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Der Aussöhner

Roland Gräfe - ein besonderer Mensch in Radebeul, der sein Lebenswerk in eine Stiftung eingebracht hat, die Künstler aus Sachsen, Polen und Tschechien zusammenbringt.

Von Peter Redlich
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Der Radebeuler Maler in seinem Atelier in der Lößnitzgrundstraße 13. Hier werden demnächst Matineen und Ausstellungen mit Künstlern stattfinden - zuerst mit dem aktuellen Preisträger der Roland Gräfe Stiftung für Kunst und Kultur.
Der Radebeuler Maler in seinem Atelier in der Lößnitzgrundstraße 13. Hier werden demnächst Matineen und Ausstellungen mit Künstlern stattfinden - zuerst mit dem aktuellen Preisträger der Roland Gräfe Stiftung für Kunst und Kultur. © Norbert Millauer

Radebeul. Wer kennt eigentlich Roland Gräfe? Sicher, die Stadtgalerie-Gänger haben schon mal was von ihm gehört, vor allem aber gesehen. Seine mit kraftvollen Farben gemalten Bilder von Elbe- und Weinberglandschaften. Auch Akte sind dabei. Gerade steht wieder einer mit einer Dame, wie die Natur sie schuf, auf seiner Staffelei. „Man muss das immer mal wieder angehen, sonst verlernt man es“, sagt der Maler.

Roland Gräfe ist ein Zugezogener, wie das alteingesessene Radebeuler sagen würden. Der heute 77-Jährige und mindestens zehn Jahre jünger wirkende, schlanke, große Mann ist immerhin Sachse. Geboren in Plauen im Vogtland. Die Mutter ging in den Nachkriegswirren in den Westen und verstarb früh. Der junge Roland wuchs bei Pflegeeltern auf, machte eine Kaufmannslehre und musste früh selbstständig agieren.

Antikhandel mit dem Bruder

Ihm gelang das. Als junger Bundeswehrsoldat wurde er in Frankreich stationiert und lernte auch die Abneigung gegenüber Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg kennen. Mit seinem Bruder betrieb er einen Antikhandel und verdiente Geld mit dem Sanieren und Verkaufen von unter Denkmalschutz stehenden Immobilien. Er betrieb sogar eine Studentenkneipe. Immer wieder verschlug es ihn auch - er hatte während des Armeedienstes die Ausbildung zum Dolmetscher absolviert - nach Frankreich.

„Mein Großvater war Maler, und selbst habe ich es auch immer wieder versucht“, erzählt Roland Gräfe. Doch mit seiner eigentlichen Passion - man muss sie sich auch leisten können - wurde es erst etwas, als er in seine ursprüngliche Heimat zurückkehrte, nach Sachsen. Das war schon kurz vor der Wende. Auf der auch damals schwierigen Suche nach einer freien und großzügigen Wohnung durchstöberte er die Sächsische Zeitung und fand schließlich ein zum Verkauf stehendes Haus in der Radebeuler Lößnitzgrundstraße 13.Er siedelte von Freiburg über in den Osten, sanierte das Haus, in dem auch Sachsens langjähriger oberster Denkmalpfleger Professor Heinrich Magirius zu Hause ist.

Zur Eröffnung des Freiluftmalens der Roland Gräfe Stiftung in Struppen traten Tänzer der Hochschule Carl Maria von Weber aus Dresden in einer Performance zum Thema Musik und Töne auf.
Zur Eröffnung des Freiluftmalens der Roland Gräfe Stiftung in Struppen traten Tänzer der Hochschule Carl Maria von Weber aus Dresden in einer Performance zum Thema Musik und Töne auf. © Daniel Schäfer

Noch einige Jahre kümmerte sich Gräfe um denkmalwürdige Immobilien. Erwarb dabei selbst gerade so viel Eigentum, dass er fortan auskömmlich leben konnte, und absolvierte an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste mit 57 Jahren ein Abendstudium zur Kunstmalerausbildung. Inzwischen ist Roland Gräfe gestandener und anerkannter Maler und stellt aus. Und, das Wesentliche: Er hat 2014 eine Stiftung gegründet, die seinen Namen trägt. Die Lößnitzstraße 13 hat er als Kapital in die Stiftung eingebracht. Er hat hier noch das lebenslange Wohnrecht.

Gräfe sagt über diesen Schritt. „Ich möchte, dass so vieles von dem, was ich gewollt und geschaffen habe, erhalten bleibt und vor allem fortlebt.“

Mit Fortleben meint er vor allem den Gedanken der Stiftung. Umschrieben mit einem einzigen Wort: Aussöhnung. Entstanden ist dieser Gedanke schon in Frankreich. Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg miteinander aussöhnen, indem sie zueinander gebracht werden und gemeinsam etwas Verbindendes tun. Für Roland Gräfe ist das die Malerei.

Gemeinsam mit seinen ehrenamtlichen Unterstützern in Radebeul, Dresden und anderswo her organisiert er Aktionen wie Seminare, Workshops zum Freiluftmalen. Seit dieser Woche Dienstag treffen sich 15 professionelle Künstler und Studenten aus Sachsen und Deutschland in der Sächsischen Schweiz und jeder malt auf seine Weise und mit seiner Technik. Anschließend wird es eine Ausstellung in Struppen geben. Corona lässt die Freiluftaktion glücklicherweise zu.

Was der umgreifende Virus nicht zugelassen hat, war die öffentliche Übergabe des zweijährlich zu vergebenden Kunstpreises der Roland Gräfe Stiftung für Kunst und Kultur. Im vorigen Jahr hatte die mehrköpfige unabhängige und deutsch-tschechische Fachjury den jungen Tschechen Dávid Čerťanský für den Stiftungspreis als Förderung seiner Arbeit gewählt. In Prag sollte es am 6. Mai im Goethe-Institut die offizielle Preisverleihung geben, mit dem Botschafter der Bundesrepublik. Sollte. Roland Gräfe: „Jetzt haben wir zumindest am 6. Mai virtuell die Übergabe vorgenommen.“

Matineen im Stiftungshaus

Roland Gräfe ist glücklich, auf diese Art und Weise wirklich zur Aussöhnung, zur guten Stimmung zwischen Menschen in Sachsen, Tschechien und Polen beizutragen - auch in Breslau waren sie schon mit der Stiftung zum Malen und Ausstellen. In den nächsten Monaten wollen er und seine Mitstreiter im tschechischen Kuks malen und davon in Dresden ausstellen. Mitte September sollen endlich die Maltage in Prag nachgeholt werden und es die Ausstellung mit dem tschechischen Preisträger im Goetheinstitut geben. Auch Matinee-Veranstaltungen mit den Werken einzelner Künstler sind im Stiftungshaus in Radebeul geplant. Selbst Richtung 2023 schauen die Stifter bereits: Der Kunstpreis 2023 (Malerei) soll in der Lausitz länderübergreifend ausgeschrieben werden.

Und, der umtriebige Künstler hat auch schon dafür gesorgt, dass die Stiftung mit seinem Namen nicht nur weiterlebt, sondern materiell im Stiftungskapital noch kräftiger wird. Eine weitere Immobilie, die Mieten erwirtschaftet, will er einbringen.

Ein Mann, ein Maler, ein Wahl-Radebeuler, den es kennenzulernen lohnt - mindestens in seinen und den Ausstellungen der Roland Gräfe Stiftung.