Radebeul
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"Erst wenn mich die Leute von der Bühne pfeifen, höre ich auf"

Günther Fischer und Uschi Brüning besuchen die Börse Coswig. Im Interview redet Fischer über seine Karriere, seine Musik und seine Beziehung zur Gesangsikone.

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Pflegen eine über 50 Jahre andauernde musikalische Beziehung: Gesangsikone Uschi Brüning und Star-Saxofonist Günther Fischer spielen am 15. April in der Coswiger Börse. Neben Jazz-Standards auch Musik aus "Solo Sunny".
Pflegen eine über 50 Jahre andauernde musikalische Beziehung: Gesangsikone Uschi Brüning und Star-Saxofonist Günther Fischer spielen am 15. April in der Coswiger Börse. Neben Jazz-Standards auch Musik aus "Solo Sunny". © Ekkehart Nupnau

Herr Fischer, Sie zählen zu den bedeutendsten und unverwechselbaren Jazz-Musikern der DDR und heutigen Bundesrepublik. Wie haben Sie Ihren eigenen Stil entwickelt?

In der DDR wurde immer eine bestimmte Richtung vorgegeben. Das Publikum war gezwungen, mit dem, was da war, vorliebzunehmen. Ich habe immer versucht, etwas Eigenes zu machen, wollte Melodien und Grundthemen finden, die Substanz haben und die man vielleicht im Kopf behält. Nach Vorbildern oder dem, was gerade modisch ist, richte ich mich bis heute nicht. Man würde sofort in eine Kategorie festgelegt und nach einer gewissen Zeit auch abgelegt werden. Natürlich spiele ich Jazz, rümpfe aber nie die Nase, wenn es um das Abschweifen von oder dem Ablegen der Jazztradition geht. Das macht meine Mischung aus.

In Coswig werden Sie gemeinsam mit Uschi Brüning auftreten. Welche Beziehung haben Sie zu der Sängerin?

Mit Uschi habe ich schon vor über 50 Jahren zusammengearbeitet, Langspielplatten im Studio und auch live eingespielt. Die Arbeit mit ihr war ein großer Erfolg. Hier waren wir aber auch gezwungen, etwas Eigenes zu kreieren. Auf Englisch singen ging in der DDR nicht. Die Obrigkeit kam sofort und sagte, dass wir etwas Deutsches machen müssen. Erst waren wir frustriert, aber heute bin ich dankbar. Uschis Texte haben viel zu sagen und bleiben den Leuten bis heute im Kopf. Englisch konnten wir damals nicht gut, das wäre also sowieso nichts geworden (lacht). Ihre Musikalität hat mir aber schon immer gefallen. Der amerikanische beziehungsweise Aretha-Franklin-Einfluss, den Uschi hat, ist auch heute noch zu hören.

Wieder fanden Sie Ihre eigene Art.

Korrekt, aber unsere Musik war nie etwas zum Berieseln-Lassen. Es ist Musik mit hohem Anspruch. Man muss bereit sein, sich reinzudenken. Da unser Publikum das damals verstanden hat, entwickelte sich ein Geschmack, der sich in einer gewissen Weise von dem Rest abhebt. Ich erinnere mich an Konzerte vor 3.500 Leuten im ausverkauften Friedrichstadt-Palast Berlin, und auch heute wird die Dresdner Messehalle noch voll. Praktisch vom Baby bis zur Oma besuchen uns die Leute noch heute. Eigentlich ist das unvorstellbar für mich.

Dass Sie zum Saxofon gefunden haben, war aber eher ein Zufall.

Das war ganz komisch, ja. In den 1960er-Jahren habe ich in Zwickau Klassik studiert und Klavier gespielt. Ein Student spielte mir eines Tages eine polnische Jazzplatte vor – nur Piano, Bass und Schlagzeug. Dass nur improvisiert wurde, hat mir imponiert. Das wollte ich auch probieren, durfte mich aber nicht erwischen lassen. Die Dozenten waren der Meinung, dass man sich sein klassisches Spiel mit solcher Musik verderben würde.

Als der Mauerbau begann und viele Musiker nicht mehr die DDR flüchten konnten, bin ich nach Berlin zur Hochschule gewechselt. Ich lernte eine Potsdamer Band kennen und ihr Saxofonist hatte sich den Daumen gebrochen. Ich habe mich immer zwischendurch am Saxofon versucht und bin eingesprungen.

Als mich Klaus Lenz, der damals die schärfste Jazzband im Osten hatte, 1964 spielen hörte, sagte er "Du spielst ab morgen bei mir!" Ich war überhaupt nicht dafür bereit, aber Lenz hat sich immer junge Talente in seine Band geholt, die anfangs nichts drauf hatten. Er hatte noch die Geduld, eine Begabung, die er sah, mit einem herauszuarbeiten. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.

Wenn Sie das Saxofon spielen, klingt es wie ein Sänger, der sich die Seele rausschreit.

Das haben Sie schön gesagt. Viele Leute bemerken das gar nicht. Die Emotion ist äußerst wichtig. Ich kann nur jedem Musiker raten, beim Improvisieren eine Melodie zu erfinden. Auch, wenn sie Umwege braucht und kompliziert ist, es muss melodisch bleiben. Ich pfeife wirklich darauf, wenn Leute sagen "Ach Gott, ist das emotional" oder meinen alles ablehnen zu müssen, was sich fernab der strikten Jazzart bewegt. Ständig der Schnellste oder Höchste sein zu wollen, ist langweilig und vergibt dir die wichtigen Kontraste. Schwingungen müssen sich auf- und abbauen.

Wie fühlt es sich an, nach langer Zeit wieder mit Uschi Brüning auf der Bühne zu stehen?

Es ist sehr schön und macht großen Spaß. Uns verbindet eine gute Freundschaft und berufliche Beziehung. Uschi ist ein wunderbarer Mensch und dazu noch eine tolle Sängerin. Eigentlich hätten wir eher unser Comeback feiern sollen. Mit meiner Band bin ich ebenfalls überglücklich. Die Pandemie war ein herber Schlag für uns alle. Jetzt freue ich mich, wieder in der Börse sein zu können. Dahin komme ich übrigens schon seit den 1960er-Jahren. Erst wenn mich die Leute von der Bühne pfeifen, höre ich auf.

Das Gespräch führte Julian Wolf.

  • Karten ab 39 Euro für das Live-Comeback von Günther Fischer und Uschi Brüning gibt es im Vorverkaufsbüro der Börse Coswig, Hauptstraße 29, und online: www.boerse-coswig.de.