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Rätsel um abgeknickten Flügel

Die Ursache für den Schaden ist noch unklar. Kann sich so eine Havarie wiederholen?

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© Claudia Hübschmann

Von Dieter Hanke

Nossen. Wie amputiert sieht jetzt ein Windrad auf Mahlitzscher Flur nahe der Bundesstraße 101 bei Nossen aus. Ein Flügel ist gebrochen. Etwa zwei Drittel des 44 Meter langen Rotorblattes hängen herab, wurden in 100 Metern Höhe notdürftig befestigt. „Es hat nachts furchtbar gekracht“, sagte die Wendischboraerin Heike Block. „Am Morgen haben wir dann aus dem Küchenfenster das geknickte Windrad gesehen“, sagt die Einwohnerin zu dem Unglück vor einigen Tagen.

Das beschädigte Windrad gehört zum Windpark Heynitz bei Nossen nahe der Bundesstraße 101. Vor über zehn Jahren wurden dort vom Unternehmen Ventotec aus Ostfriesland mehr als 15 Anlagen aufgestellt. Die technische Betriebsführung des Windparks hat das Unternehmen Breeze Four Energy GmbH & Co KG in Leer (Ostfriesland). Dort zeigt man sich bedeckt, was das havarierte Windrad anbelangt. „Wir haben die Unglücksstelle abgesperrt, ebenso die Zufahrt. Ein Wachdienst sieht nach dem Rechten“, sagte auf SZ-Nachfrage ein Mitarbeiter, der für den Heynitzer Windpark mit zuständig ist. Eine Gefahr für Anwohner sei ausgeschlossen.

Im Frühjahr wolle die Bressze Four Energy GmbH mit einem Kran den geknickten Windrad-Flügel demontieren, um Aufschluss über das Unglück zu erhalten. Nach möglichen Ursachen befragt, legte sich das Unternehmen derzeit nicht fest. „Das werden Gutachter nach der Bergung des Flügels ermitteln. Alles andere sind nur Spekulationen“, sagte der Mitarbeiter aus diesem ostfriesischen Betrieb.

Doch bis dahin wird wohl das gerupfte Windrad noch mancherlei Gesprächsstoff bieten. Wendischboraer und Mahlitzscher Einwohner erinnern sich jetzt auch an einen früheren Vorfall in diesem Windpark. Dort hatte es 2002 einen Brand im Maschinenhaus einer Ventotec-Anlage in 80 Metern Höhe gegeben. Ein Schaden von 250 000 Euro war entstanden. Ein technischer Defekt sei die Ursache gewesen, hatten damals dänische Experten festgestellt.

„Wir Einwohner haben schon die ganzen Jahre über genug Ärger mit den Windkraftanlagen in Mahlitzsch und Wendischbora. Lärmbelästigung und Schlagschatten beeinträchtigen unsere Lebensqualität. Da haben wir auch ein Recht, schnell zu erfahren, wieso es jetzt zu dieser Havarie mit dem geknickten Windrad kam“, sagte Heike Block, die seit 34 Jahren in Wendischbora wohnt.

Auch Jürgen Holzmüller ist der Ansicht, dass alle Fakten zu diesem Unglück auf den Tisch kommen. Der 54-Jährige aus Aurich in Niedersachsen ist öffentlich bestellter Sachverständiger von Windenergieanlagen und deren Bewertung. „Die Sache mit dem abgeknickten Flügel im Windpark Heynitz ist mir bekannt“, sagte er. Er selbst habe hier nicht den Auftrag zur Schadensermittlung bekommen, könne aber aus seiner Erfahrung heraus seinen Standpunkt dazu darlegen. In Deutschland würde es derzeit insgesamt etwa 23 000 Windkraftanlagen geben. Das sind alles in allem 69 000 Rotorblätter. „Im Jahr kommen an die zehn Fälle vor, wo Flügel geknickt werden oder auch abgestürzt sind“, so Holzmüller, der hier eigene statistische Erhebungen vornimmt. Trotz regelmäßiger technischer Überprüfungen der Windkraftanlagen seien solche Vorfälle nicht gänzlich auszuschließen.

Im Fall des Mahlitzscher Windrades könnten verschiedene Ursachen zum Abknicken des Flügels geführt haben. Holzmüller verweist auf extreme Sturmböen, ein Zusammenstoß mit einem Flugkörper könnte ebenso diese Havarie ausgelöst haben. „Auch Material- oder Fertigungsfehler beim Bau des Flügels wären mögliche Ursachen“, so der Gutachter. Die Untersuchung werde genaue Erkenntnisse bringen.

Wie Holzmüller sagte, bestehe das Rotorblatt aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) und wird aus mehreren Bauteilen zusammengeklebt. „Fehler könnten bei der Verklebung oder im Material aufgetreten sein“, so der Gutachter.