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Rätselhafte Immobilien-Geschäfte

Nach einem Jahr soll eine marode Fabrik für den doppelten Preis verkauft werden. Was steckt hinter solchen Deals

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© Archiv/Matthias Weber

Von Anja Beutler

Berthelsdorf. Die Sache mit der Berthelsdorfer Fabrikruine hat irgendwie ein Geschmäckle: Seit Jahren bröselt das einst stolze Gebäude vor sich hin, mehrere Besitzer – darunter Briten – gab es schon. Die einen ließen die Marx’ Fabrik zerfallen, die anderen schlachteten das Gebäude aus, nahmen jegliches Metall mit. Etwas Zukunftsweisendes gab es bislang nicht. Auch vor einem Jahr nicht, als Marx‘ Fabrik samt der 13 600 Quadratmeter Grundstücksfläche bei einer Auktion in Dresden den Besitzer wechselte. Als Mindestgebot waren damals 1 000 Euro angesetzt – die Hälfte von dem, was die Briten einst noch gezahlt hatten. Das die Fabrik am Ende für 32 500 Euro verkauft wurde, versetzte in Herrnhut viele in Erstaunen und weckte auch Hoffnungen.

Doch die wurden enttäuscht, denn getan hat sich wieder nichts. Im Gegenteil: Der Eigentümer, eine Weißenfels Immobilien GmbH hat die Fabrik auf der Internetplattform immowelt.de nun zum Verkauf eingestellt: für inzwischen 60 000 Euro. Eine eigene Homepage hat das Unternehmen nicht, es finden sich bei Immowelt.de aber weitere Angebote, darunter eine ehemalige Holzfabrik in der hessischen Provinz und ein Mehrfamilienhaus in Zeitz. Warum das Unternehmen aus der Stadt südwestlich von Leipzig die Fabrik gekauft hat, bleibt unklar, bei der Stadt Herrnhut sind die aktuellen Besitzer jedenfalls nicht mit Plänen oder Visionen vorstellig geworden.

Warum die Industriebrache sich im Preis nun beinahe verdoppelt haben soll, bleibt rätselhaft. Viel Verhandlungsspielraum beim Preis sieht das Weißenfelser Unternehmen nach SZ-Informationen nicht. Möglich sei auf dem großen Grundstück ja vieles, auch wenn die Fabrik marode sei, es gebe ja keinen Denkmalschutz.

Das kann die Herrnhuter Bauamtsleiterin Ute Hähnel nicht bestätigen. Ihren Informationen nach stehe der Bau aus dem Jahr 1910 mit den markanten großen Fenstern sehr wohl unter Denkmalschutz. Frau Hähnel selbst hat wenig Hoffnung auf einen glücklichen Zufall bei der Fabrik. „Viele Anwohner fragen uns immer, ob wir da nichts tun können. Aber wir kommen an solche Gebäude tatsächlich nicht so einfach ran“, sagt sie. Warum das so ist und wie oft solche – mutmaßlichen Spekulationen mit alten Industriegebäuden noch vorkommen – hier in einem Überblick:

Bringt es Vorteile, solche Immobilien aufzukaufen – ohne ein Vorhaben?

Marode Häuser kaufen, um Steuern zu sparen? „Das war einmal“, ist sich Professorin Bettina Lange, Leiterin der Studienrichtung Immobilienwirtschaft an der Berufsakademie Sachsen in Leipzig, sicher. Denn Änderungen beim Steuerrecht haben solchen Modellen deutliche Grenzen gesetzt. Außerdem, so sagt sie, müsste man ja in die Immobilien investieren, um dann Baukosten oder auch ausbleibende Mieten steuerlich geltend zu machen. Abschreiben könnten Eigentümer lediglich die Anschaffungskosten einer Immobilie – über Jahre hinweg. „Dabei zählt nicht der tatsächliche Wert, sondern die Anschaffungskosten“, erklärt sie. Die Professorin hält aber auch dieses Argument für wenig sinnvoll. „Sie haben ja auch Kosten für Sicherung und Versicherung des Gebäudes, Zinsen und Steuern“, sagt sie. Und noch etwas komme hinzu: Das Risiko, bei einem wirtschaftlichen Engpass der Firma mit der Immobilie keinen echten Wert zum Verkaufen zu besitzen. „Der einzig sinnvolle Grund, solch eine Fabrik zu kaufen ist, dass man auf steigende Nachfrage hofft“, sagt Frau Lange. In der Tat sind laut Grundstücksauktionen AG solche Immobilien in der Nähe von Leipzig oder Dresden sehr begehrt. Und mancher Investor, der den Markt nicht genau kennt, meint dann, in der Nähe der boomenden Städte ein Schnäppchen zu kaufen.

Was können Städte und Gemeinden gegen zweifelhafte Investoren tun?

Das Instrumentarium ist beschränkt – immerhin ist Privateigentum im Grundgesetz in Artikel 14 speziell geschützt. Bernd Noack, Beigeordneter der Stadt Ebersbach-Neugersdorf, sieht deshalb auch nur wenige Möglichkeiten, in heiklen Fällen einzugreifen: „Wenn der Eigentümer seinen Pflichten nicht mehr nachkommt, keine Steuern bezahlt oder das Gebäude eine Gefahr für die Sicherheit aller ist, dann kann die Stadt handeln“, sagt er. Sind dann genügend Außenstände zusammengekommen, kann die Zwangsversteigerung eingeleitet werden. Allerdings heißt das auch dann nicht, dass die Kommune – beispielsweise für einen Abriss – das fragliche Objekt ersteigern kann. „Es kann ja noch ein Interessent bieten und wir als Kommune haben keine Kriegskasse“, macht Noack deutlich. Und auch der Weg der Zwangsversteigerung dauere selbst bei bestem Verlauf lange: „Wir hatten einen solchen Fall bei der Bewa in Waltersdorf“, schildert Großschönaus Bürgermeister Frank Peuker (SPD). Dort sei man eisern dran geblieben und hatte die Immobilie nach drei Jahren Verfahren im Besitz, sodass sie langsam aus dem Ortsbild verschwinden konnte. Auch Peuker sieht in der Zwangsversteigerung oder im Mitbieten bei anstehenden Verkäufen eine Chance für die Kommunen, Schandflecke wegzubekommen.

Er selbst hat seit den 90er Jahren einiger solcher Fälle mit zum Teil schillernden Investoren erlebt – darunter waren Deutsch-Venezulaner, Freifrauen oder irische Hedgefonds. „Es gab ein regelrechtes Glücksrittertum, aber das ist seltener geworden“, sagt Peuker. Das Vorkaufsrecht, das einer Gemeinde in einigen Fällen zusteht, sei eher ein zahnloser Tiger, stimmt er mit Bernd Noack überein. Und auch die Möglichkeit, die Zittau jetzt nutzen will, mit Bebauungsplan und Veränderungssperre für sein Armeegebiet Spekulanten abzuschrecken, funktioniere eben nur, wenn es konkrete Pläne für die Entwicklung eines solchen Areals gebe, betonen beide.