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Der Mann, der das Elbland vor der Reblaus rettete

Die Reblaus war eine Katastrophe auch für die Radebeuler Winzer. Landwirtschaftsrat Carl Pfeiffer rettete sie. Im August vor 150 Jahren wurde er geboren.

Von Beate Erler
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Frank Sparbert von der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig vor der Hoflößnitz in Radebeul. Beim Thema Carl Pfeiffer kennt sich der Vorsitzende des Weinbauvereins gut aus.
Frank Sparbert von der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig vor der Hoflößnitz in Radebeul. Beim Thema Carl Pfeiffer kennt sich der Vorsitzende des Weinbauvereins gut aus. © Arvid Müller

Radebeul. Dass die Radebeuler Winzer jetzt gerade keine Trauben lesen könnten, hätte es Carl Pfeiffer nicht gegeben, würde Frank Sparbert nicht bestätigen. „Aber der Wiederaufbau des Weinbaus wäre vielleicht nicht so schnell und erfolgreich gegangen“, sagt er. Der Vorsitzende der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig und Hobbywinzer kennt sich mit Carl Pfeiffer gut aus. Vor Jahren hat er aus alten Unterlagen seines Großvaters alles Wichtige aus dem Leben des Landwirtschaftsrats und Önologen zusammengetragen, der für den Weinbau in Radebeul, im Elbland und eigentlich in ganz Sachsen so bedeutend war.

Am 17. August hätte Carl Pfeiffer seinen 150. Geburtstag gefeiert. Geboren wurde er 1872 in Schlesien und starb im Februar 1946 in Radebeul. An seinem Geburtstag versammelten sich die Mitglieder der Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig an seinem Grab auf dem Johannesfriedhof. „Er wollte so beigesetzt werden, dass er von seinem Grab auf den Weinberg schauen kann“, erzählt Frank Sparbert, der an diesem Tag eine würdigende Rede hielt.

Die Reblaus gelangte in den 1860er-Jahren aus Amerika nach Europa. In der Lößnitz wurde ihr Befall 1885 erstmals entdeckt. Die Reblaus gilt bis heute als bedeutender Schädling im Weinbau. Doch Carl Pfeiffer gab nicht nur der Reblaus die Schuld an der Katastrophe. „Ab 1886 hatte der sächsische Weinbau keine wirtschaftliche Bedeutung mehr“, zitiert Frank Sparbert aus seinen Unterlagen. Neben der Reblauskatastrophe habe auch der Mangel an Pflege, fehlende Technik und Führung und ein erlahmtes Interesse dazu geführt, dass nur noch wenige kleine und alte Weingärten ihre Existenz erhalten hätten, so Carl Pfeiffer damals.

So zum Beispiel am Johannisberg, der heute zur Weinbaugemeinschaft Radebeul-Zitzschewig gehört, und der nahe gelegene Eckberg in Niederlößnitz. Sie bildeten den Grundstock für den Erhalt des sächsischen Weinbaus, so Frank Sparbert. „Der Lößnitzweinbau hatte vor der Reblaus eine Fläche von 150 Hektar und um 1910 nur noch zehn Hektar“, beziffert er die Ausmaße der Katastrophe.

Das änderte sich ab 1912, als Carl Pfeiffer ein Angebot des Rebschulvereins Meißen bekam, wo er als Fachlehrer für Obst- und Weinbau arbeiten sollte. Er hatte eine Lehre als Gärtner mit dem Schwerpunkt Weinbau gemacht und Önologie studiert, einem Bereich der Weinproduktion. So hielt er 1912 vor dem Stadtrat in Meißen einen Vortrag über die Rekonstruktion der traditionellen Weinberge. Er empfahl eine sachgerechte Düngung und geringwertige durch neue Pflanzungen zu ersetzen.

Innerhalb von wenigen Jahren stieg der Ertrag immens. Zum Beispiel am Bahrmann'schen Weinberg in Diesbar-Seußlitz von sieben auf 54 Zentner Wein, so Frank Sparbert. Im Jahr 1913 gründete sich die Rebenveredlungsstation in der Hoflößnitz. Ab diesem Jahr rebten Carl Pfeiffer und die Winzer die Lößnitz mit der sogenannten Pfropfrebe wieder auf. Wie das funktionierte, erklärt Frank Sparbert. „Die reblausresistente amerikanische Wildrebe wurde mit einer europäischen Edelrebe gepfropft, also veredelt.“

Zwischen 1913 und 1916 entstanden so bedeutende Neupflanzungen, zum Beispiel bei Wackerbarths Ruh, am Minckwitzschen Weinberg in der Niederlößnitz und in Cossebaude. Außerdem erzielte man dank Carl Pfeiffer wiederum eine große Steigerung der Erträge. Schließlich zog er 1916 nach Radebeul und übernahm die Leitung der Rebenveredlungsstation bei der Hoflößnitz. Der Mann mit dem weißen Vollbart und der starken Brille war bei allen Winzern bekannt und er kannte alle Winzer. „Er war immer mit dem Fahrrad unterwegs und fuhr zu den Winzern und gab ihnen Ratschläge“, erzählt Frank Sparbert, der seit 13 Jahren Vorsitzender des Weinbauvereins ist.

In Spitzenzeiten kamen Waggonladungen mit bis zu 200.000 amerikanischen Unterlagsreben aus Preußen in Radebeul an. Im Frühjahr zur Veredlungszeit wurden Akkordveredler aus Dresdner Baumschulen nach Radebeul geholt, um die riesigen Mengen zu schaffen.

Die Liste der Verdienste von Carl Pfeiffer für den Radebeuler Weinbau ist lang. Frank Sparbert, der selbst einen kleinen Weinberg mit Müller-Thurgau, Kerner und Dornfelder hat, könnte noch viel mehr aufzählen. „Er hat 1938 die Sächsische Weinbaugenossenschaft gegründet und war der erste Geschäftsführer“, sagt der 78-Jährige. Die ist heute die Sächsische Winzergenossenschaft Meißen und sorgt nach wie vor für eine einheitlich gute Qualität der Weine.

Es gab eine Zeit in Radebeul, da mussten die Bauern ihren Weinbau aufgeben und stattdessen Erdbeeren und Pfirsiche anbauen. Bis Carl Pfeiffer kam. Er hat die Bauern und Winzer wieder zum Weinanbau motiviert, der bis heute Früchte trägt.