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Riesa im Visier

Die Stadt taucht im neuen Report des Verfassungsschutzes auf – auch wegen eines „nationalen Begegnungszentrums“.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. Die Stadt macht von sich Reden: Im aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes (VS), der Dienstag vorgestellt wurde, taucht die Stadt mehr als 20-mal auf. Wenig überraschend: Links- oder Ausländerextremismus spielt demnach in der Stadt keine Rolle. Sämtliche Erwähnungen der Behörde fallen in den Bereich Rechtsextremismus.

Dafür waren im vergangenen Jahr weniger spektakuläre Demonstrationen verantwortlich – die größte, die der Verfassungsschutz für den Kreis Meißen verzeichnet, fand mit 550 Teilnehmern im September in Großenhain statt. Am meisten wurden die Schlapphüte von der NPD-Liegenschaft am Riesaer Stadtrand beschäftigt, in der der Verlag Deutsche Stimme seinen Sitz hat. Glaubt man den Verfassungsschützern, wurde der Warenversand nach finanziellen Problemen des Verlags an einen NPD-Funktionär in Thüringen übergeben. Auch der Buchversand wurde ausgelagert. Übrig sei die Herausgabe der Zeitung Deutsche Stimme geblieben. Damit würde die Halle nun leer stehen – nur ein kleiner Teil werde vom Projekt „DS-TV“ genutzt, das seit mehr als einem Jahr Reportagen und Propagandavideos dreht und ins Internet stellt. Dafür wurde im Verlagsgebäude ein Studio eingerichtet. Die Streifen, moderiert von einer jungen Blondine, drehen sich um den Islam, das NPD-Verbotsverfahren oder die Ereignisse von Heidenau.

Um die Finanzierung des Gebäudes, ein früherer Haustechnik-Handel, dennoch abzusichern, holten die Betreiber Veranstaltungen nach Riesa: So wurde bei einem Sommerfest ein Teil des Trakts als „Haus Wieland“ eingeweiht, der als Veranstaltungssaal mit Schlafplätzen als „nationales Begegnungszentrum“ für Seminare, Schulengen und mehr genutzt werden soll.

In Riesa fand im Oktober auch eine von der NPD-Jugendorganisation JN ausgerichtete „Konferenz der europäischen Jugend“ statt, auf der diverse Szene-Prominenz auftrat – etwa der NPD-Chef Frank Franz und einer seiner Vorgänger Udo Voigt. Außerdem spielten dort szenebekannte Musikbands, beispielsweise Kraftschlag oder Heiliges Reich. Am Konzert nahmen laut Verfassungsschutz 200 Leute teil.

Doppelt so viele Straftaten

Ohnehin ist in Riesa eine seit Langem aktive und überregional bekannte Band der rechtsextremistischen Szene ansässig: „Selbststeller“. Die Gruppe hatte 2015 mehrere Auftritte und veröffentlichte einen neuen Tonträger. Auch die beiden im VS-Bericht genannten Verlage mit rechtsextremistischen Bezügen im Landkreis haben ihren Sitz in der Region: Nation & Wissen in Riesa, Libergraphix in Gröditz.

Dort gab es eine von insgesamt sieben Demonstrationen, Kundgebungen und Mahnwachen aus dem NPD-Umfeld, die der VS-Bericht verzeichnet. Die anderen Orte waren Riesa, Strehla, Großenhain und Meißen. Ziel jeweils: Widerstand gegen die Aufnahme von Asylbewerbern. Nicht immer blieb es beim verbalen Protest. Der Verfassungsschutz ordnet der „subkulturell geprägten“ rechtsextremistischen Szene im Landkreis eine ganze Reihe Straftaten zu – vor allem Propagandadelikte, zu denen etwa Hakenkreuz-Schmierereien oder der öffentliche Hitlergruß gehören. Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten im Kreis Meißen verdoppelte sich im Vorjahr glatt: von 54 auf 108. Die Gewalttaten darunter verdoppelten sich gleichfalls – von zwei auf vier. Ein Beispiel: Im Februar 2015 griffen in Riesa drei deutsche Männer einen tunesischen Asylbewerber an. Der kassierte einen Faustschlag ins Gesicht. Die Folge: eine Augenhöhlenboden-Fraktur.

Während die rechtsextremistische Szene im Landkreis laut VS-Bericht mit 50 bis 100 Personen etwa gleich groß blieb, büßte die NPD zuletzt eine ganze Reihe Mandatsträger ein: Bei der letzten Kreistagswahl verlor die Partei zwei von fünf Sitzen. Auch bei der Kommunalwahl 2014 gab es Verluste für die NPD: Sie verlor in Gröditz, Meißen, Weinböhla und Coswig je ein Mandat. Jetzt hat sie nur noch in Strehla und Radebeul Sitze im Stadtrat – und in Riesa.