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Gröditz: Studie empfiehlt Neubau der Oberschule

In der Gröditzer Oberschule soll ein modernes Lernkonzept verwirklicht werden. Nicht jeder Stadtrat findet das gut. Entschieden ist noch nichts.

Von Jörg Richter
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So könnten sich die Architekten der Phase10 Ingenieur- und Planungsgesellschaft mbH den Neubau der Gröditzer Oberschule "Siegfried Richter" vorstellen. Ob sie auch so gebaut wird, ist noch längst nicht entschieden.
So könnten sich die Architekten der Phase10 Ingenieur- und Planungsgesellschaft mbH den Neubau der Gröditzer Oberschule "Siegfried Richter" vorstellen. Ob sie auch so gebaut wird, ist noch längst nicht entschieden. © Grafik: phase10

Gröditz. Mancher Stadtrat war ein bisschen irritiert. Vor allem AfD und die Linke wähnten sich überrumpelt. Sie glaubten, dass der Gröditzer Stadtrat auf seiner Sitzung am Dienstag die Entscheidung trifft, was mit der Oberschule "Siegfried Richter" geschehen soll.

Zur Auswahl stehen die einfache Sanierung, die Sanierung mit Anbau, ein Neubau an anderer Stelle oder die Zusammenlegung mit der Grundschule. Letztere Variante wird aber in einer Konzeptstudie der Phase 10 Ingenieur- und Planungsgesellschaft mbH aus Freiberg, die die Stadt Gröditz in Auftrag gegeben hat, nicht weiter berücksichtigt.

Mehrere Stadträte hatten in der Beschlussvorlage den Status überlesen. Darin steht "öffentlich vorberatend". Deshalb hagelte es Kritik am scheidenden Bürgermeister Jochen Reinicke (parteilos) mit dem unterschwelligen Verdacht, dass er sich nach der Eröffnung der Röder-Elster-Halle mit dem Neubau der Oberschule ein weiteres Denkmal setzen wolle.

Arbeitsgruppe wird gebildet

Vor allem das geplante Lernkonzept ist einigen Stadträten, besonders von der AfD, ein Dorn im Auge. Das sogenannte "Münchner Lernhauskonzept" verabschiedet sich vom herkömmlichen Frontalunterricht mit festen Klassen. Statt "Lernen im Gleichtakt" setzt es vielmehr auf die individuelle Schülerförderung in kleineren Einheiten mit einer räumlichen Mitte (Aula oder Forum) als verbindendem Element.

Die AfD-Fraktion lehnt es kategorisch ab. "Wir wollen vorrangig den Frontalunterricht", sagt Dirk Wartenberg. Zudem setzt sich seine Fraktion für den Erhalt des Standortes im Musikerviertel ein. "Schließlich haben wir in den Bau der benachbarten Freizeit- und Klimaparks viel Geld reingesteckt."

Auch Matthias Köhler von der CDU stört sich an der Handlungsempfehlung der Konzeptstudie, die Oberschule auf dem Gelände der alten Turn- und Schwimmhalle am Eichenhain errichten zu wollen. "Das kann man heute nicht so einfach entscheiden", sagt er und plädiert dafür, dass eine Arbeitsgruppe gebildet wird.

Schulleiterin Silke Arlt befürwortet das moderne Lernhaus-Konzept, das die Schulausbildung grundlegend verändern könnte und auch für Lehrer gesünder ist.
Schulleiterin Silke Arlt befürwortet das moderne Lernhaus-Konzept, das die Schulausbildung grundlegend verändern könnte und auch für Lehrer gesünder ist. © Archivfoto: Eric Weser
Die Oberschule "Siegfried Richter" ist zwar schon einmal saniert worden, aber der alte DDR-Plattenbau ist für das Lernhaus-Konzept wenig geeignet.
Die Oberschule "Siegfried Richter" ist zwar schon einmal saniert worden, aber der alte DDR-Plattenbau ist für das Lernhaus-Konzept wenig geeignet. © Eric Weser
Am Eichenhain könnte diese moderne Oberschule entstehen, die in Sachsen ihresgleichen suchen würde.
Am Eichenhain könnte diese moderne Oberschule entstehen, die in Sachsen ihresgleichen suchen würde. © Grafik: phase10 Ingenieur- und P

Die wollte Reinicke dem Stadtrat ohnehin vorschlagen. Trotzdem drückt er aufs Tempo. "Normalerweise wollten wir im April mit der Sache durch sein", sagt er. Der Noch-Bürgermeister hätte sich, nach eigenem Bekunden, auch etwas anderes gewünscht, als sich in seiner letzten Stadtratssitzung mit diesem Thema zu beschäftigen.

