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Plötzlich 1.000 Euro mehr Rente – dank Kontenklärung

Bei der für Sachsen zuständigen Rentenversicherung gehen jedes Jahr 200.000 Anträge auf Kontenklärung ein. Wie sehr sich das lohnen kann, hat ein Ehepaar aus dem Vogtland erlebt.

Von Kornelia Noack
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Stimmt denn das, was die Rentenversicherung da anrechnet?
Stimmt denn das, was die Rentenversicherung da anrechnet? © Christin Klose/dpa

Nur knapp 655 Euro Rente für mehr als 40 Jahre Arbeit – kann das sein? Als ihr Ruhestand näher rückt, befasste sich Marion Sch.* das erste Mal bewusst damit, wovon sie später leben sollte. Zwar hatte die Altenpflegerin in jüngster Zeit alle drei Jahre eine Rentenauskunft erhalten. Die Briefe der Rentenversicherung wanderten jedoch immer zügig in einen Ordner im Schrank. Ähnlich bei ihrem Mann Steffen – laut der letzten Rentenauskunft sollte er später eine Rente in Höhe von 1.048 Euro erhalten. Auch das schien den beiden zu wenig.

Das Ehepaar aus dem Vogtland suchte sich Unterstützung bei Rentenberater Karsten Heimrath in Auerbach. Der prüfte die Versicherungsverläufe der 63-Jährigen – eine Übersicht über alle rentenrelevanten Zeiten, die der Deutschen Rentenversicherung vorliegt. "Schon auf den ersten Blick fiel mir auf, dass bei Familie Sch. sämtliche Jahre vor dem 1. Januar 2002 fehlten", sagt Heimrath. Er beantragte die Klärung der Rentenkonten. Der Aufwand sollte sich lohnen.

Wonach richtet sich, wie hoch die Rente ausfällt?

Das hängt ab von den Entgeltpunkten, die jeder im Laufe seines Erwachsenenlebens sammelt. Wichtig dafür sind der monatliche Verdienst während des Erwerbslebens sowie die eingezahlten Beiträge. "Sind Versicherte erwerbstätig, zahlen sie Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung ein. Aber auch freiwillige Beiträge oder Zeiten für die Kindererziehung oder Pflege eines Angehörigen bringen Entgeltpunkte", sagt Heimrath. Ein Entgeltpunkt ist aktuell 37,60 Euro wert.

Weil nicht alle Zeiten automatisch beim Rententräger erfasst werden, sollten Versicherte nachhelfen. Denn: Fehlen Zeiten, die für die Rentenberechnung relevant sind, fällt die Zahlung entsprechend niedriger aus. Schließen kann man diese Lücken im Rahmen einer Kontenklärung. Die für Sachsen zuständige Rentenversicherung Mitteldeutschland prüft jedes Jahr mehr als 200.000 Versicherungskonten. Familie Sch. ist also längst kein Einzelfall.

Wie lassen sich die gespeicherten Rentenzeiten überprüfen?

Um zu erfahren, welche persönlichen Daten hinterlegt sind, können Versicherte jederzeit einen Antrag auf Klärung des eigenen Rentenkontos stellen. Am einfachsten geht das über die Online-Dienste auf der Internetseite der Rentenversicherung. "Man kann auch warten, bis sich die Rentenversicherung meldet", so Stefanie Ullmann von der Rentenversicherung Mitteldeutschland. Ein entsprechendes Schreiben erhält jeder ab dem 43. Lebensjahr und danach alle sechs Jahre. "Die Versicherten werden darin aufgefordert, zu prüfen, ob ihre Daten korrekt und vollständig sind", sagt Ullmann.

Fehlen Angaben, sollte man sie innerhalb von sechs Monaten nachreichen. Passiert das nicht, beendet die Rentenversicherung das Verfahren automatisch und "betrachtet die ungeklärten Lücken als geklärte Lücken".

Aber: Versicherte können sich jederzeit erneut an ihren Rententräger wenden und Daten nachreichen. Oder aber sie suchen sich einen zertifizierten Rentenberater, der ihnen dabei hilft.

Welche Zeiten sind besonders wichtig für die Rente?

Am besten geht man chronologisch vor. Für alle, die noch in der DDR erwerbstätig waren, ist dabei der alte SV-Ausweis besonders wichtig. Arbeitsjahre zählen ab dem ersten eingezahlten Beitrag für die Rente, Schul- und Studienzeiten ab dem 17. Lebensjahr. "Beim Verlauf sollte man Zeile für Zeile prüfen, ob alle Monate und Jahre aufgeführt sind", sagt Dirk von der Heide von der Rentenversicherung. Gerade von Schule und Studium liege oft nichts vor.

Wer Kinder hat, sollte im Rentenverlauf vor allem den Passus Kindererziehungszeit im Blick haben. Denn auch diese bringt Entgeltpunkte. Für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, bekommt ein Elternteil rund 2,5 Punkte. Für später geborene Kinder werden rund 3 Punkte gutgeschrieben. Auch die Zeit bis zum zehnten Lebensjahr des jüngsten Kindes gilt als Kinderberücksichtigungszeit, die sich positiv auswirken kann. Sie taucht am Ende des Kontenverlaufs auf. Familie Sch. hat ein Kind. "Aber sogar diese Angabe fehlte im Versicherungsverlauf", sagt Rentenberater Heimrath. Die Rentenversicherung bietet einen Überblick darüber, wie Kinder-Zeiten angerechnet werden.

