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Rechte Demo gegen Asylunterkunft eskaliert

In Heidenau sind am Freitagabend Rechtsextreme und Hunderte Gegner eines Asyslbewerberheimes auf die Straße gegangen. Der Protest verlief zunächst friedlich, schlug dann aber in schwere Gewalt um. Die Landespolitik fordert eine klare gesellschaftliche Reaktion.

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© dpa

Heidenau Vor einer neu eingerichteten Flüchtlingsunterkunft in Heidenau ist es am Freitagabend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen aufgeheizten rechten Demonstranten und der Polizei gekommen. Es wurden Böller gezündet, Steine geworfen und ausländerfeindliche Parolen gerufen. Bei den Angriffen wurden 31 Polizisten verletzt, einer von ihnen schwer, teilte die Polizei mit.

Nach der Demonstration gegen die neue Asylunterkunft in Heidenau ist ein Teil der Gegner zum Baumarkt gezogen, in dem in der Nacht die ersten Flüchtlinge erwartet werden.
Nach der Demonstration gegen die neue Asylunterkunft in Heidenau ist ein Teil der Gegner zum Baumarkt gezogen, in dem in der Nacht die ersten Flüchtlinge erwartet werden. © Carina Brestrich
Rund 1 000 Menschen haben am Freitagabend in Heidenau gegen die Unterbringung der Asylbewerber im ehemaligen Praktiker demonstriert.
Rund 1 000 Menschen haben am Freitagabend in Heidenau gegen die Unterbringung der Asylbewerber im ehemaligen Praktiker demonstriert. © Marko Förster

Auf Nachfrage zu Kritik an dem Einsatz, bei dem 136 Beamte beteiligt waren, wurde kein Statement abgegeben. Am Samstag äußerten viele ihr Unverständnis über die offenbar mangelnde Vorbereitung. So auch der Grüne-Innenexperte im Landtag, Valentin Lippmann. Er sagte, sei „unbegreiflich“, dass die Polizei - obwohl die Blockaden vor dem Objekt angekündigt waren - offenbar nicht mit ausreichend Beamten vor Ort gewesen sei. So habe sie die Krawalle nur schwer unter Kontrolle bekommen.

Eskalation nach Demonstration

Die Sitauation eskalierte am Abend nach 19 Uhr im Anschluss einer NPD-Demonstration, berichteten Reporter vor Ort. „Die Polizei setzt massiv Tränengas ein. Aus meiner Sicht zu spät“, twitterte Grünen-Politiker Jürgen Kasek. Ein Polizeisprecher sprach von einer „sehr angespannten Lage“. Zuvor hatten Dutzende Anhänger der rechtsradikalen Partei bereits zeitweise die S 172 blockiert, wie auch ein Video auf Youtube zeigt. Auch mit Material von einer Baustelle wurde laut Polizei versucht, Barrieren zu errichten. Schließlich versammelten sich rund 600 Menschen vor der Asylunterkunft. Viele waren gewaltbereit, einige alkoholisiert, berichtete MDR Info.

Ab 22 Uhr kreiste ein Hubschrauber der Bundespolizei über der Stadt. Eigentlich sollten zu dieser Zeit bereits die ersten Flüchtlinge eintreffen. Die Blockaden und Proteste verzögerten die Ankunft jedoch. Die Polizei hatte Mühe, dem Bus den Weg freizumachen. Erst nach Mitternacht erreichten die ersten Flüchtlinge die Unterkunft. Nur unter Polizeischutz konnten sie ihre Notunterkunft beziehen. Bis zum Samstagmorgen kamen noch zwei weitere Busse.

In dem früheren Praktiker-Baumarkt in Heidenau sollten in der Nacht zum Samstag etwa 250 Flüchtlinge untergebracht werden, so die Auskunft der Landesdirektion. Am Samstagvormittag befanden sich nach Aussagen des Deutschen Roten Kreuzes jedoch nur 93 Menschen in der Unterkunft. Die Landesdirektion ist für die Erstaufnahme der Asylbewerber zuständig und Betreiber der entsprechenden Unterkünfte. Auf den beiden jeweils knapp 3 000 Quadratmeter großen Etagen des früheren Baumarktes sollen künftig bis zu 600 Menschen unterkommen. Das Gebäude, das von einem Zaun umgeben ist, liegt in einem Gewerbegebiet und stand seit 2013 leer.

