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Rätsel um ein altes Landschaftsbild

Eine Zittauer Familie besitzt eine Malerei und hat sich gefragt, ob sie von dem berühmten Gerhard Richter stammt.

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© Repro: Thomas Eichler

Von Silvia Stengel

Es ist ein schönes Landschaftsbild: der Weinauteich bei Zittau, im Hintergrund Kleinschönau mit einer Kirche, heute Sieniawka in Polen. Die Malerei entstand 1948, auch das ist auf dem Bild zu sehen. Es gehört einer Zittauer Familie. Und die fragt sich seit Längerem: War es der berühmte Gerhard Richter, der dieses Bild als junger Mann gemalt hat?

Denn unten rechts ist das Werk mit „G. Richter“ signiert. So abwegig ist die Frage der Familie nicht. Der Maler war damals 16 Jahre und hat in der Region gelebt. Er wurde zwar in Dresden geboren, wuchs aber in Reichenau und Waltersdorf bei Zittau auf. Sieniawka ist heute eine Ortschaft der Gemeinde Bogatynia, die damals Reichenau hieß. Der Vater hatte in Reichenau als Lehrer gearbeitet. Als die Familie nach dem Krieg das Land verlassen musste, zog sie nach Waltersdorf. Gerhard Richter ließ sich später in Zittau nieder. 1948 beendete er dort die höhere Handelsschule mit der mittleren Reife und wurde zum Schriften- und Bühnenmaler ausgebildet. 1951 ging er zum Kunststudium nach Dresden.

Wenn Gerhard Richter das Bild gemalt hat, würden sich die Besitzer natürlich freuen. Es könnte auch einiges wert sein, schließlich werden Richters Bilder wie eine „Kerze“ heute für mehrere Millionen Euro verkauft. Er selbst findet solche Preise allerdings „absurd“. Der Maler wird gerade wieder überall gewürdigt, erst kürzlich mit einer Ausstellung in Köln, wo er jetzt lebt, zurzeit mit einer Schau bei den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Die Präsentation mit dem Titel „Neue Bilder“ ist anlässlich seines 85. Geburtstages entstanden und wird noch bis zum 27. August im Albertinum gezeigt.

Doch die Zittauer Familie hat schon einen Dämpfer erhalten. Sie schrieb dem Maler einen Brief, schickte eine Kopie des Landschaftsbildes mit und fragte, ob es von ihm sei. Immerhin antwortete er. In seinem Brief steht aber: „Ich kann Ihnen nur mitteilen, daß das Bild mit Sicherheit nicht von mir gemalt wurde. Dies mit freundlichen Grüßen“ in Druckbuchstaben und der handgeschriebenen Unterschrift „G. Richter“. Das „G“ sieht anders aus als die Signatur auf dem Bild, es liegen aber auch 68 Jahre dazwischen.

Außerdem will Gerhard Richter mit manchem früheren Werk nichts mehr zu tun haben. Ende Februar 1961 flohen er und seine Frau über West-Berlin nach Westdeutschland. Als sein zuvor geschaffenes Wandbild im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden mit dem Titel „Lebensfreude“ in den 1990er-Jahren freigelegt werden sollte, hat er das verhindert. Richter fand es zu schlecht. Er hat auch etliche seiner ersten Werke den Flammen übergeben. So hielt sein frühes, abstraktes Schaffen im Westen seinen Ansprüchen nicht stand, er verbrannte es.

Wie das mit seinen Werken aus der Zittauer Zeit aussieht und ob er vielleicht schlechte Erinnerungen an die Stadt hat, ist fraglich. Da gibt es manche Anekdote. So sollte er als Bühnenmaler im Zittauer Theater die Treppen anstreichen. Eine solche vermeintlich einfache Aufgabe war wohl nichts für einen künstlerisch orientierten Menschen. Also ging er – im Streit. Seltsam ist seine Aussage in einem SZ-Interview im Jahr 2000. Auf die Frage, ob er mal wieder in Zittau war, antwortet Gerhard Richter „Nein, nie. Zittau würde ich gerne mal besuchen. Ist das in Polen?“

Immerhin hatte er einige künstlerische Berührungen in der Oberlausitz. Mit dem Zittauer Kunstmaler Hans Lillig (1894 – 1977) verband ihn „seine erste persönliche Begegnung mit einem Künstler“. So steht es in einer Ausgabe der Zittauer Geschichtsblätter über Hans Lillig. Diese Begegnung bot Richter auch die Gelegenheit, „einige seiner Zeichnungen einem Kollegen zur Begutachtung vorzulegen“, schreibt Dietmar Elger, der das Gerhard- Richter-Archiv in Dresden leitet. Er war Assistent bei Richter und erforscht nun weiter das Leben und Werk des Malers.

Die Zittauer Familie nimmt sogar an, dass es noch mehr Menschen in der Oberlausitz gibt, die ein Bild von Gerhard Richter von früher besitzen. Nach dem Krieg habe er vielleicht manches Werk auch gegen etwas zu essen getauscht.

Eine Anfrage der SZ im Gerhard-Richter-Archiv in Dresden bestätigt jedoch die Antwort des Malers. „Wenn Herr Richter zu dem Bild aber bereits die eindeutige Aussage getroffen hat, dass das Bild nicht von ihm ist, dann ist es auch so“, antwortet Dietmar Elger. „Sie können aber gerne eine Abbildung senden.“ Die hat er inzwischen per E-Mail bekommen. Danach war er sich sicher: „Die mitgesandte Abbildung zeigt auf gar keinen Fall ein Werk von Gerhard Richter.“ Die Zittauer Familie wäre auch nach Dresden gefahren und hätte ihm das Original gezeigt, aber das ist nun wohl nicht mehr nötig.

Doch wer soll der Maler sein, der das Werk mit „G. Richter“ signiert hat? Aus der Region ist der Zittauer Familie kein weiterer Künstler bekannt, der so hieß. Sie hat schon selber recherchiert und sich in Künstlerkreisen umgehört. Die hätten gesagt: „Es gibt keinen anderen G. Richter, der in Zittau gemalt hat.“ In den Zittauer Geschichtsblättern steht noch eine besondere Begebenheit. Hans Lillig habe Gerhard Richter geraten, seinen Namen zu ändern. Richter gebe es viele. Er soll sich doch Gerd Waltersdorf nennen. Das wollte Richter aber nicht. Ob damals generell viele Menschen Richter hießen oder ob es noch einen anderen Künstler mit demselben Namen in der Region gab, ist offen.

Die Familie würde sich jedenfalls freuen, wenn sie mehr darüber erfährt. Egal, ob der berühmte Gerhard Richter das Bild gemalt hat oder ein anderer. Sie hat viel Freude damit und will es eh nicht verkaufen: „Es bleibt in Familienbesitz.“

Wer kennt dieses Bild? Oder wer kennt ähnliche Malereien aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg? Wer kennt noch einen Maler, der seine Werke mit „G. Richter“ signiert hat? Die SZ begibt sich auf Spurensuche. Wer helfen kann, meldet sich bitte bei Silvia Stengel: Telefon 03581 47105267 oder per Post: Sächsische Zeitung, Lausitzredaktion, City-Center Frauentor, An der Frauenkirche 12, 02826 Görlitz oder per E-Mail: [email protected]