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Der jüngste Dampflokführer Deutschlands kommt aus Radebeul

Mit 20 Jahren weiß Kevin Richter schon jetzt, dass er bis zur eigenen Rente beim Lößnitzdackel bleiben will.

Von Beate Erler
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Mit nur 20 Jahren ist Kevin Richter der jüngste Dampflokführer der Lößnitzgrundbahn und vielleicht sogar in ganz Deutschland.
Mit nur 20 Jahren ist Kevin Richter der jüngste Dampflokführer der Lößnitzgrundbahn und vielleicht sogar in ganz Deutschland. © Arvid Müller

Es ist 19.45 Uhr und die Schicht hat gerade begonnen. Zwölf Stunden liegen vor Kevin Richter, die er allein auf dem Bahnhofsgelände in Radebeul Ost verbringen wird. Gerade sind noch ein paar Kollegen der Tagschicht da. Sie sitzen im Pausenraum oder duschen. Die lange Schicht mitten in der Nacht schreckt ihn nicht ab. "Bis Mitternacht ist es kein Problem sich wach zuhalten", sagt er, "schwierig ist es dann so gegen zwei bis drei Uhr."

Zuerst klettert er in den Führerstand der Lok, die gerade ihre letzte Fahrt für den Tag beendet hat. "Ich überprüfe zuerst, ob genug Wasser im Kessel ist und ob das Feuer an ist", sagt er. Die nächsten ruhigen Stunden wird er die Gleitlager der Lok mit Öl auffüllen. Das sind an die 100 Schmierstellen. Und dann heißt es vor allem, aufpassen, dass er nicht einschläft. "Das Feuer darf nicht ausgehen und ich muss regelmäßig Kohle nachlegen", sagt der 20-jährige gebürtige Dresdner.

Eigentlich darf man erst mit 21 Jahren als Dampflokführer arbeiten, sagt er. Seit dem ersten April ist er bei der Lößnitzgrundbahn mit einer Sondergenehmigung auch jetzt schon als Lokführer unterwegs. Die Kollegen vermuten deshalb stark, dass er momentan der jüngste Dampflokführer Deutschlands ist.

Lößnitzgrundbahn verjüngt sich

In diesem Jahr geht nach Volker Harz noch ein weiterer Kollege aus dem Lokfahrdienst bei der Lößnitzgrundbahn in Rente. "In den nächsten fünf Jahren kommen noch drei weitere Kollegen auf allen drei SDG-Bahnen hinzu, die aus dem Dienst ausscheiden", sagt SDG-Sprecherin, Kati Schmidt.

Neben Kevin Richter gibt es noch einen 23-jährigen Lokführer. Aktuell beschäftigt die Lößnitzgrundbahn acht Lokführer, die im Schnitt aber 45 Jahre alt sind. "Bei uns besteht die Schwierigkeit vor allem darin, dass es körperlich schwere Arbeit ist und Wochenend- und Feiertagsdienste kommen noch hinzu", sagt Kati Schmidt.

Dennoch rücken genug junge Leute nach. In der neunten Klasse bewerben sich Schüler als Praktikanten, die dann auch Ferienarbeit machen. Sie kann der SDG dann meist für eine Ausbildung zum Industriemechaniker mit anschließender Qualifizierung zum Heizer und Dampflokführer gewinnen, sagt Kati Schmidt. Der Dampflokführer habe den Bonus des Besonderen. "Wer kann schon von sich behaupten, täglich mit einer Dampflokomotive unterwegs zu sein."

Sieben Jahre bei der Parkeisenbahn

Bei Kevin Richter war das Interesse für die Eisenbahn schon immer da. Mit zwei Jahren hatte er seine erste Modelleisenbahn. In der vierten Klasse ging er zur Dresdner Parkeisenbahn. Dort war er sieben Jahre mit roter Mütze die Aufsicht an den Gleisen und der Zugführer. Für ihn kam auch immer nur ein Beruf infrage. Der des Dampflokführers. "Ich habe deshalb auch nur eine einzige Bewerbung geschrieben", sagt er. Das war 2018 und sie ging an die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft.

Die Ausbildung findet in Oberwiesenthal statt. Zuerst zum Industriemechaniker, dann 16 Belehrungsfahrten zum Heizer, ein Jahr Arbeit als Heizer und noch einmal 20 Fahrten mit einem Ausbilder. Dann war er Lokführer. Seine erste richtige Fahrt war Anfang April mit der Lößnitzgrundbahn und einer Lok aus dem Jahr 1927, die gerade auf Reserve steht. "Der Heizer, der mitgefahren ist, war auch erst 23 Jahre", sagt er und lacht, "die Leute haben sich wohl gefragt, wo der richtige Lokführer ist."

Die größte Kunst beim Dampflokfahren, ist das gleichmäßige Bremsen, sagt Kevin Richter. Und es gibt eine Stelle an der Pestalozzistraße, die so eng ist, dass er vor Mauern und Hecken kaum etwas sehen kann. Nach einer zwölf-Stunden-Schicht im Zug fällt er meist nur noch ins Bett. Als Lokführer muss er sich die ganze Zeit konzentrieren, als Heizer bis zu zwei Tonnen Kohle pro Dienst in den Ofen schaufeln und gerade im Sommer ist die Hitze unerträglich. "Da sind es schon mal 65 Grad im Führerstand", sagt er.

Trotzdem wollte er nie einen modernen Zug fahren. "Ich mag die alte Technik, bei der man sieht, wie sie funktioniert und auch selbst reparieren kann." Außerdem sind die Loks der Traditionsbahn eine absolute Seltenheit. Von der Lok aus dem Jahr 1927, die er an seinem ersten Arbeitstag gefahren ist, gibt es weltweit nur noch vier Stück, sagt Kevin Richter. Zwei davon fahren noch und eine davon mit ihm durch den Radebeuler Lößnitzgrund.