Hermann Glöckners berühmtes Sgraffito gibt es wieder in Radebeul

Radebeul/Dresden/Coswig. Es ist wohl in Dresden und Umgebung das schönste und aufwendigste Sgraffito, welches der Dresdner Maler Hermann Glöckner (1889-1987) 1955 geschaffen hat. Eine Laute, Masken, teils farbig in verschiedene aufeinanderliegende Putzschichten geschnitten, als der Putz frisch aufgetragen war. Diese Technik beherrschte Glöckner wie kaum ein anderer im Osten Deutschlands. Das AWD-Klubhaus des Arzneimittelwerks Dresden, vorher schon die Betriebsgaststätte und der Gasthof Krone der einstigen Besitzer, der Familie Madaus, hatte lange eine besondere Zierde.
Doch das Gebäude verfiel. Wasser drang auch in das Sgraffito ein. 2009 waren bereits zwei Drittel der Ornamente abgefallen. Zwar hatte Hausmeister Werner Mohn die Einzelteile aufgesammelt und fein säuberlich auf einem Tisch bewahrt. Doch weder die Madaus-Nachfolger noch die Stadt sahen sich in der Lage, das Kunstwerk zu bewahren. Kosten von 15.000 bis 30.000 Euro kursierten damals. Immerhin, der damalige Kulturamtsleiter und heutige Stadtgalerist Alexander Lange sorgte dafür, dass die Reste verwahrt wurden und ein Aufmaß des Sgraffitos noch vorhanden blieb.

Die Familie Madaus verkaufte den ruinösen Bau. Der neue und jetzige Besitzer Uwe Herrmann, welcher auch die gegenüberliegenden Gebäude der ehemaligen Madaus-Arzneimittelwerke bereits zu Wohnhäusern umgebaut hatte, sagte zumindest zu, das Sgraffito wieder herstellen zu lassen. Das zu tun, war obendrein Bestandteil der Baugenehmigung. Eventuell neu aus Gips, so der Besitzer der Firma Ventar damals. Und: Herrmann stand zu seinem Wort und Auftrag, sicher auch, weil das Sgraffito ein Schmuckstück seines Wohngebäudes am Turnerweg, Ecke Gartenstraße in Radebeul-Ost ist.
Herrmann kam mit der Denkmalschutzbehörde, Radebeuler und Dresdner Fachleuten 2019 überein, das Sgraffito wieder herstellen zu lassen. Der hiesige Fachmann für besondere Putzarbeiten ist Robert Bialek. Erste Überlegungen, die bewahrten Reste wiederzuverwenden, wurden allerdings verworfen. Sie waren voller Salz, die sichere Neuverwendung zu kostspielig. Schließlich entschied sich Bialek, gemeinsam mit den Kunstmalern, Grafikern und Restauratoren Reiner und Ekkehard Tischendorf ans Werk zu gehen.
Expertenhilfe der TU Dresden
Schon für die Grundlage des Sgraffitos musste enormer Aufwand betrieben werden. Geholfen haben dabei Experten der TU Dresden, das Institut für Baustoffe. Bialek: „So konnten wir eine Betonplatte entwickeln, die nur drei Zentimeter dick ist und den umlaufenden Rand mit integriert. Durch diese Randverstärkung in der Optik des alten Putzrahmens und entsprechender Karbonfaserstab-Bewehrung haben wir genug Steifigkeit und damit auch Transportfähigkeit erreichen können.“
Ein besonderer Schalungstisch wurde in der Werkstatt in Coswig gebaut. Die Betonplatte im April 2021 gegossen und wochenlang zur Aushärtung belassen. „Mittels einer gut nachvollziehbaren Dokumentation konnte der Aufbau der verschiedenfarbigen Putzlagen und der Duktus Hermann. Glöckners nachvollzogen werden“, schreibt Bialek ins Bautagebuch.

Vorlage aus der Fotothek
Vier Putzlagen und eine Haftbeschichtung auf dem Beton waren herzustellen. Haftschicht und Kalk-Zement-Unterputz bekamen genug Zeit, um zu abzubinden. Diese wurde in der Hauptsache durch die Restauratoren genutzt, um die zeichnerische Vorlage und die Lochpause auf Spezialkarton anzufertigen. Mit einem weitgehend verzerrungsfreien Bild der deutschen Fotothek konnte die Genauigkeit verfeinert werden. Die nahezu perfekte Lochpausvorlage zu erstellen, wurde zum Geduldsspiel und kostete noch einmal Zeit und Nerven. Putz- und Farbproben wurden erstellt und die Entscheidung fiel für einen besonderen Kalkmörtel der Firma Baumit, so die Notizen.
Am entscheidenden Tag musste dann alles in einem Fluss hergestellt werden. So wie es Hermann Glöckner 1955 getan hat - seine Kunst in frischem Putz, noch vor dem Aushärten, nicht zu weich und nicht zu fest, zu formen. Um 5 Uhr begannen die Arbeiten in der Werkstatt. Im Tagebuch des Handwerkers ist vermerkt, dass die drei farbig (rot, ocker-, sandfarben) eingestellten Putzlagen von jeweils etwa einem Zentimeter Dicke in freskaler Folge aufgetragen wurden. Absolute Exaktheit in Putzdicke, Ebenheit, Oberfläche und passender Abfolge waren erforderlich und haben Zeit bis zum Mittag in Anspruch genommen. „In altdeutscher Reibetechnik mit einem Holzbrett kommt die Oberfläche in ihrer Textur jetzt dem Original fast gleich“, schreibt er.
Bialek: „Gegen 15 Uhr war die Steifigkeit der Putzlagen groß genug, um die Lochpause auflegen zu können. Ganz traditionell mit Holzkohlepulver im Stoffsäckchen wurden die Konturen der Ornamentik auf den frischen Putz gepudert. Nun erschien schon einmal das Bild in voller Größe.“ Mit hoher Konzentration konnte nun entlang der Konturen geschnitten werden. Nach Vorlage jeweils bis in die obere oder bis in die mittlere Putzlage. Auf Schrägstellung der Kanten war zu achten und auf gewissenhaftes Abtragen der ausgeschnittenen Putze sowie auf gleichmäßiges Strukturieren der verbliebenen tiefer in zwei Ebenen liegenden Oberflächen. Zwischendurch immer wieder der Abgleich mit der Vorlage und den Originalteilen. „Ein grober Fehlschnitt und alle Arbeit war umsonst. So war es dann Mitternacht, als der letzte Handgriff getan war. Reiner und Ekkehard Tischendorf freuten sich mit mir ganz still über das augenscheinlich gelungene Werk.“

Ein Denkmal der Radebeuler
Nachbehandlung und Abbindezeit folgten. Edelstahlwinkel wurden von der Firma Robert Rudolph gefertigt. Die Radebeuler Metallbaufirma Große aus Kötzschenbroda half mit Kran und Rat, wie die etwa vier mal einen Meter große Platte mit dem Gewicht von 530 Kilogramm zu montieren ist. Genau am historischen Platz, an der Ostseite vom ehemaligen Klubhaus befindet sie sich wieder. Robert Bialek: „Gemeinsam mit den Beteiligten und Alexander Lange vom Kulturamt konnten wir mit einem Gläschen Sekt anstoßen.“
Großes Aufsehen haben Bialek und Herrmann um diese Leistung bisher nicht gemacht. Dabei prangt die schöne Arbeit am Turnerweg schon seit Wochen. Und die Radebeuler haben ein besonderes Denkmal wieder zurückbekommen.