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Schleife wählt einen neuen Bürgermeister

Am Sonntag ist Wahltag. Wir stellen die beiden Kandidaten, die Nachfolger von Reinhard Bork werden wollen, ausführlich vor.

Von Constanze Knappe
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Wer wird neuer Bürgermeister in Schleife? Zur Wahl stellen sich Mathias Lampe für die AfD (links) und Hans-Jörg Funda (CDU).
Wer wird neuer Bürgermeister in Schleife? Zur Wahl stellen sich Mathias Lampe für die AfD (links) und Hans-Jörg Funda (CDU). © SZ-Montage/Joachim Rehle

Zwei Unternehmer wollen auf den Chefsessel im Gemeindeamt. Nachdem Bürgermeister Reinhard Bork am 31. Juli in den Ruhestand ging, sind am Sonntag, dem 1. November, etwas mehr als 2.000 Wahlberechtigte in Schleife und den Ortsteilen Rohne und Mulkwitz aufgerufen, seinen Nachfolger zu bestimmen. Zwei Kandidaten sind zur Wahl zugelassen, weitere Bewerber gab es nicht. Für den Einzug ins Bürgermeisteramt reicht die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen. Wir stellen die beiden Kandidaten vor.

Hans-Jörg Funda: Der Geschäftsführer

Die Bürgerschaft bringt sich mehr als heute ein, die hausärztliche Versorgung ist gesichert, der Halbendorfer See aufgewertet, das neue Gerätehaus der Feuerwehr in Schleife steht, die Kita Milenka ist gebaut, die Kita Pfiffikus saniert, der Radweg von Schleife nach Groß Düben gebaut, und durch innovative Strukturwandelprojekte der Gemeinde wurde die Basis für neue Arbeitsplätze geschaffen. So sieht Hans-Jörg Funda oder besser Jörg, wie ihn alle nennen, die Gemeinde Schleife in sieben Jahren. „Dann sollen die Menschen sagen können: Es hat sich gelohnt“, erklärt er. Wohlwissend, dass alle diese Punkte anspruchsvolle Aufgaben sind, die sich nicht im Selbstlauf verwirklichen lassen. Der 55-Jährige ist angetreten, als Nachfolger von Bürgermeister i.R. Reinhard Bork, seinen Beitrag dazu zu leisten. Dazu müsste er am Sonntag gewählt werden. Die CDU hat ihn nominiert.

„Bürgermeister sein, das bedeutet nicht einfach nur ein Job nach dem Motto, man macht die Bürotür zu und ist fertig.“ Jörg Funda ist sich dessen nur allzu bewusst. Er vertrat Reinhard Bork mehrfach – ehrenamtlich und zusätzlich zu seinem eigentlichen Job als Geschäftsführer der Erlebniswelt in Krauschwitz. Und dennoch sagte er zu, als er gefragt wurde, ob er als Amtsverweser die Geschicke der Gemeinde Schleife bis zur Bürgermeisterwahl leiten würde. Einstimmig sprach ihm der Gemeinderat dazu das Vertrauen aus.

Damit war er jedoch auf einen Schlag alle Ehrenämter los, raus aus dem Gemeinderat, in dem er seit 2009 gern und intensiv mitgearbeitet hat, raus aus dem Ortschaftsrat Rohne. Quasi ohne Netz und doppelten Boden hat er alles auf eine kommunalpolitische Karte gesetzt. „Man muss dafür brennen. Ich möchte es mit ganzem Herzen machen“, begründet Jörg Funda. Das sei für ihn ehrliche Herangehensweise. Der evangelische Christ, der sich erst spät zu einer Erwachsenenkonfirmation entschloss, dachte im Urlaub mit seiner Frau Simone darüber nach, was das Bürgermeisteramt ihm abverlangen, was es für die Familie, für seine vier Kinder bedeuten würde. Dass sie ihn dabei unterstützen, bestärkte ihn, sich dieser Herausforderung zu stellen. Und das gern, unterstreicht er.

Noch ist er Geschäftsführer der Erlebniswelt Krauschwitz. Er hat das Bad aus dem wirtschaftlichen Tal geholt und, wie er betont, „zu einer anerkannten touristischen Einrichtung auf wirtschaftlich sicherem Fundament geformt“. Dass 2019 ein Überschuss von 24.000 Euro erwirtschaftet wurde, was den Gemeindehaushalt entlastet, darauf ist er schon ein bisschen stolz. Das unternehmerische Rüstzeug hatte er sich im Studium für Immobilienmanagement geholt. Dass er zuvor mit seiner eigenen kleinen Firma mangels betriebswirtschaftlicher Kenntnisse gescheitert war, sieht er als Teil seiner Biografie. Ähnlich sei es ja vielen Menschen nach der Wende hier im Osten ergangen. Im Falle seiner Wahl würde er die Erlebniswelt noch so lange begleiten, bis ein Nachfolger gefunden ist. Darin sieht er seine Verantwortung für die Mitarbeiter dort.

