SZ + Update Radeberg
Merken

Gendefekt: Flipper muss noch warten

Das Leben mit ihrem schwerbehinderten Kind ist für die Familie Baldermann aus Wachau leichter geworden. Auch dank des örtlichen Sportvereins.

Von Rainer Könen
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
„Unglaublich und überwältigende Reaktionen“: Schwerbehinderter Matteo und seine Mutter Anne Baldermann.
„Unglaublich und überwältigende Reaktionen“: Schwerbehinderter Matteo und seine Mutter Anne Baldermann. © Sven Ellger

Matteos Bewegungsdrang wurde in diesen Tagen ausgebremst. Wegen des Teil-Lockdowns, von dem ja auch der Freizeitsport betroffen ist. Trotzdem geht es dem Kind gut. In dieser Woche feierte er seinen Geburtstag. Seinen zehnten. In solch einem juvenilen Alter ist der Blick in der Regel in die Zukunft ausgerichtet, aufs bisherige überschaubare Dasein wird meist nicht geguckt. Dennoch hatte der junge Matteo Grund genug, an seinem Geburtstag zurückzuschauen, vor allem aufs letzte halbe Jahr. Das Unerwartetes bereithielt und ihm nun Möglichkeiten bietet, von denen er zu Beginn des Jahres kaum zu träumen wagte: ein fast normales Kinderleben.
„Wir sind wieder alle glücklich“, beschreibt es Matteos Mutter. Voller Stolz erzählt sie, das ihr jüngster Sohn im Sommer häufiger auf der Sportanlage des TSV Wachau war, um ein wenig mitzukicken, wenn die älteren Brüder mit ihren Teams trainierten.

Etliche Operationen für Matteo

Anne Baldermann spricht von dem großen Spaß, den ihr Jüngster seitdem beim Fußballspielen hat, und klar, seine Brüder Justus (12) und Joshua (14) haben den jetzt ebenso. Erste, noch ungewohnte Schritte waren das für den kleinen Matteo. Auch wenn die Bemühungen des Jungen, es seinen Brüdern beim Kicken nachzutun, immer noch etwas sperrig und unkoordiniert wirken, wichtig ist der Familie, das es aufwärts geht mit ihrem jüngsten Spross.
Auch dank des TSV Wachau, der für die Baldermanns ja seit Jahren zu einem zweiten Zuhause geworden ist. Dort treiben alle Sport. Und jetzt auch Matteo.
Der mit einem Gendefekt geboren wurde und bis zum Frühjahr dieses Jahres nur über eine Trachealkanüle in seinem Hals atmen konnte. Etliche Operationen hatte der schwerbehinderte Junge in den vergangenen Jahren über sich ergehen lassen müssen. Im Mai diesen Jahres dann die alles entscheidende: die Kanüle wurde entfernt, das Loch im Hals geschlossen. Das ließ Matteo, ja auch seine Eltern und Geschwister, aufatmen. Am Schicksal der Wachauer Familie hatten in den zurückliegenden Monaten etliche Menschen in der Region teilgenommen, nicht zuletzt auch wegen eines bei MDR und ARD ausgestrahlten Beitrags über den schwerbehinderten Matteo.

Über das Coronavirus informieren wir Sie laufend aktuell in unserem Newsblog.

Die Reaktionen seien damals „unglaublich überwältigend“ gewesen, schildert es die 35-jährige Anne Baldermann. Hatten sich wildfremde Menschen gemeldet, der Familie angeboten, zu helfen. Mit Geld, mit Sachleistungen. Anne Baldermann schwärmt vom ersten unbeschwerten Strandurlaub, den die Familie in diesem Sommer mit Matteo erlebte. Mit einer Kanüle im Hals war es für den Jungen zuvor immer lebensgefährlich gewesen, gerade, wenn er ins Wasser wollte. Durfte ja keine Flüssigkeit in die Kanüle, in seine Lunge kommen. Nein, die gebürtige Wachauerin mag nicht mehr an die vielen furchtbaren Ängste der zurückliegenden Jahre denken. In diesem Sommer konnte Matteo endlich im Meer baden, machte er seine ersten Schwimmversuche. Ein bedeutender Schritt für die Baldermanns auf dem Weg zu einer ganz normalen Familie.
Im August hatte ihr Sportverein, der TSV Wachau, ein Spendenkonto eingerichtet, um den großen Wunsch der Familie zu erfüllen: eine Delfintherapie für Matteo. Rund 10000 Euro kamen binnen kürzester Zeit zusammen. Man habe sich für diese Therapieform entschieden, weil „diese Tiere fürs Körperbewusstsein unseres Jungen bestimmt sehr hilfreich sind“, beschreibt es die 35-jährige Anne Baldermann.

Delfine vermitteln Selbstwertgefühl

Delfine vermittelten Menschen nicht nur, den eigenen Körper intensiver wahrzunehmen, sondern stärkten auch deren Selbstwertgefühl, so die gebürtige Wachauerin. Für Matteo also das Richtige, um ein Gefühl für sein bis dato recht eingeschränktes Leben zu bekommen. Eigentlich hatten Baldermanns im Herbst für eine zweiwöchige Delfintherapie nach Spanien aufbrechen wollen. Aber wegen Corona und weil man sich für eine solche nicht alltägliche Therapie ein Jahr im Voraus anmelden muss, klappte es mit der Reise nicht. Sei aber nicht weiter schlimm, beschreibt es Matteos Mutter. So habe die Familie in den nächsten Monaten genug Zeit, um sich auf diesen Therapie-Trip vorzubereiten. Im Mai des nächsten Jahres, spätestens aber im kommenden September soll Matteo dann mit Flipper und Co. herumtollen können.
Bleibt also genug Zeit für den jungen Wachauer, um sich an sein neues Dasein zu gewöhnen, zu erfahren, wie das ist, wenn man seine langehegten kleinen und großen Kinderträume ausleben kann.

Nachrichten und Hintergründe zum Coronavirus bekommen Sie von uns auch per E-Mail. Hier können Sie sich für unseren Newsletter zum Coronavirus anmelden.

Mehr Nachrichten aus Radeberg und dem Rödertal lesen Sie hier.

Mehr Nachrichten aus Dresden lesen Sie hier.