Wie kann es denn sein, dass DDR-Zeiten fehlen?

Es ist eher ungewöhnlich, da die Inhalte der SV-Ausweise einst übertragen wurden, kommt aber vor. Sind die Dokumente noch vorhanden, können fehlende Angaben einfach nachgereicht werden. Das Glück hatte Familie Sch. "Mit dem SV-Ausweis konnten wir die Ausbildungsjahre der beiden nachweisen, denn der Lehrvertrag war nicht mehr aufzufinden", sagt Heimrath. Steffen Sch. hatte 1975 seine Lehre als Fluchtenmaurer begonnen. Ab dem ersten Tag werden ihm dafür Beitragszeiten anerkannt. Auch der Wehrdienstausweis war noch da. Die 18-monatige NVA-Zeit nachzuweisen, war also kein Problem. Steffen Sch. erhält dafür nun 1,125 Entgeltpunkte.

Marion Sch. hatte ab 1976 eine Fachschulausbildung als Krankenschwester absolviert. In diesem Fall wird es etwas komplizierter. Denn: Wer eine Fachschule in der DDR besucht hat, hat in der Zeit nicht in die Rentenkasse eingezahlt. Dennoch werden die Jahre bei der Rente mit berücksichtigt. Ob und in welchem Umfang, hängt wiederum von der gewählten Rentenform ab. Marion Sch. hat Glück. Für sie kommt die "Rente für langjährig Versicherte" mit einer Mindestversicherungszeit von 35 Jahren infrage. Hierfür ist die Anrechnungszeit durch die Fachschule für die Rente relevant. Bei der "Rente für besonders langjährig Versicherte" dagegen, für die mindestens 45 Beitragsjahre erforderlich sind, wäre diese Anrechnungszeit unberücksichtigt geblieben.

Welche Zeiten wie zählen, erklärt die Broschüre "Rente: Jeder Monat zählt".

Welche Daten sollte man außerdem genau prüfen?

Nicht selten sind Zahlendreher – vor allem für ältere Zeiten, da damals noch alle Daten mit der Hand eingegeben worden sind. Für die Nachwendezeit ist wichtig, dass der korrekte Arbeitsort – Ost oder West – berücksichtigt ist. Ältere Arbeitnehmer, die schon in der DDR einem Beruf nachgegangen sind, sollten insbesondere die Zeiträume der freiwilligen Zusatzrente (FZR) und der DDR-Zusatz- und Sonderversorgungszeiten nachprüfen, ebenso wie Angaben zu Krankheitszeiten. Die relevanten Daten stehen im Sozialversicherungsausweis.

Können auch Rentner noch fehlende Daten nachreichen?

Ja, auch wer schon eine Rente bezieht, kann einen Antrag auf Kontenklärung beziehungsweise einen Überprüfungsantrag stellen und nachträglich Nachweise einreichen, wie Stefanie Ullmann erklärt. Sollte sich die zustehende Rente dadurch erhöhen, kann sie bis zu vier Jahre rückwirkend nachgezahlt werden. "Grundsätzlich sollte man einen Antrag auf Kontenklärung aber spätestens ein Jahr vor Rentenbeginn stellen", sagt Berater Heimrath.

Führt eine Kontenklärung immer zu einer höheren Rente?

Nicht immer, manchmal kann sie auch das Gegenteil bewirken. Bei den beiden Vogtländern hat es gut funktioniert. Die voraussichtliche Bruttorente von Marion Sch. ist durch die nachgereichten Infos von 655,53 auf 1.106,90 Euro pro Monat gestiegen, bei ihrem Ehemann von 1.048,13 auf 1.677,53 Euro. In Summe macht das knapp 1.000 Euro mehr – pro Jahr also 12.000 Euro.

Und die Kontenklärung hat noch etwas Positives gebracht: Beide können nun erheblich früher in Rente gehen als gedacht. Laut seiner letzten Rentenauskunft hätte Steffen Sch., Jahrgang 1959, bis zu seiner Regelaltersgrenze von 66 Jahren und zwei Monaten arbeiten müssen – bis zum 1. Februar 2026. Da er nun 45 Versichertenjahre lückenlos nachweisen kann, steht ihm die "Rente für besonders langjährig Versicherte" zu. "Das bedeutet, er kann sofort mit Abschlägen in Rente gehen oder ab 1. Februar 2024 abschlagsfrei", sagt Heimrath.

Marion Sch. hätte laut ihrer letzten Auskunft mit 66 Jahren und vier Monaten in die Regelaltersrente gehen können – also am 1. August 2026. Da sie nun jedoch die "Rente für langjährig Versicherte" nutzen kann, hätte sie sogar schon am 1. April 2023 mit Abschlägen gehen können. "Ich bin so froh, dass wir uns Unterstützung gesucht haben." Zwar hätten sie und ihr Mann knapp 1.500 Euro für die Rentenberatung gezahlt. "Dafür hatten wir aber auch keine Arbeit damit", sagt die Vogtländerin. Sie will nun noch bis April 2024 weiter in der Pflege arbeiten. "Das macht mir einfach viel Freude. Bestimmt werde ich auch als Rentnerin weiter aushelfen."

Kostenlose Servicenummer der Deutschen Rentenversicherung: 0800 1000 4800.

*Name ist der Redaktion bekannt