt.

Bernhard Vogel wird 90: Wollte nie Politiker werden

Doch nicht nur in den eigenen Reihen ist Vogel eine Instanz. Selbst der Linke-Politiker Bodo Ramelow, der mit Vogel in Thüringen einige Konflikte ausgefochten hatte, blickt als heutiger Ministerpräsident mit Anerkennung auf die Arbeit des CDU-Mannes. „Bis heute steht er zu Thüringen. Für die Bereitschaft bis heute, auch zu helfen, bin ich ihm sehr dankbar“, sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur.

Mit seiner Erfahrung als Mittler zwischen West und Ost bewertet Vogel auch die aktuellen Krisen. „Der Ukraine-Krieg und anderes lassen mich häufiger an das Ende des Zweiten Weltkriegs denken.“ Doch er will der jungen Generation auch Mut machen. „Wir haben das damals geschafft. Warum solltet ihr die heutigen Herausforderungen nicht meistern?“

Schweren Herzens verließ Vogel 1988 die Staatskanzlei in Mainz, nachdem er in der CDU Rheinland-Pfalz einen offenen Machtkampf verloren hatte. Rund zwölf Jahre seit 1976 hatte er an Rhein und Mosel regiert. Nach dreijähriger Pause war er dann noch mehr als elf Jahre Ministerpräsident in Thüringen, von 1992 bis 2003.

„Auf die Idee, Politiker zu werden, war ich nie gekommen“, sagt Vogel in seinem Haus im pfälzischen Speyer der dpa. Auf dem Bücherregal stehen politische Biografien und Werke etwa von Thomas Mann („Ich habe seit langem eine besondere Sympathie zu ihm“). Wenn Vogel Musik hört, dann Klassik - oft Mozart. Vogel studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaft in Heidelberg, als ihn Betriebsräte der BASF aufforderten, für den Bundestag zu kandidieren. „Ich war allenfalls auf eine Periode angelegt“, sagt er.

Wäre der junge Bernhard Vogel mit dem älteren zufrieden?

Aber der spätere rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl, den er aus Heidelberg kannte, holte ihn nach Mainz - erst als Kultusminister, 1976 folgte er Kohl dann als Regierungschef. Nach dem abrupten Ende wurde er 1989 Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. 1992 kam Vogel dann „über Nacht“ - wie er sagt - nach Thüringen. „Die Idee, in einem anderen deutschen Land Ministerpräsident zu werden, war so abwegig, dass sie lange niemand hatte“, erzählt Vogel. „Es war auch nicht mein Verdienst, sondern entsprach einer ungewöhnlichen historischen Situation.“

Das Amt sei eine ungewöhnliche Herausforderung gewesen. „Mit der Wahl zum Ministerpräsidenten begann für mich das größte Abenteuer meines Lebens. Und das hatte ich mir nicht so schwierig vorgestellt.“

Nach dem „Abenteuer Thüringen“ übernahm Vogel bis 2009 wieder den Chefposten der Adenauer-Stiftung. An welchem Ort ist ein so Weitgereister glücklich? „Im Dom in Speyer, im Dom in Erfurt, in Weimar, Jena, Heidelberg... ein einziger Ort allein passt nicht in meinen Lebenslauf“, schildert der ewige Junggeselle, dessen Bruder Hans-Jochen (1926-2020) einst SPD-Chef war.

Wie lautet die Bilanz mit 90 Jahren? Wäre der junge Bernhard Vogel mit dem älteren Bernhard Vogel zufrieden? „Das kann ich nicht beantworten. Ich hätte ja auch einen ganz anderen Weg gehen können“, sagt der promovierte Politologe. „Ich glaube aber allerdings, dass ich in der Politik mehr bewirken konnte als als Wissenschaftler.“ (dpa)