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Reisemobile verdrängen Wohnanhänger

Bei Capron in Neustadt werden keine Caravans mehr produziert. Eine Reaktion auf eine veränderte Nachfrage.

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Von Katarina Gust

Es klingt nach schlechten Neuigkeiten, doch dahinter steckt das komplette Gegenteil: Der Wohnmobilhersteller Capron in Neustadt hat mit Beginn des aktuellen Geschäftsjahres die Produktion der Caravans gestoppt. Die Wohnanhänger der Marken Carado und Sunlight, die ab einem Einstiegspreis von knapp 10 000 Euro zu haben waren, werden ab sofort nicht mehr im Werk in Neustadt gebaut. Das hat wirtschaftliche Gründe. Die Nachfrage nach kompletten Reisemobilen sei enorm angestiegen. Auf diese Entwicklung hätte Capron reagiert, wie Marketingleiter Frank Kramer zur SZ sagte. Das Neustädter Unternehmen kann sich dadurch noch mehr auf den Bau von Reisemobilen konzentrieren. Insgesamt will der Betrieb weiter wachsen. In den nächsten zwölf Monaten sollen bei Capron und den dazugehörigen Zuliefererfirmen zwischen 40 und 50 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Bereits jetzt sind 430 Angestellte für Capron, das zur Erwin-Hymer-Group gehört, tätig. Die Firma gehört damit zu den größten Arbeitgebern im Raum Neustadt.

Bei einem Rundgang durch die Produktionshallen konnten sich Besucher ansehen, wie aus einem simplen Fahrgestell ein fertiges Wohnmobil wird. Etwa eineinhalb Tage brauchen die Capron-Mitarbeiter, bis ein Fahrzeug vom Band rollen kann. Die sogenannte Taktst
Bei einem Rundgang durch die Produktionshallen konnten sich Besucher ansehen, wie aus einem simplen Fahrgestell ein fertiges Wohnmobil wird. Etwa eineinhalb Tage brauchen die Capron-Mitarbeiter, bis ein Fahrzeug vom Band rollen kann. Die sogenannte Taktst
Künftig werden in Neustadt nur noch Reisemobile der Marken Carado und Sunlight gefertigt. Die Produktion hat sich innerhalb von zehn Jahren versiebenfacht. Früher liefen hier auch Wohnanhänger vom Band. Fotos: Dirk Zschiedrich
Künftig werden in Neustadt nur noch Reisemobile der Marken Carado und Sunlight gefertigt. Die Produktion hat sich innerhalb von zehn Jahren versiebenfacht. Früher liefen hier auch Wohnanhänger vom Band. Fotos: Dirk Zschiedrich
Bei einem Rundgang durch die Produktionshallen konnten sich Besucher ansehen, wie aus einem simplen Fahrgestell ein fertiges Wohnmobil wird. Etwa eineinhalb Tage brauchen die Capron-Mitarbeiter, bis ein Fahrzeug vom Band rollen kann. Die sogenannte Taktst
Bei einem Rundgang durch die Produktionshallen konnten sich Besucher ansehen, wie aus einem simplen Fahrgestell ein fertiges Wohnmobil wird. Etwa eineinhalb Tage brauchen die Capron-Mitarbeiter, bis ein Fahrzeug vom Band rollen kann. Die sogenannte Taktst

Vor zehn Jahren lief auf dem Gelände an der Berghausstraße, das früher zum Fortschritt-Landmaschinenkombinat gehörte, das erste Wohnmobil vom Band. Anfangs waren hier 60 Mitarbeiter beschäftigt. Bis ein Fahrzeug fertig war, vergingen gut drei Wochen. Pro Jahr wurden damals nur 1 100 Fahrzeuge gebaut. In den letzten zehn Jahren hat sich diese Zahl versiebenfacht. An die 7 000 Reisemobile werden heute jährlich bei Capron zusammengesetzt. Etwa eineinhalb Tage dauert der Bau vom reinen Chassis, dem Fahrgestell, bis zum urlaubsfertigen Reisemobil. Mehr als 30 Fahrzeuge verlassen täglich das Werk. Die Kunden können aus zwölf verschiedenen Modellen auswählen – je nach Geschmack und Geldbeutel. Die Preise beginnen bei knapp 40 000 Euro.