Rechtsextreme organisierten Demonstration

Bereits seit mehreren Tagen gibt es hier Demonstrationen gegen die Unterbringung der Asylbewerber. Am Freitag organisierte jedoch die rechtsextreme NPD einen Protestmarsch mit etwa 1 000 Teilnehmern durch die Innenstadt. Die ausländerfeindliche Haltung der NPD trifft offenbar auf viel Rückhalt in der Bevölkerung. Zwei Frauen trugen ein Transparent mit der Aufschrift , man könne hier „auf tragische Einzelfälle und kulturelle Bereicherung durch Fachkräfte verzichten“ sowie „Nein zum Heim - Sächsische Schweiz und Osterzgebirge - Asylflut stoppen“. Vor dem Haus von Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) rief der Mob „Volksverräter“. Am Abend versammelte sich eine Gruppe Asylgegner dann in der Nähe des Baumarkts, wo die Situation eskalierte.

Nach Angaben der Landespolizei soll auf dem Gelände des früheren Baumarktes ein Wachdienst für Ordnung und Sicherheit sorgen. Außerhalb werde das Terrain von der Polizei überwacht. Am Samstagvormittag war es vor der Einrichtung ruhig. Für den Abend hat das Bündnis „Dresden Nazifrei“ zu einer Aktion aufgerufen. Die Polizei geht nach eigenen Angaben am Abend von neuen „Ansammlungen“ vor dem Heim aus.

Sachsen im Blickpunkt der Medien

Der Gewaltausbruch im Umfeld der Asylunterkunft ist am Samstag deutschlandweit Thema auf Nachrichtenportalen. Erneut rückte damit eine Demonstration gegen Asylbewerber und Flüchtlinge das Land Sachsen in schlechtes Licht. Unter der Woche brodelte es bereits in der Medienwelt. Die Zeit führte den Begrif „Säxit“ ein und meinte damit überspitzt, dass der Freistaat wegen der Einstellung seiner Bürger und der angeblich geringen Bereitschaft gegen rechte Gewalt vorzugehen Deutschland verlassen sollte.

Die Bilder aus Heidenau lieferten keine Argumente dagegen - obwohl es diese gibt. So rief am Samstagmorgen der am Abend noch übel beschimpfte Bürgermeister von Heidenau die Bewohner seiner Stadt auf, ein „Zeichen der Solidarität mit den bereits in Heidenau befindlichen Flüchtlingen und mit denen, die in den nächsten Tagen im ehemaligen Praktiker-Baumarkt eine erste Zwischenstation auf ihrer beschwerlichen Flucht finden sollen“ zu setzen. Außerdem stellte Opitz in einer Presseerklärung kommende Woche Aufrufe zu Spenden und Hilfsaktionen in Aussicht. „Ich bedanke mich bei allen, die bisher auch stille Zeichen der Solidarität gegeben haben“, heißt es abschließend.

Vom besorgten Bürger zum rechten Straftäter

Auch die sächsische Politik reagierte entschieden. „Die NPD [...] versucht in Heidenau, die Situation politisch zu missbrauchen und zu eskalieren. Neben einer konsequenten Strafverfolgung von rechten Gewalttätern brauchen wir nun eine klare gesellschaftliche Reaktion. Wer mit Steinen, Flaschen und Pyrotechnik auf Polizisten losgeht ist kein ’besorgter Bürger‘, sondern ein rechter Straftäter“, teilte die SPD-Fraktion des sächsischen Landtages mit. Um dieser Aussage noch mehr Gewincht zu verleihen, heißt es schließlich noch: „Da darf nichts relativiert werden.“

Sachsens Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzender Martin Dulig twitterte am Samstagmittag, „Ich empfinde nur Abscheu und Entsetzen für die Rassisten und Nazis gestern in Heidenau. Asyl ist ein Grundrecht!“ Bundesjustizminister Heiko Maas forderte unterdessen klare Kante gegen rechte Gewalttäter. „Dürfen niemals tolerieren, dass Menschen in unserem Land bedroht und angegriffen werden. Müssen uns mit Härte des Rechtsstaates wehren“, twitterte er.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) betonte: „Wir werden auch die ausufernde Gewalt gegen Polizisten nicht tolerieren und die Straftaten mit aller Konsequenz verfolgen.“

Behörden rechnen noch mit 25 000 Flüchtlingen

Sachsens Behörden suchen derzeit händeringend nach Unterkunftsmöglichkeiten für Asylsuchende, weil bis Jahresende noch etwa 25 000 Flüchtlinge aus Kriegsgebieten und Asylbewerber aus anderen Staaten erwartet werden. Bis Ende Juli waren bereits 15 000 Betroffene registriert und damit mehr als im gesamten Jahr 2014. Nach Auskunft der Landesdirektion ist der Baumarkt in Heidenau bereits die 20. Außenstelle der Erstaufnahme in Sachsen. (fsc/hbe/dpa)