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Rasenmähen im Schildkröten-Gang

Mit neuem Traktor und Schlegelmäher will die SDG den Wildwuchs in Zittau schneller beseitigen. Die SZ ist mitgefahren.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Die digitale Anzeige des Tachometers zeigt 3,8 Stundenkilometer an. Ich steuere den Traktor über die Wiese auf dem Martin-Wehnert-Platz. Der Fahrersitz ist bequem und die niedrige Geschwindigkeit erlaubt mir, einen Blick in die Umgebung zu werfen. Vier Radfahrer rollen vorüber und beobachten mein Tun. Der 55 PS starke Diesel ist nicht zu überhören, aber nicht nur deshalb zieht der blaue Traktor die Blicke auf sich. Er ist nagelneu. Die Karosserie glänzt in der Mittagssonne. Erst seit vergangener Woche ist der Neue bei der Städtischen Dienstleistungsgesellschaft (SDG) im Einsatz.

Gärtnerin Annett Teichmann fährt den Neuen im Alltag.
Gärtnerin Annett Teichmann fährt den Neuen im Alltag. © Matthias Weber

Vor mir steht die Herausforderung. Kniehohes Gras. Schon nach den ersten Metern Mahd wird klar: Das ist überhaupt kein Problem für den neuen Traktor und angehängten Schlegelmäher „Peruzzo Koala 1600“ mit Hochentleerung. Im Rückspiegel sehe ich gepflegten Rasen, dessen Grashalme nur noch wenige Zentimeter lang sind. Spatzen hüpfen nach der Mahd über den grünen Stoppelteppich auf der Suche nach Essbarem.

In mir steigt eine Freude auf, die ich nicht erklären kann. Robuste Technik wie Lkw, Traktor, Bagger, Motorboot, Lokomotive oder Panzer lassen Männerherzen eben höher schlagen. Erst recht, wenn man ohne Computerspiele mit einem Metallbaukasten und einer Eisenbahnplatte (Spur TT) aufgewachsen ist. Konzentriert ziehe ich eine Bahn, immer eine Reifenbreite über der bereits gemähten Spur. Einer der vielen Schalthebel steht auf „Schildkröte“. Das ist schneller als „Schnecke“ und langsamer als „Hase“, sozusagen mittlere Arbeitsgeschwindigkeit. Am Ende der Bahn steigert sich die Freude am Fahren noch einmal, denn der Traktor erweist sich als sehr wendig. Nach einem geschmeidigen Wendemanöver geht es wieder gemächlich in die Gegenrichtung. Nach rund 400 Metern ist der Auffangkorb voll. Ich steuere den Container am Rande der Wiese an, trete die Kupplung, bringe den ersten Ganghebel am Lenkrad auf Nullstellung, nehme die „Schildkröte“ links neben dem Fahrersitz raus, regele an einem weiteren Hebel rechts neben dem Lenkrad die Drehzahl des Schlegelmähers runter und bringe den Hebel des Automatikgetriebes rechts neben dem Fahrersitz ebenfalls in die Nullstellung.

Annett Teichmann kommt angelaufen und übernimmt nun den schwierigen Part. Sie hat meine Jungfernfahrt amüsiert beobachtet. „Das macht richtig Spaß“, sage ich und steige beglückt vom Traktor. Die zahllosen Hebel und Knöpfe irritieren mich immer noch etwas. Sie sind ein Hinweis auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, die unterschiedlichen Untersetzungen und zwei Hydraulikanschlüsse.

Frau Teichmann zeigt mit dem Finger in Richtung der von mir bearbeiteten Fläche. Zwischen den Bahnen steht noch eine schmale Reihe Grashalme, die das Schneidwerk nicht mitgenommen hat. Da bin ich wohl etwas von der Spur abgekommen. Das ärgert mich. Es ist eben doch nicht so einfach, wie es aussieht.

„Kein Problem, da gehe ich noch einmal drüber“, sagt Frau Teichmann nachsichtig und übernimmt das Steuer. Routiniert, als würde sie diesen Traktor schon immer fahren, betätigt die Gärtnerin intuitiv Hebel und Knöpfe, hebt den Auffangkorb an, stößt zurück, zentimetergenau an den Container heran und lässt das gemähte Gras in den Container fallen. Das alles dauert nur wenige Minuten. Und genau darum geht es. Die SDG gönnte sich den Iseki Kompaktschlepper TG 6490 nicht, weil er Spaß bereitet, sondern die Arbeit viel schneller erledigt als kleine Rasentraktoren, deren Auffangkörbe wegen des viel geringeren Volumens ständig geleert werden müssen. „Hohes Gras und Nässe muss er abkönnen“, bringt Annemone Wenzel, Bereichsleiterin Grünflächen/Bauhof die Anforderungen auf den Punkt. Sie geht davon aus, dass der neue Kompaktschlepper mindestens 25 Prozent Arbeitszeiteinsparung bringt. Die SDG kann so bei gleichem Aufwand ein Viertel mehr Flächen mähen. So könne beispielsweise der Martin-Wehnert-Platz, abgesehen von kleineren Nacharbeiten an Rändern und engen Stellen, innerhalb eines Tages vollständig gemäht werden, sagt Frau Wenzel.

Im vergangenen Jahr unterzogen die Mitarbeiter der SDG verschiedene Modelle einem Praxistest, bevor sie sich für den blauen Japaner entschieden, den sie dann bei einem Zittauer Fachhändler kauften. Die Kabine des Traktors verfügt sowohl über Heizung und Klimaanlage und macht so den Einsatz auch bei widrigen Wetterbedingungen für die Mitarbeiter erträglich. Ausgestattet mit drei verschiedenen Untersetzungen kann der Kompaktschlepper im Winter auch als Schneepflug zum Einsatz kommen.

„Der Iseki wird unseren alten Russentraktor ersetzen“, sagt SDG-Geschäftsführer Daniel Brendler. Für den „Belarus MTS 920“, der schon zu DDR-Zeiten im Einsatz war, gebe es kaum noch Ersatzteile. Außerdem ist Brendler bemüht, bei schwindender Mitarbeiterzahl die Effektivität der Arbeit zu erhöhen. Der Traktor mit dem Schlegelmäher, der ungefähr so viel kostet wie ein Pkw-Einstiegsmodell der Oberklasse, helfe dabei und ist eine gute Investition, so Brendler.