In 40 Takten urlaubsreif

Durch den geplanten Mitarbeiterzuwachs will Capron die Stückzahlen noch weiter steigern. Erst im vergangenen Jahr wurde ein zweites Produktionsband in Betrieb genommen. Die sogenannte Taktstraße ist mit rund 450 Metern das längste Band in Europa. Die einzelnen Fahrgestelle werden daran befestigt und bewegen sich in Zeitlupengeschwindigkeit von einer Station zur nächsten. Insgesamt 40 dieser Stationen gibt es, an denen unter anderem Elektroleitungen verlegt, die Wände hochgezogen, das Dach befestigt und die Inneneinrichtung eingebaut wird. Pro Station haben die Mitarbeiter zwischen 18 und 20 Minuten Zeit, um ihre Arbeit zu machen.

Wie die Reisemobile wachsen, zeigte Marketingchef Frank Kramer am Donnerstagnachmittag bei einer Werksführung. Die FDP-Kreistagsfraktion hatte diese organisiert, um am Beispiel von Capron über die Wirtschaftssituation in der Sächsischen Schweiz zu sprechen. Etwa 20 Personen, darunter viele ehemalige Fortschrittswerker, nahmen daran teil. Sie ließen sich zwei Stunden lang über das 23 Hektar große Firmengelände führen und erklären, wie die Reisemobile gebaut werden.

Möbel aus der eigenen Tischlerei

Auf dem Werk gibt es beispielsweise eine eigene Tischlerei, die die Möbel für die Reisemobile selbst fertigt. Etwa 95 Prozent der hölzernen Inneneinrichtung werden hier gebaut. „Es ist die mit Abstand größte Tischlerei in der Umgebung“, sagt Kramer. Um die Luftfeuchtigkeit in dieser Halle konstant zu halten, gibt es eine Art Sprinkleranlage. Sie versprüht in regelmäßigen Abständen feinen Wasserdampf.

Die kurzen Wege bei der Zulieferung von Bauteilen ist ein Markenzeichen von Capron. Das zeigt sich auch bei der Herstellung der Seitenwände. Das Heck der Fahrzeuge, die Wände und das Dach – alles entsteht am gleichen Standort in Neustadt. Auf einem großen Tisch werden die Außenhaut, eine Einlage und das Innendekor miteinander verleimt. Anschließend wird die Wand gepresst und getrocknet. Die Mitarbeiter sind hier im Drei-Schicht-System beschäftigt. Sie erfüllen nur den Eigenbedarf. Und der steigt mit der Nachfrage nach den Reisemobilen. Capron wird deshalb auch in diesem Sektor expandieren. Eine zweite Arbeitsstrecke steht bereits. Sie wird in wenigen Tagen in Betrieb gehen, kündigt Frank Kramer an.

„Die Region braucht solche Arbeitgeber“, sagt Manfred Elsner, stellvertretender Vorsitzender der FDP-Kreistagsfraktion und ehemaliger Bürgermeister von Neustadt. Vor allem gut bezahlte Jobs für Frauen und Männer seien wichtig, damit könne man die wirtschaftliche Situation für Jahre sichern und stabilisieren. Capron sei beispielhaft für eine solche positive Entwicklung in der Region. „Der Kampf um Industrie ist groß“, sagt Elsner. Vor allem zwischen Kleinstädten. Sie müssten die richtige Infrastruktur bieten, mit genügend Kitaplätzen, Schulen, Wohnraum und einer funktionierenden Verkehrsanbindung. „Der Rest ergibt sich dann von selbst“, sagt der Langburkersdorfer.