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Gabriele Krone-Schmalz hält in Radebeul ein Plädoyer für Frieden in der Ukraine

Die ehemalige ARD-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz war in Radebeul. Und der Bahnhofssaal bis zum letzten Platz gefüllt.

Von Peter Redlich
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Eine gefragte Buchautorin – Gabriele Krone-Schmalz signiert nach dem Vortrag im Bahnhof Radebeul-Ost ihre Bücher für die Besucher der Veranstaltung. Die Bücher wurden von der hiesigen Buchhandlung von Ute Sauermann mitgebracht.
Eine gefragte Buchautorin – Gabriele Krone-Schmalz signiert nach dem Vortrag im Bahnhof Radebeul-Ost ihre Bücher für die Besucher der Veranstaltung. Die Bücher wurden von der hiesigen Buchhandlung von Ute Sauermann mitgebracht. © Peter Redlich

Radebeul. Ihre markante Frisur hat sie noch. Nur, dass er jetzt ganz weiß ist, der Pony mit der scharfen Spitze. Gabriele Krone-Schmalz, den meisten Menschen als ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau bekannt, war am Dienstagabend auf Einladung der Volkshochschule (VHS) im Landkreis Meißen in Radebeul. So scharf und treffend wie die Ponyspitze zu formulieren, das hat sie nicht nur nicht verlernt, sondern eher verfeinert.

Auf diese kleine zierliche Frau sind offenbar sehr viele gespannt. “Als wir die Veranstaltung im Programm ankündigten, war sie binnen kürzester Zeit ausverkauft”, sagt René Gubsch, Geschäftsführer der VHS. Weitere 80 Personen standen auf der Warteliste. Der Bahnhofssaal in Radebeul-Ost mit reichlich 100 Plätzen bis zur erlaubten Grenze brechend voll. Einige Menschen harrten sogar im Regen aus, um noch einen Platz bekommen, was schließlich von den VHS-Frauen um Heidi Mammitzsch mit Zusatzstühlen aus der Bibliothek bewerkstelligt wurde. Die Mitte der Gesellschaft war gekommen – Handwerker, Arzt, Unternehmer, Hausfrauen, Rentner.

Kein Widerhall aus dem Westen

Sie waren alle gespannt, was ihnen die “Putin-Versteherin”, wie die promovierte Journalistin und Buchautorin Krone-Schmalz in den letzten Jahren tituliert wurde, zum Thema “Russland – und wie weiter?” zu sagen hatte. Die studierte Geschichts- und Politikwissenschaftlerin mit Professorentitel betonte gleich zu Beginn, was ihr bei allem Diskurs und Disput wichtig ist: Den Gang der Ereignisse zu verstehen, die Vorgeschichte und die aktuelle Geschichte zu kennen, bedeute nicht, Verständnis zu haben. Den Krieg von Russland gegen die Ukraine nennt sie ein Verbrechen. “Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Krieg. Punkt. Doch wer Gegenwärtiges verstehen will, muss Vergangenes wenigstens ansatzweise kennen.”

Und: Wer Frieden zwischen der Ukraine und Russland, wenigstens erst einmal einen Waffenstillstand wolle, der müsse mit Diplomatie dort ansetzen, wo sich alle Beteiligten wiederfinden, sagt sie und verweist auf die Bemühungen und Friedenspläne von Diplomaten im Auftrag von Regierungen aus Brasilien, Afrika und China, die nach Kiew und Moskau reisen. Allerdings ohne vom Westen Europas und den USA bislang ernsthaften Widerhall zu bekommen.

Nur die Rüstungsindustrie profitiert

Gabriele Krone-Schmalz hat Osteuropa und die Slawen studiert, nicht nur an der Universität, sondern auch in deren Leben und Politik. Also taucht sie in ihrem Vortrag ein in die Abläufe bis zu 150 Jahre rückwärts. Sie benennt die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in der Ukraine mit den immer wieder aufflammenden Machtkämpfen und dem seit mindestens schon acht Jahre währenden internen Krieg von Kiew gegen die Abtrünnigen im Donezk-Gebiet mit bis zu 14.000 toten Zivilisten. Sie erinnert an die Krim-Geschichte. Die Halbinsel im Schwarzen Meer, die bereits vom Völkerbund, dem Vorreiter der UNO, als autonomes Gebiet unter der Verwaltung der Sowjetunion einst anerkannt wurde. Und auf der zu Beginn der 1990er-Jahre über 90 Prozent der Bewohner für eine Zugehörigkeit zu Russland stimmten. Noch in Gorbatschow- und Perestroika-Zeiten.