„Ich bin aus tiefstem Herzen Unternehmer“, sagt Jörg Funda und findet diese andere Sichtweise für das Bürgermeisteramt ganz hilfreich. Etwa, was effizientere Abläufe und motivierte Mitarbeiter angeht. „Vom eisernen Besen“, wie es bei Bürgergesprächen hin und wieder verlautete, hält er nichts. Er hat den Anspruch, Schleife zur „servicefreundlichsten Gemeinde“ im Landkreis zu machen. In der Erlebniswelt heißt es, „wer Service sagt, Erlebniswelt meint“. Auch Schleife so ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, das sieht Jörg Funda als spannende Aufgabe an.

Jörg Funda (55), seit 2009 Gemeinderat, stellt sich als CDU-Bürgermeisterkandidat am 1. November 2020 zur Wahl. Der Geschäftsführer der Erlebniswelt Krauschwitz ist seit 1. August Amtsverweser der Gemeinde.
Jörg Funda (55), seit 2009 Gemeinderat, stellt sich als CDU-Bürgermeisterkandidat am 1. November 2020 zur Wahl. Der Geschäftsführer der Erlebniswelt Krauschwitz ist seit 1. August Amtsverweser der Gemeinde. © Joachim Rehle

Dass er dabei vor allem auf Digitalisierung setzt, ist bei seiner Vorgeschichte keine Überraschung. Als gelernter Elektronik-Facharbeiter hatte er einst Zugang zur modernen Technik, die mit der Wende dann gar nicht mehr so modern war. Die Digitalisierung der Verwaltung in Schleife als Innovationsprojekt zu etablieren, darauf hat der CDU-Mann „ganz große Lust“. Man könnte es als sein Steckenpferd bezeichnen, doch angesichts des Strukturwandels werde ein neuer Bürgermeister in Schleife gar nichts anders können. Der Rohner weiß, dass viele Entscheidungen woanders gefällt werden. Ohne Kompromisse werde es da nicht gehen. „Es gehört auch Streit dazu, aber auf einer sachlichen Ebene. Wir brauchen keine neue Polarisierung“, erklärt er. Er sehe es als Aufgabe des Bürgermeisters, die Menschen trotz unterschiedlicher Meinungen zusammenzubringen und zusammenzuhalten.

Bei alldem hat Jörg Funda aber ein gutes Gefühl. Er erinnert an die geplante Umsiedlung von Rohne. Von vollster Zustimmung bis zu tiefster Ablehnung habe es seinerzeit die ganze Bandbreite der Emotionen gegeben. In 90 Abendveranstaltungen sei es gelungen, einen breiten Konsens zu finden. „Als der mit hoher Bürgerbeteiligung eingetütet war, kam die Absage“, sagt er. Dieser Prozess sei eine „Lebensschule“ auch für die ganze Gemeinde Schleife in der Art, dass man trotz verschiedener Ansichten gemeinsam einen Weg finden kann. „Die Erarbeitung der Dorfentwicklungskonzepte in den drei Ortsteilen zeigt ja, dass sich viele Bürger gern einbringen wollen“, bekräftigt Jörg Funda.

Mathias Lampe: Der Zimmerermeister

Von allen Parteien die besten zehn Prozent der Ideen zusammennehmen, dann hätte man ein angenehmes Deutschland. Mathias Lampe lacht bei der Vorstellung daran. Um eine ganze Spur ernster fügt der gebürtige Groß Dübener hinzu, dass das ja nicht möglich sei. Also bleibe nichts anderes übrig, als die Partei zu wählen, der man gedanklich am nächsten steht. Jedoch gehe es bei der Bürgermeisterwahl um Personen.
An die 20 Jahre lebt Mathias Lampe jetzt in Schleife. Anfang des neuen Jahrtausends kaufte er ein ehemals durch die Sowjetarmee genutztes Grundstück, sanierte Wohnungen, bezog und vermietete sie. Dabei lief nicht alles glatt. Um anderen Menschen in ähnlicher Lage zu helfen, wollte er sich kommunalpolitisch einbringen. Ganz so, wie sich sein Vater als Kreisrat im Landkreis engagierte. Selber seit mehr als 15 Jahren Sympathisant der CDU, gelang Mathias Lampe jedoch nie der Sprung in den Gemeinderat. Zudem konnte er sich mit deren Politik zuletzt immer weniger identifizieren. Sie sei ihm zu sehr nach links gerückt, begründet der 44-Jährige. Seither findet er sich am ehesten in der AfD wieder. Allerdings, so betont Mathias Lampe ausdrücklich, er habe nie einer Partei angehört und hat das auch nicht vor.
Mit Rückendeckung der AfD wurde er im vorigen Jahr in den Gemeinderat gewählt. Das Ergebnis war nicht nur für ihn selbst eine große Überraschung. Er empfand es als „überwältigend“. Dass er im Rat sodann auf Gegenwehr gestoßen sei, ärgert ihn nach wie vor. „In der Gemeinde geht es um Kommunalpolitik, und da sollte man zusammenarbeiten“, findet er.

