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Punkten rechts von der AfD

Die Abspaltung „Aufbruch deutscher Patrioten“ will vor allem bisherige Nichtwähler für sich gewinnen.

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Andre Poggenburg, der frühere AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt, spricht beim Neujahrsempfang seiner neuen Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“.
Andre Poggenburg, der frühere AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt, spricht beim Neujahrsempfang seiner neuen Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“. © dpa/Sebastian Kahnert

Von Jörg Schurig, Dohma

Eines steht für eingefleischte Anhänger der neuen Partei „Aufbruch deutscher Patrioten“ fest: Der deutsche Dieselmotor muss erhalten bleiben. Deshalb bittet beim Neujahrsempfang der AdP im sächsischen Dohma ein Mann Parteichef André Poggenburg darum, diesen Punkt explizit im Programm der Partei zu verankern.

Es umfasst momentan überhaupt nur zehn Punkte, und die von enttäuschten AfD-Mitgliedern gegründete AdP ist erst eine Woche alt. Nicht alles ist da ausformuliert, der Anspruch dagegen schon: Bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen will man in alle drei Parlamente einziehen.

„Wir schreiben gerade Geschichte“, ist sich Parteivorstand Benjamin Przybylla sicher. Um Geschichte geht es an diesem Mittwochabend auch – zum Beispiel um die der blauen Kornblume. Sie ist das Symbol der AdP. Poggenburg nennt sie ein Sinnbild für „echten deutschen Patriotismus“ und baut zugleich Kritik vor.

Man wisse, dass man damit auch provoziere. Denn diese Blume sei von den Nazis in Österreich einst missbraucht worden, sagt Poggenburg und erklärt ausführlich, wie es dazu kam. Doch deshalb wolle man sich die Blume der deutschen Romantik nicht verbieten lassen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron und Prinz Charles trügen sie am Revers.

Poggenburg hat gleich einen ganzen Strauß Kornblumen aufs Rednerpult gelegt. Für seinen ersten öffentlichen Auftritt als Parteichef hat der Mann aus Sachsen-Anhalt nicht die große Bühne gewählt. Vielmehr ist er in die tiefste sächsische Provinz, nach Dohma, gereist. Das hängt vor allem mit Egbert Ermer zusammen, dem Parteivize der AdP.

Absprung mit Risiko

Der Tischlermeister war einst AfD-Chef im Landkreis Sächsische-Schweiz/Osterzgebirge. Als Trompeter der Partyband „Saitensprung & Müglitztaler Gaudibande“ hat er ein gutes Gespür für die Stimmung im Saal. Ermer ist einer, den hier alle mögen, ein Macher. Im Unterschied zu manchen AdP-Anhängern gehören Journalisten für ihn nicht zum Feindbild.

Auch Poggenburg betreibt keine Medienschelte: Er weiß, dass er ohne Presse, Funk und Fernsehen bei Wahlen nicht den Hauch einer Chance hätte. Erst vor einer Woche hat der frühere AfD-Partei- und Fraktionschef in Sachsen-Anhalt den Absprung aus der Alternative für Deutschland vollzogen. Und ihm ist klar, dass eine Abspaltung von einer Partei große Unwägbarkeiten birgt: „Das Risiko ist uns bewusst, aber uns ist auch die Notwendigkeit bewusst“. In der AdP seien keine Hasardeure und Glücksritter. Bei der Mitgliederaufnahme werde man nach dem Motto „Klasse statt Masse“ verfahren. Bedingung sei das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, betont Poggenburg.

In der Fragerunde für die Anhänger gibt es nur wenige kritische Stimmen. Einer mag der AdP wegen der Kornblume nicht beitreten. Ein anderer findet gerade diese Blume gut, weil sie auch die Rückseite des deutschen Skatblattes ziere: „Mit dem Blatt spielen wir am liebsten.“

Ein anderer spricht an, was viele denken: Wird der „Aufbruch deutscher Patrioten“ die AfD am Ende Stimmen und sogar den Sieg kosten? „Wenn ihr unter fünf Prozent bleibt, habt ihr Riesenscheiße gemacht“, sagt der Mann. Doch Poggenburg kontert: Er sei felsenfest davon überzeugt, dass die AdP die realistische Chance auf sechs bis neun Prozent der Stimmen habe.

Verbale Provokationen angekündigt

Manche Aussagen Poggenburgs wirken auch am Tag danach auf der ersten Pressekonferenz der AdP in Dohma widersprüchlich. So sagt er etwa: „Wir stehen klar zu Europa, aber nicht zum Konstrukt EU.“ Den „Dexit“, also den Austritt Deutschlands aus der EU, wolle man auf jeden Fall – auch wenn eine Regionalpartei wie die AdP diese Problematik nur bedingt aufgreifen könne. Für den Wahlkampf kündigt Poggenburg „verbale Provokationen“ an. Man werde ihn in gewisser Weise auf „rechtspopulistische Art“ führen.

Auch für den besorgten Diesel-Bürger hat Poggenburg eine Antwort parat. „Ich bin ein begeisterter Diesel-Trinker“, sagt der 43-Jährige mit Blick auf das Mixgetränk aus Cola und Bier. Die Mehrzahl der AdP-Sympathisanten hält es beim Neujahrsempfang eher mit reinem Pilsner. Poggenburg, Ermer und den anderen ist Aufbruchstimmung anzumerken. Dennoch warnt der Chef vor allzu großer Euphorie. „Wir haben da einen wirklich steinigen, einen langen Weg vor uns, einen schwierigen. Aber einfach kann jeder.“

Sachsens AfD-Spitze glaubt nicht an einen Wahlerfolg der Poggenburg-Partei. „Der Parteineugründung räumen wir keinerlei Chancen ein“, heißt es in einer Erklärung von AfD-Landeschef Jörg Urban und Generalsekretär Jan Zwerg. Begeistert von der neuen Konkurrenz sind sie nicht. „Wir halten die Parteineugründung für überflüssig und schädlich“, teilten die Politiker unmittelbar nach Poggenburgs Austritt mit. „Nur in einer konservativen Partei geeint sind wir stark.“ (dpa mit SZ/ale)