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Pow Wow und Yeehaw im Lößnitzgrund

Die Karl-May-Festtage ehren zum 25. Mal den Abenteuerschriftsteller. Eine lebende Legende war dabei heiß begehrt - unsere VIDEOS zeigen auch warum.

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© Norbert Millauer

Von Dominique Bielmeier

Radebeul. Mit ernster Miene schaut der kleine Junge auf die goldene Taschenuhr, die mit einer Kette an seiner Weste befestigt ist. Er atmet einmal tief durch, ganz der Cowboy unter Zeitdruck. Wann ruckelt und dampft er denn los, der Santa-Fe-Express? Die Mutter schießt schnell noch ein paar Fotos von Mann und Sohn im Partnerlook – Weste, Cowboyhut, Halstuch. Dann: Ein Pfeifen (der Schaffner), ein Tuten (der Lößnitzdackel), und die Dampflok schiebt sich gemächlich aus dem Bahnhof Radebeul-Ost in Richtung Festgelände. Endlich geht’s los. Endlich wieder Cowboy und Indianer spielen in Radebeul. Die Augen des kleinen Jungen weiten sich vor Erwartung.

Für die Autogrammstunde von Schauspieler Gojko Mitic standen die Fans schon Stunden vorher an der kleinen Holzbude an. Der 75-jährige DEFA-Indianer kannte trotz Hitze keinen Schmerz und überzog für seine Fans sogar.
Für die Autogrammstunde von Schauspieler Gojko Mitic standen die Fans schon Stunden vorher an der kleinen Holzbude an. Der 75-jährige DEFA-Indianer kannte trotz Hitze keinen Schmerz und überzog für seine Fans sogar. © Norbert Millauer
Beim Pow Wow am Hohen Stein zeigten Indianer der Oneida Nation aus den USA traditionelle Tänze und Gesänge ihrer Kultur. Die Oneida zählen wie die Mohawk, Seneca, Cayuga, Onondaga und Tuscarora zu den Irokesen.
Beim Pow Wow am Hohen Stein zeigten Indianer der Oneida Nation aus den USA traditionelle Tänze und Gesänge ihrer Kultur. Die Oneida zählen wie die Mohawk, Seneca, Cayuga, Onondaga und Tuscarora zu den Irokesen. © Norbert Millauer
Weil Karl May über mehr schrieb als nur Cowboys und Indianer, standen am Geschichtenbasar auch Lieder, Tänze und Geschichten aus dem Orient im Mittelpunkt.
Weil Karl May über mehr schrieb als nur Cowboys und Indianer, standen am Geschichtenbasar auch Lieder, Tänze und Geschichten aus dem Orient im Mittelpunkt. © Norbert Millauer

Zum 25. Mal trafen sich am vergangenen Wochenende die Fans des Abenteuerschriftstellers zu den Karl-May-Festtagen im Lößnitzgrund. Weit über 30 000 Menschen lockte das Spektakel, das schon am Freitagabend mit einer Rock 'n' Roll- und Countrynacht in der Westernstadt begann und Sonntag ebenso musikalisch endete.

Am frühen Sonnabendnachmittag stehen jedoch sie im Mittelpunkt: die Indianer der Oneida Nation. Wie in den Vorjahren präsentieren sie ihre traditionellen Tänze beim Pow Wow am Hohen Stein. Moderatorin Kerstin Groeper übersetzt ins Deutsche und erklärt zum Beispiel, dass der Shuffle-Tanz der Frauen auf ihre Bedeutung in der indianischen Kultur hinweisen soll.

Bei den Oneida wählen die Frauen den Häuptling und entscheiden über Zeremonien. „What nation are you from?“, fragt Kerstin Groeper, ganz im Indianer-Spirit, eine Besucherin, die sie für eine Nachfahrin der amerikanischen Ureinwohner hält. Die Antwort bringt ein paar Lacher: Español. Immerhin: eine Nachfahrin der Inka.

Scharfe Schüsse mit Klopapier

Mit der politischen Korrektheit ist es ohnehin nicht so weit her an diesem Wochenende. Da werden Ureinwohner noch als Indianer bezeichnet und kleine Kinder dürfen ungehemmt mit der gezückten (Spielzeug-)Waffe herumrennen. Ist doch nur „make-believe“, nur Spiel, und schneller wieder vorbei als manchem lieb ist, der in voller Westernmontur unterwegs ist.

Auf dem Weg zum nächsten Highlight, dem Überfall auf den Santa-Fe-Express am Bahndamm, ist auch ein im Südstaatenlook gekleidetes Paar, komplett mit historischem Kinderwagen und – echtem – Baby darin. „Wie alt ist denn das Kind“, fragt ein Mann scherzend, der selbst schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, „105?“

Vor der Absperrung am Bahndamm drängen sich schon 20 Minuten vor dem Überfall der „Outlaws“, der Gesetzlosen, die Besucher. „Warum schießen die eigentlich mit Klopapier?“, fragt ein Junge seinen gleichaltrigen Freund, nachdem beide das Stopfen der Waffen beobachtet haben. Ob das ist, damit niemand verletzt wird? Nein, nein, klärt der andere ihn auf. „Das letzte Mal lag hier ein Toter. Der war tot!“

Als der Überfall mit ein paar Minuten Verspätung beginnt, halten sich die beiden schnell die Ohren zu und gehen hinter den Eltern in Deckung. Die Kanonenschläge haben es in sich, auch wenn mit ihnen tatsächlich Klopapierschnipsel durch die Luft fliegen.

Auch Tote gibt es, bei den Outlaws wie den tapferen Südstaatlern, die zur Verteidigung vom Zug springen. Mit ein wenig gut Zureden der hinzueilenden Krankenschwestern sind die Soldaten, die eben noch regungslos am Boden lagen, aber schnell wieder auf den Beinen – und die kleinen Cowboys fürs Erste beruhigt.

Fans stehen tapfer Schlange für ihr Idol

Kaum zu beruhigen sind die Fans des DEFA-Chefindianers und Schirmherren Gojko Mitic. Seit 14 Uhr stehen sie vor einer Holzhütte in der Westernstadt Little Tombstone Schlange. Erst anderthalb Stunden später beginnt aber die Autogrammstunde. Weil der Andrang auch nach dem Ende noch immer nicht abreißt, muss Mitic überziehen und wird dann unter vollem Körpereinsatz von Bodyguards durch die Menge bugsiert.

Im Garten von Claudia Kaulfuß, der Chefin des Karl-May-Museums, findet er ein schattiges Plätzchen und etwas Ruhe. Warum auch er, wie die Besucher des Karl-May-Festes, das Cowboy-und-Indianer-Spiel nie aufgegeben hat, erzählt er dort im Video-Interview mit der SZ.