Warum solle so etwas nicht heute als Friedensangebot, ähnlich dem Saarland nach dem Ersten Weltkrieg, möglich sein, fragt Krone-Schmalz. Nach einer Übergangszeit könnte eine erneute Abstimmung unter UNO-Beobachtung unter der Bevölkerung stattfinden, setzt sie nur das hinzu, was andere auch schon als Friedensvorschlag gebracht haben, von Kiew allerdings kategorisch abgelehnt wurde.

Die Journalistin spricht von Zeiten im Frühjahr und Sommer 2022, als es Friedensbemühungen und die Chance auf ein Ruhen der Waffen gab, dies aber beispielsweise durch ein Dekret im ukrainischen Parlament kategorisch abgelehnt wurde. Und sie erinnert an die Warnungen und Analysen hochrangiger Militärs, die zu dem Schluss kommen, dass ein Sieg der Ukraine über Russland zweifelhaft bis ausgeschlossen sei. Einen Abnutzungskrieg, wie er derzeit bezeichnet werde, benennt Krone-Schmalz als etwas Unerträgliches, bei dem wie in Bachmut die Soldaten verheizt würden und lediglich Rüstungsfirmen im militärisch-industriellen Komplex ein größeres Geschäft machen könnten.

Gabriele Krone-Schmalz beim Sommerfest der Volksbank Pirna im Jahr 2019.
Gabriele Krone-Schmalz beim Sommerfest der Volksbank Pirna im Jahr 2019. © Daniel Förster

Ab wann besteht eine deutsche Kriegsbeteiligung?

Sie geht auch auf die Rolle der Deutschen ein. “Wo um Himmels willen sind wir da gelandet? Und wie kommen wir da wieder heraus?”, fragt sie in die betroffen zuhörende Runde. Taurus-Mittelstrecken-Raketen zu liefern, würde bedeuten, dass deutsche Soldaten die Geodaten bereitstellen müssten, wohin diese Raketen geschossen werden sollen – möglich bis zu 500 Kilometer weit in russisches Gebiet, beruft sich die Journalistin auf Aussagen von Militärs.

Der wissenschaftliche Rat des Bundestages habe bereits im vorigen Jahr festgestellt, dass eine Kriegsbeteiligung bereits dann bestehe, wenn ukrainische Soldaten in Deutschland ausgebildet würden. Sie wünschte sich, dass sich junge Menschen mit gleicher Kraft wie für eine Klimawende für den Frieden einsetzten. Dass die sogenannte schweigende Mehrheit – ähnlich wie 1989 – aktiv auf der Straße für Frieden eintreten würde. Sie bekommt dafür von den bislang still Zuhörenden Zwischenapplaus.

Mit einer Flasche Wein verabschiedet

Anderthalb Stunden hat Gabriele Krone-Schmalz gesprochen und alle haben begierig gelauscht, um Hintergründe zu erfahren, bis dann die Fragehalbestunde vom Moderator Thomas Bürger eröffnet wurde. Zum Beispiel warum sie und auch die Sachsen vor allem im Westen Deutschlands immer wieder als “Russland- oder Putin-Versteher” abgekanzelt würden. “Ich wollte und will wissen, was dort wirklich passiert, bin im Kalten Krieg aufgewachsen und kenne auch das, was im Irak und im ehemaligen Jugoslawien geschehen ist und denke, dass darüber mit gleicher Vehemenz berichtet werden sollte”, antwortet Krone-Schmalz. Weil das kaum geschehe, hätten Politik und Medien in Deutschland gelitten. In einer solchen Situation biete sich freies Feld für Rattenfänger, warnt sie.

Sie wünsche sich, dass Erfahrungshintergründe von West- und Ostdeutschen nicht nur respektiert, sondern auch genutzt würden. Wir sollten die Langlebigkeit von Feindbildern in Ost und West nicht unterschätzen, sagt die 73-jährige erfahrene Frau, die schließlich mit einem langen Beifall und einer Flasche hiesigem Wein verabschiedet wird.

Info/Kontakt: Wer die Veranstaltung verpasst hat, kann auf Youtube einen Mitschnitt von der Volkshochschule Reutlingen mit Gabriele Krone-Schmalz zum gleichen Thema finden. Der Vortrag wurde von Historikern kritisch rezipiert.

www.krone-schmalz.de