Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Polonaise bei 4,5 Grad

Zum Frühlingsanfang treffen sich an der Talsperre Malter Eisbader aus ganz Deutschland – zum Abbaden.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Franz Werfel

Malter. Kurz vor 14 Uhr trudeln sie am Sonntag ein, die ersten bunt kostümierten Eisbader. Für manche ist das März-Baden am Paulsdorfer Strandbad in der Talsperre Malter schon eine richtige Tradition. Der Berliner Klaus Daleske etwa ist seit fünf Jahren dabei. In diesem Jahr verbindet der Fernsehtechniker seinen Abstecher nach Sachsen mit einer Dienstfahrt in die Rhön. „Ich komme gern nach Paulsdorf“, sagt der 58-Jährige. „Hier ist immer eine tolle, familiäre Stimmung.“ Manche Eisbade-Veranstaltungen seien ihm zu kommerziell. Aber hier stehe der Spaß immer noch im Vordergrund.

Vor und nach dem Kneippgang konnten sich die Eisbader im Saunazelt aufwärmen. Heiko Langer aus Dipps (r.) sowie Birgit Roy und Holger Kuntzsch aus Falkenberg waren schick kostümiert.
Vor und nach dem Kneippgang konnten sich die Eisbader im Saunazelt aufwärmen. Heiko Langer aus Dipps (r.) sowie Birgit Roy und Holger Kuntzsch aus Falkenberg waren schick kostümiert. © Egbert Kamprath
Andreas Schütze, Ortsgruppenleiter der Paulsdorfer Wasserwacht, misst die Wassertemperatur, kurz bevor die ersten Badegäste in die Malter springen. Ergebnis: 4,5 Grad Celsius.
Andreas Schütze, Ortsgruppenleiter der Paulsdorfer Wasserwacht, misst die Wassertemperatur, kurz bevor die ersten Badegäste in die Malter springen. Ergebnis: 4,5 Grad Celsius. © Egbert Kamprath

Als richtiger Eisbader, der sich im Berliner Müggelsee das ganze Jahr über erfrischt, ist er natürlich auch Mitglied in einem Verein. „Ich bin von den Berliner Seehunden“, sagt Daleske. In diesem Jahr ist er der Einzige aus der Bundeshauptstadt. Der Preis für die weiteste Anreise ist ihm sicher.

Warum tut er sich das an, jeden Tag eine Viertelstunde im Freien zu baden, ganz gleich, welchen Monat der Kalender gerade anzeigt? „Das hält mich fit“, sagt er. Und beteuert, dass er seit 20 Jahren nicht erkältet war. „Gegen Grippe und andere Viren hilft das nicht, aber es tut mir sehr gut.“ Bald beendet er seine Eisbade-Saison – Ende April baden die Seehunde ab. „Wobei ich natürlich auch im Sommer gern in den Müggelsee springe“, sagt er lachend.

Und wie soll man diese Veranstaltung nun nennen? Anbaden oder Abbaden? Zum 13. Anbaden an der Talsperre hat die Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) eingeladen. Dabei beginnt die Saison am Strandbad in Paulsdorf offiziell erst Mitte Mai. Doch für die allermeisten, die sich am Sonntag bei sechs Grad Luft- und viereinhalb Grad Wassertemperatur an der Malter einfinden, steht der Tag eher im Zeichen des Abbadens.

Gänsehaut unterm Bademantel

Kurz nach 14 Uhr, einem Plausch im gut beheizten Saunazelt und einem dreifachen „Eis frei!“ ist es so weit: 28 Mutige stürzen sich in die Malter. Für die Paulsdorfer Wasserwacht ist das ein neuer Rekord. „Scheiße, ist das kalt“, flucht einer. Andere haben schon eine Gänsehaut, nachdem sie ihren Bademantel ausgezogen haben – und bevor auch nur ein Zeh in der Malter steckt. Mit klappernden Zähnen steigen sie ins Wasser. Nach drei Minuten ist für die Ersten die Erfrischung vorbei. Ein paar ganz Abgehärtete halten fast eine Viertelstunde aus, fröhliche Polonaise-Runden samt Tauchsieder-Choreografie inklusive.

Die älteste Teilnehmerin ist rüstige 79 Jahre jung und mit ihrer Eisbade-Truppe, den Oederaner Eishaien, aus Mittelsachsen angereist. Vor 20 Jahren haben sich die Eishaie gegründet – als in Oederan das neue Freibad eröffnet wurde. „Das hat uns so gut gefallen, da wollten wir im Winter nicht pausieren“, sagt eine Oederanerin. Mittlerweile öffnet das Freibad im Winter eigens für den Verein. „Und da haben wir keine Umkleidekabinen, geschweige denn ein beheiztes Zelt. Man muss schon ein bisschen verrückt sein.“

Der jüngste Eisbader ist mit 15 Jahren Christian Franke aus Dippoldiswalde. Er hat sich zum ersten Mal in das kalte Wasser getraut. „Dabei habe ich sogar ein bisschen Übung, denn als Triathlet muss ich ja auch ab und an in eher kühlere Gewässer steigen“, erzählt Christian Franke ganz cool. Angestachelt habe ihn die Wasserwacht, bei der er seit einem halben Jahr Mitglied ist. In kurzer Zeit haben ihn die DRK-Kollegen zum Rettungsschwimmer ausgebildet.

Für sie ist das März-Baden auch ein bisschen Werbung. „Ist doch gut, zu zeigen, wer hier im Sommer auf die Badegäste achtet“, sagt Andreas Schütze. Mit 25 ehrenamtlichen Helfern betreut der Ortsgruppenleiter der Paulsdorfer Wasserwacht das Hallenbad und die drei Freibäder an der Malter. „Nachwuchs können wir immer gebrauchen“, sagt Schütze. In jedem Jahr bildet er mit seinem Team rund elf junge Rettungsschwimmer aus.