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„Radfahrer gehören auf die Straße“

Die Stadt Bautzen holt die Radler an der Steinstraße zurück auf den Gehweg. Das muss eine Ausnahme bleiben, meint der ADFC.

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© Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Radfahrer in Bautzen sind unzufrieden und fühlen sich nicht sicher. Das geht aus einer Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) hervor. Mehr als 200 Bautzener nahmen vor einem Jahr an der Umfrage teil und gaben ihrer Stadt für die Fahrradfreundlichkeit insgesamt nur die Schulnote Vier. Von einem Alarmsignal sprach Martin Ritscher vom ADFC in Bautzen damals. Im SZ-Interview erklärt er, was die Stadt seither für die Radfahrer unternommen hat und warum einige Probleme nur die Zeit lösen kann.

Martin Ritscher ist Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs in Bautzen.
Martin Ritscher ist Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs in Bautzen. © Robert Michalk

Herr Ritscher, die Stadt Bautzen hat die Radfahrer an vielen Stellen im Stadtgebiet vom Fußweg auf die Straße geholt. War das der richtige Weg?

Ja, das war richtig. Ich weiß, dass sich viele auf Hochbord-Radwegen – also auf einem Streifen auf dem Fußweg – sicher fühlen. Das sind sie aber nicht. Mehrere Untersuchungen haben bereits ergeben, dass es bei Hochbord-Radwegen zu deutlich mehr Unfällen kommt, als wenn der Radfahrer auf der Fahrbahn mitfährt. Probleme entstehen an jeder Kreuzung, an jeder Grundstücksauffahrt. Auch in Bautzen ist das so. Ich erinnere mich zum Beispiel an den schlimmen Unfall vor zwei Jahren an der Kreuzung Löbauer Straße/ Wallstraße. Dort wurde eine Radfahrerin von einem rechts abbiegenden Auto erfasst. Die Radfahrerin überlebte den Unfall nicht.

Beliebt sind die Radstreifen auf der Fahrbahn dennoch nicht. Vor allem an der Steinstraße sorgt die Regelung von Anfang an für viel Kritik. Dort rudert die Stadt sogar wieder zurück …

Das stimmt. Die Steinstraße ist wirklich sehr eng. Außerdem benutzen viele Autofahrer den Schutzstreifen, der eigentlich für die Radfahrer vorgesehen ist. Künftig dürfen die Radfahrer bergauf, also auf der Seite, wo sich unter anderem das Steinhaus befindet, wieder den rot markierten Radstreifen auf dem Fußweg nutzen. Auf der anderen Straßenseite wird der auf der Fahrbahn markierte Schutzstreifen vergrößert. Viele Bautzener wird das freuen, schließlich war die Situation auf der Steinstraße ein großer Kritikpunkt in der Umfrage. Und vielleicht funktioniert es mit der neuen Regelung tatsächlich etwas besser.

Überzeugt sind Sie davon aber nicht.
Nicht wirklich. Das Beste wäre, wenn man die komplette Steinstraße umbauen würde. Die alten Radwege müssten weg, der Fußweg schmaler und die Radstreifen auf der Straße breiter werden. Doch das ist eine Utopie. Der Umbau wäre enorm teuer. Das kann man niemanden erklären.

Also gibt es gar keine gute Lösung für die Steinstraße?

Man könnte die Steinstraße zur Einbahnstraße erklären (lacht). Nein, im ernst, dafür gibt es keine gute Lösung. Ich befürchte, dass die neue Regelung die Autofahrer verunsichern wird, weil sie nicht mehr wissen, ob die Radfahrer auf der Straße oder dem Gehweg fahren müssen. Vielleicht hupen dann einige, wenn sie Radfahrer auf der Straße sehen. Das Problem ist, dass man den Autofahrern lange das Gefühl gegeben hat, ihnen allein gehört die Straße. Nun muss ein Umdenken erfolgen.

Nicht nur die Situation auf der Steinstraße hat für schlechte Noten gesorgt. Was kann die Stadt tun, damit sich die Radfahrer wohler fühlen?

Zunächst muss man sagen, dass sich die Stadtverwaltung schon bemüht, für die Radfahrer sinnvolle Lösungen zu finden. Bestes Beispiel ist die Wallstraße. Dort hat die Stadt den breiten Fußweg zurückgebaut und einen Schutzstreifen auf der Fahrbahn angelegt. Das funktioniert ohne Probleme. Mit dem Umbau der Schilleranlagen geht es auch dort gut weiter.

Also haben Sie keine Wünsche mehr?

Doch, natürlich. Die alten Radwege am Ziegelwall und an der Muskauer Straße stadteinwärts sind in einem schlechten Zustand. Trotzdem muss man sie als Radfahrer benutzen. Diese Pflicht könnte die Stadt aufheben. Auf der Straße fährt es sich dort mit dem Fahrrad besser. Es wäre auch in Hinblick darauf sinnvoll, dass dann an vielen Stellen in der Stadt dieselbe Regel gilt und sich Rad- und Autofahrer darauf einstellen können. Und noch einen Wunsch habe ich.

Und der wäre?

Die Stadtverwaltung wirbt zu wenig für das Radfahren. Bautzen hat in diesem Bereich Potenzial, das nicht ausgeschöpft wird. Zwar fahren schon viele Bautzener mit dem Rad, aber es könnten viel mehr sein. Mir fehlt bei vielen Debatten die Sicht der Radfahrer. Bei der Diskussion um die Brötchentaste muss man zum Beispiel auch darüber sprechen, dass mehr Verkehr in der Stadt für die Radfahrer zum Problem wird.

Gespräch: Marleen Hollenbach