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Propagandaschlacht um die Krim

Russland wirft der Ukraine vor, „Terrorgruppen“ auf die Halbinsel geschickt zu haben. Wer hat eigentlich Interesse an einer Eskalation des Konflikts?

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© Reuters

Von Klaus-Helge Donath, Moskau

Es geht Schlag auf Schlag. Am Mittwoch teilte Moskau mit, die von Russland annektierte Halbinsel Krim sei am Wochenende von Sabotage- und Terrorakten heimgesucht worden. Bei einem Schusswechsel zwischen vermeintlichen ukrainischen „Diversanten“ und Angehörigen russischer Sicherheitskräfte seien ein FSB-Geheimdienstmann und ein Wehrdienstleistender ums Leben gekommen.

In Moskau hieß es dann, der FSB habe „Terroranschläge“ auf der Krim verhindert, die von der Geheimdiensteinheit des ukrainischen Verteidigungsministeriums geplant worden seien. Russland habe die vom Verteidigungsministerium entsandten ukrainischen Kräfte aber zurückgeschlagen. Sie hätten auch mit Panzern versucht, auf die Krim zu gelangen, erklärte der FSB, der auch für den Grenzschutz zuständig ist. Ziel dieser „Sabotage- und Terrorakte“ sei es gewesen, vor den Wahlen in Russland und auf der Krim im September die „soziale und politische Lage zu destabilisieren“.

Am Donnerstag tagte dann Moskaus Nationaler Sicherheitsrat. Im Eilverfahren wurden zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für die Krim verfügt. Sie sollen „zu Lande, im Wasser und in der Luft“ umgesetzt werden. Die „Sicherheit der Bürger und wichtiger Infrastruktur“ müsse garantiert werden, heißt es in einer Erklärung Wladimir Putins. Der Tod der beiden Russen werde nicht ungesühnt bleiben. Putin sprach von einem „dummen und gefährlichen Spiel“ und sagte zu, alles für die Sicherheit der Krim zu tun.

Zwei Gruppen von Diversanten will der FSB-Geheimdienst auf der Krim dingfest gemacht haben. In der Nacht vom 6. auf den 7. August soll es an der Grenze zwischen der Krim und dem ukrainischen Festland zu einer Schießerei gekommen sein. Am selben Tag hätte ein Trupp von sieben Diversanten zudem versucht, mit einem Schlauchboot unerkannt bei der Ortschaft Armjansk anzulanden. Da sich eine FSB-Patrouille in der Nähe aufhielt, wurde der Trupp entdeckt.

Angeblich hatten die Eindringlinge den Auftrag, durch Anschläge für Verunsicherung zu sorgen und den „Tourismus abzuwürgen“. Dabei sollte jedoch kein Menschenleben gefährdet werden. Einen Tag später, so meldete das Blatt Kommersant, sei die Krim vom ukrainischen Festland aus mit schweren Waffen beschossen worden. Das investigative Conflict Intelligence Team (CIT) überprüfte diese Angaben. Demnach gab es in der Nacht auf den 7. August tatsächlich einen Schusswechsel. Beweise für einen massiven Beschuss aus schweren Waffen habe man aber nicht.

Die Ukraine weist alle diese Vorwürfe von sich. Präsident Petro Poroschenko bezeichnete die russischen Terrorvorwürfe als „Fantasien“, die nur ein „Vorwand für die nächsten militärischen Drohungen gegen die Ukraine“ seien.

Da Russland bislang keinerlei Beweise vorgelegt hat, klingt die Geschichte fast so abenteuerlich, als wäre sie im Kurs für kreatives Schreiben an der Hochschule der Sicherheitskräfte entstanden. Es hat den Anschein, als bastele Moskau in Windeseile an einem neuen Bedrohungsszenario. Daraus könnte der Kreml dann ein Recht auf Selbstverteidigung ableiten, zumindest für das heimische Publikum.

Nachdenklich stimmt: Kaum hatte der türkische Präsident Recep Erdogan nach einer Versöhnungstour zu Kremlchef Putin Russland verlassen, stieg der ukrainische „Terror“, zum beherrschenden Thema auf. Da lagen die Ereignisse aber schon mindestens vier Tage zurück. Und Putin fährt seit Mittwoch schwere Kaliber auf. Kiew wirft er nicht nur „Terror“ vor. Er kündigte auch Vergeltungsmaßnahmen für die beiden russischen Todesopfer an. Kiew, so Putin, versuche, „einen Konflikt zu provozieren“ und die Öffentlichkeit von der Einsicht abzulenken, wer die Macht in der Ukraine an sich gerissen hätte. Auffällig ist die selbst für den Kremlchef scharfe Wortwahl.

Zeitgleich sagte Putin, unter den jetzigen Umständen sehe er keinen Sinn mehr, im Rahmen der Normandie-Gruppe zusammenzutreffen. Diese wurde geschaffen, um auf die Situation in der Ostukraine Einfluss zu nehmen. Russland, die Ukraine, Frankreich und Deutschland gehören dazu. Das Forum erreichte nicht viel, bot Moskau aber einen Rahmen, ohne Gesichtsverlust aus dem verfahrenen Ukrainekrieg herauszufinden, wenn es denn wollte.

Auch die elektronischen Medien stimmen die Russen auf eine neue Eskalationsrunde ein. Nach dem Motto: Russland sei gezwungen, weiter zusammenzurücken. Im September finden in Russland Dumawahlen statt. Und die nationale Begeisterung nach der Krimannexion 2014 schwindet spürbar.