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Mord in Radeberg: Angeklager soll seine Frau erdrosselt haben

Vor dem Görlitzer Landgericht muss sich ein Mann verantworten, der seine Frau in Radeberg ermordet haben soll. Leicht wird die Beweisführung nicht.

Von Frank Thümmler
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In Görlitz ist ein 32-Jähriger angeklagt, der seine Frau erdrosselt haben soll.
In Görlitz ist ein 32-Jähriger angeklagt, der seine Frau erdrosselt haben soll. © Danilo Dittrich

Es ist wie so oft bei schweren Straftaten: Diejenigen, denen so etwas vorgeworfen wird, sehen überhaupt nicht danach aus. Das trifft auch auf jenen 32-jährigen Afghanen zu, der sich seit Montag vor dem Landgericht in Görlitz verantworten muss: Kurzhaarfrisur mit rasierten Seiten, große Brille, wacher Blick. Er sei im September 2021 nach Deutschland gekommen, hat studiert, nach eigenen Angaben einen Masterabschluss mit Schwerpunkt Wirtschaft. Und er ist dreifacher Familienvater. Auf den ersten Blick ein intelligenter junger Mann, dem man niemals zutrauen würde, ein so schreckliches Verbrechen begangen zu haben.

Und doch soll er seine Frau ermordet haben, zumindest ist die Staatsanwaltschaft davon überzeugt. Sie hat ihn angeklagt, für den Tod seiner damals 27-jährigen Frau in einer Radeberger Wohnung verantwortlich zu sein. Am 11. Juni 2023 habe er sie zwischen 19.30 Uhr und 20.57 Uhr im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung mit einem Schal erdrosselt. Laut der Anklage wollte sich die Frau von ihrem Partner trennen, sich ihm nicht mehr unterordnen. Deshalb musste sie sterben, so die Staatsanwältin Ines Grajcarek.

Der Angeklagte bestreitet die Tat

Der Angeklagte, der etwas Deutsch versteht und einen Dolmetscher an seiner Seite hat, lässt aber seinen Verteidiger Andreas Suchy vortragen, dass er diese Tat bestreitet. Er liebe seine Frau und Kinder und sei nicht zu einer solchen Tat imstande.

Der Vorsitzende Richter Theo Dahm verlas daraufhin eine schriftliche Einlassung, die der Angeklagte vor einiger Zeit abgegeben hatte und in der er schildert, was sich aus seiner Sicht an jenem 11. Juni 2023 abgespielt haben soll. Zur Vorgeschichte: Er räumte ein, dass es Streitigkeiten gab, dass seine Frau einen anderen Afghanen in Dresden kennengelernt haben soll. Aber man habe sich versöhnt und sogar über ein viertes Kind gesprochen. Am Abend sei er mit seinen Kindern gegen 19.30 Uhr Döner holen gegangen. Er habe versucht, mit seiner Frau zu telefonieren, doch zu diesem Zeitpunkt sei sie bereits nicht mehr ans Telefon gegangen.

Als der Angeklagte mit seinen Kindern zurückkehrte, habe die Wohnungstür offen gestanden, auf Rufe reagierte niemand. Er habe seine Frau dann regungslos im Schlafzimmer gefunden. Er und die Kinder hätten geschrien und geweint. Er habe dann schnell die 110 angerufen. Als die Polizei da war, habe er kurz Hoffnung gehabt, weil die Polizisten Puls fanden, aber der später eingetroffene Notdienst konnte ihr nicht mehr helfen.

Einen Verdacht lieferte der Angeklagte in seiner Erklärung auch gleich mit: Er habe am Tag zuvor gehört, wie seine Frau mit jemandem telefoniert habe und Geld zurückforderte. Außerdem habe sie gesagt, dass sie glücklich sei und ihren Mann nicht verlassen werde. Geld habe seine Frau gehabt, weil sie vor dem Verlassen Afghanistans Schmuck und Gold verkauft hatte, für 8.500 Dollar.

Die Staatsanwaltschaft zweifelt an der Geschichte

Die Staatsanwaltschaft hatte ihm diese Geschichte nicht abgenommen und trotzdem wegen Mordes angeklagt. Die Beweisaufnahme muss nun Licht ins Dunkel bringen. Insgesamt sind sechs weitere Verhandlungstage angesetzt, der nächste am 22. März. Am ersten Verhandlungstag wurden bereits die ersten Zeugen gehört. Eine Gutachterin stellte die Ergebnisse der Spurensicherung vor. Gut für den Angeklagten: Auf der Hose der Frau fanden sich Spermaspuren, die tatsächlich einem anderen Mann (wohl einem heute 24-jährigen Afghanen) zugeordnet werden können. Wie alt diese Spuren waren, ließ sich laut Gutachterin aber nicht feststellen. Schlecht für den Angeklagten: Unter all den untersuchten Spuren in der Wohnung, an der Kleidung seiner Frau und an ihrer Leiche fanden sich zwar Spuren von allen Familienmitgliedern, aber zumindest keine ausreichenden, die auf eine Anwesenheit einer anderen Person am Tattag hinweisen könnten.

Die Tonbandaufnahme des Notrufes des Angeklagten bei der Polizei wurde abgespielt. Offenbar gab es einige Verständigungsprobleme zwischen dem aufgeregt wirkenden und schlecht deutsch sprechenden Anrufer. Viel Mehr als "Frau kaputt" und die Adresse bekam der entgegennehmende Polizist nicht heraus, schickte aber umgehend einen Streifenwagen zu jener Radeberger Adresse.

Ein Polizeihauptmeister jenes Wagens sagte am Montag auch schon aus. Er habe die Familie schon aus einem vorherigen Vorfall gekannt. Sein Kollege habe sofort die Vitalzeichen der Frau geprüft und noch einen schwachen Puls vorgefunden. Nach wenigen Minuten seien keine Lebenszeichen mehr feststellbar gewesen, man habe sofort mit einer Herz-Druck-Massage begonnen, bis der eingetroffene Rettungsdienst kam, letztlich die Frau aber nicht mehr retten konnte. Er sei froh, dass auch eine Frau vom Kriseninterventionsteam schnell da war und sich um die Kinder kümmerte.

Anfänglich seien er und sein Kollege noch von einem Suizid ausgegangen, weil sie wussten, dass die Frau psychische Probleme hatte. Aber die Strangulationsmale am Hals und die fehlende Gelegenheit im Raum, eine Strangulation selbst zu versuchen, hätten sie dann skeptisch gemacht. Der Familienvater, zu jenem Zeitpunkt noch Zeuge, hatte ihnen dann auch jene Geschichte erzählt, die später schriftlich formulierte. Frische Döner waren tatsächlich in der Wohnung, der Angeklagte zeigte den Polizisten sogar Blumen auf dem Balkon, die er seiner Frau zum Zeichen der Versöhnung geschenkt habe. Ein echter Widerspruch zur Geschichte des Angeklagten ist bis dahin noch nicht aufgetreten, die Beweisaufnahme wird lang.