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Politiker reagieren skeptisch auf neue Bildungskarte im Landkreis

Um den Aufwand für das Bildungspaket zu verringern, gibt es bald eine Chipkarte. Wie lösen andere die Antragsflut?

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Von Carina Brestrich

Landkreis. Eine Mutter, die anderthalb Jahre auf das Geld für die Klassenfahrten ihrer Kinder wartet. Eine Familie, die schon seit 2011 um das Geld für das Schulessen kämpft. Und ein Vater, der seit mehr als einem Jahr auf finanzielle Hilfe für die Mitgliedschaft seines Sohnes im Fußballverein hofft. Der SZ werden immer mehr Fälle von Familien bekannt, die auf Leistungen aus dem Bildungspaket warten. Beantragt haben sie diese beim Jugendamt des Landkreises. Doch das ist scheinbar überfordert. Helfen soll nun eine Bildungs-Chipkarte. Vor Kurzem wurde sie im Gesundheitsausschuss des Kreistages vorgestellt.

Ist mäßig optimistisch: Michael Hannich (CDU) Fotos: Archiv
Ist mäßig optimistisch: Michael Hannich (CDU) Fotos: Archiv
Zweifelt am Sinn der neuen Karte: Jens Thöricht (Die Linke)
Zweifelt am Sinn der neuen Karte: Jens Thöricht (Die Linke)

Dass die Karte etwas bringt, das bezweifelt Jens Thöricht von der Kreistagsfraktion der Linken. Denn das Antragsverfahren werde damit nicht leichter. Und sie bekämpfe nicht die Ursache des Problems. Die liege vor allem in dem hohen Krankenstand und der Überlastung des Jugendamtes: „Der Kreis muss da reagieren. Die Karte ist kein Allheilmittel.“ Mäßig optimistisch ist Michael Hannich, Mitglied der CDU-Fraktion. „Die Karte kann es etwas bringen, wenn sie denn nachgefragt wird“, sagt er. Allerdings verweist Hannich darauf, dass die Karte an das Internet gekoppelt ist und nicht jeder Zugang zum Netz hat.

Auf ein anderes Rezept setzt der Nachbarlandkreis Bautzen: Statt einer Bildungskarte gibt es dort mehr Personal, um der Antragsflut Herr zu werden. Wie der Bautzener Landratsamt-Sprecher Gernot Schweitzer erklärt, waren zum Start 2011 vier Mitarbeiter für das Bildungspaket zuständig. Mittlerweile beschäftigen sich zwölf Mitarbeiter mit der wachsenden Antragszahl. Diese lag in Bautzen voriges Jahr bei rund 18 000 Anträgen. Je nachdem, wie viele Unterlagen nachgereicht werden müssen, dauere die Bearbeitung im Schnitt maximal fünf Wochen. „Dabei ist eine steigende Tendenz an Anträgen zu verzeichnen“, so Schweitzer.

Das ist auch im Kreis Görlitz der Fall. Hier wurden voriges Jahr knapp 23 000 Anträge gestellt. Das sind 4 000 mehr als noch im Jahr zuvor. Jedoch ist trotz Anfrage der SZ nicht bekannt, wie viele Mitarbeiter sich mit dem Anträgen beschäftigen. Erkennbar ist allerdings ein wesentlicher Unterschied zum Nachbarkreis: Während dort die Leistungen zentral beim Sozialamt beantragt werden, ist im Kreis Görlitz entweder das Jobcenter oder das Jugendamt zuständig. So müssen Arbeitslosengeld-II-Empfänger für die Leistungen zum Jobcenter gehen, Bezieher von Wohngeld oder Kinderzuschuss dagegen zum Jugendamt. Vor allem bei Letzterem dauert die Bearbeitung offensichtlich sehr lange.

Dass es im Kreis mit der Handhabe des Bildungspakets Probleme gibt, davon ist der sächsischen Landesdirektion in Dresden noch nichts bekannt. Wie Sprecher Holm Felber erklärt, sind noch keine Beschwerden bei der höheren Verwaltungsbehörde eingegangen. Doch selbst wenn dies der Fall wäre: „Ob es größere Probleme gibt, ist auch nach einzelnen Beschwerden nur schwierig zu beurteilen“, so Felber.

Nachholbedarf bestehe beim Bildungspaket in jedem Falle, sagt Joachim Herrmann vom Arbeitslosenkreisverband Löbau-Zittau. Auch ihm sind zahlreiche Fälle bekannt, in denen eine Bewilligung extrem lange dauerte. „Es gibt massive Probleme in der Zusammenarbeit im Landratsamt“, sagt er. Die Zahl der Anträge übersteige obendrein die personellen Kapazitäten. Eine Chance in der Bildungskarte sieht er trotzdem: „Es ist schon mal was erreicht, wenn die Betroffenen durch die Karte wissen, was sie überhaupt für Angebote kostenlos oder vergünstigt nutzen können.“