Nachdem bekannt wurde, dass lediglich die CDU einen Bewerber zur Bürgermeisterwahl in Schleife aufstellen würde, wollte er das so nicht stehenlassen. Zumal ihn der hohe Stimmenanteil bei der Gemeinderatswahl ermutigte, es selbst zu probieren. Dass der AfD-Kreisverband ihm die volle Unterstützung zusicherte, gab letztlich den Ausschlag. Ohne diese, so räumt er ein, hätte er sich vermutlich nicht darauf eingelassen. Spannend werde es allemal. Das hätten auch die Bürgergespräche in diesen Wochen gezeigt.
Natürlich sorgt die Bewerbung zu Hause für reichlich Gesprächsstoff. Getauft und konfirmiert hat Mathias Lampe auch kirchlich geheiratet. Mittlerweile geschieden, ist er alleinerziehender Vater eines 17-jährigen Sohnes. Dieser ist im Februar zu ihm gezogen. Mathias Lampe freut‘s. „Da habe ich nicht alles falsch gemacht“, kommentiert er ihre Männer-WG, in der sich Vater und Sohn die Pflichten im Haushalt teilen. Der Junior sei hellauf begeistert von der Kandidatur.

Mathias Lampe (44), Bürgermeisterkandidat mit Mandat der AfD in Schleife, stellt sich am 1. November 2020 zur Wahl. Der selbstständige Bauunternehmer sitzt seit 2019 im Gemeinderat.
Mathias Lampe (44), Bürgermeisterkandidat mit Mandat der AfD in Schleife, stellt sich am 1. November 2020 zur Wahl. Der selbstständige Bauunternehmer sitzt seit 2019 im Gemeinderat. © Joachim Rehle

Als großer Redner sieht sich Mathias Lampe nicht. Er sei eher der Macher, fügt er erklärend hinzu. Was wohl auch daher rührt, dass er als selbstständiger Zimmerermeister das Anpacken gewöhnt ist. Und ebenso, flexibel auf Kundenwünsche zu reagieren. „Irgendeiner kommt immer und will schnell etwas gemacht haben.“ Meist auf Baustellen im Kirchspiel Schleife zugange, sorgt er sich darüber, dass immer weniger junge Leute auf dem Bau arbeiten und lieber etwas tun wollen, „wobei sie nicht schwitzen müssen“. Da sei die Politik gefragt, denn das Handwerk, die mittelständische Wirtschaft überhaupt, halte ja den Staat zusammen. Aber das sei Bundespolitik.
Mathias Lampe bezeichnet sich als großen Fan von Ex-Bürgermeister Reinhard Bork. Wie dieser sich mit Bergbau-Problemen auseinandersetzen musste, da hätte er nicht mit ihm tauschen wollen. Der Bergbau wird den neuen Bürgermeister ebenso beschäftigen. „Am Strukturwandel kommt man nicht vorbei“, das weiß der Schleifer und steht dazu im engen Kontakt mit den Bundes- und Landtagsabgeordneten der AfD. Der Tagebau sei immer ein Streitthema gewesen. „Doch ohne ihn wären wir heute nicht, wo wir sind“, sagt er. Andererseits sei er froh, dass er selber nicht betroffen ist. Jetzt müsse man aus der Situation das Beste machen.

Das gelte auch für die weitere Nutzung des alten Bauhofs in Schleife. Dass man ihm vorwarf, er stelle sich gegen die Vereine, darüber kann er nur den Kopf schütteln. Vereine, nicht nur die im alten Bauhof, seien wichtig für das Zusammenleben im Dorf. Er sei ja auch selber Mitglied in drei Vereinen. „Es muss doch aber erlaubt sein, dass man als Gemeinderat Dinge hinterfragt“, fügt er hinzu.

Im Falle seiner Wahl würde er als Erstes eine Machbarkeitsstudie anschieben, ob und wie der Radweg Schleife – Groß Düben kommt. Die Straße sei gefährlich und das Projekt wegen der direkten Verbindung zum neuen Schulkomplex in Schleife besonders dringlich. Ansonsten halte er sich mit irgendwelchen Versprechen lieber zurück. Es gebe auch so schon viel zu tun. Beispielsweise, um die gewachsenen Strukturen zu erhalten und all das, was die Bürgermeister zuvor geschaffen haben.

Seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt hat Mathias Lampe viele Sympathien eingebracht. Nachdem seine Wahlplakate mit Hakenkreuzen beschmiert worden waren, bekam er Anrufe von fremden Leuten, die die Plakate reinigen wollten. „Da habe ich Gänsehaut gekriegt“, sagt er. Das spornt ihn nun umso mehr an.

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