Er spart auch nicht mit Kritik an den Stadträten. Das Konzept sei schon dreimal vorgestellt worden. "Aber bisher war noch keiner bei mir, um mal nachzufragen. Das ist einfach schwach!", schimpft er. "Die Verwaltung will ja irgendwann wissen, wie und wann es losgehen soll."

Laut der Konzeptstudie der Freiberger Architekten würde die Sanierung des bestehenden Schulgebäudes aus DDR-Zeiten knapp 15 Millionen Euro kosten. Hinzu kommen die Baukosten von 1,5 Millionen Euro für eine Containerschule, in denen die Oberschüler während der Bauarbeiten unterrichtet würden, plus entsprechender Betriebskosten von rund 690.000 Euro bei 36 Monaten Bauzeit. Gleiches trifft auch für die Sanierung mit Anbau zu. Dieser kostet schätzungsweise 23,2 Millionen Euro. Der Neubau wird mit rund 20,6 Millionen Euro veranschlagt.

Höchste Förderung für Neubau

Die geschätzten Baukosten basieren auf aktuellen Preisen in der Baubranche. Diese sind in den letzten Monaten aber gestiegen. Auch deshalb mahnt Reinicke zu einer schnellen Entscheidung. Bis zur nächsten Stadtratssitzung soll jede Fraktion mindestens zwei Mitglieder in den Arbeitskreis entsenden und sich vorab eine Meinung bilden.

Interessant ist auch die Höhe der möglichen Fördermittel. Die Stadt Gröditz kann bei der Sanierung mit einer 30-prozentigen Förderung rechnen. Das bedeutet, dass Gröditz rund zehn Millionen Euro investieren müsste. Für die Sanierung mit Erweiterung springen maximal 40 Prozent Förderung heraus (Eigenanteil: 13,9 Millionen Euro). Die größte Förderung gebe es beim Neubau. Sie betrage laut Studie mindestens 70 Prozent. Das würde bedeuten, dass diese Variante mit rund 6,2 Millionen Euro Eigenanteil für die Stadt sogar günstiger als eine weitere Sanierung wäre.

Lernhauskonzept gesünder für Lehrer

Schon alleine deswegen ist der Neubau die Vorzugsvariante in der Konzeptstudie. Dazu kommt auch, dass sich das "Münchner Lernhauskonzept" mit einem Neubau besser realisieren würde. "Es ist nicht starr", wirbt Schulleiterin Silke Arlt. Um die Gröditzer Stadt von diesem Konzept zu überzeugen, möchte sie eine Rundfahrt zu verschiedenen Lernhäusern in Deutschland organisieren. Bayern und Baden-Württemberg sind die Vorreiter. "Gröditz könnte das Leuchtturm-Projekt für Sachsen werden", sagt auch Projektleiterin Marie Erfurt von Phase 10.

Die Stadt München hat mit dem Leiter des Instituts für Schulentwicklung in Überlingen, Dr. Otto Seydel, einen der renommiertesten deutschen Pädagogen und Schulbauentwickler mit einer Fachexpertise über das "Münchner Lernhauskonzept" beauftragt. Er sieht darin nicht nur Vorteile für Schüler, sondern auch für die Lehrer. Sie bilden in den einzelnen Lernhäusern "multiprofessionelle Teams", die den Schlüssel des Erfolgs seien. Seydel: "Die aktuellen Studien über Lehrergesundheit und Burnout-Effekte weisen landauf, landab nach: Schulen, denen der Aufbau von stabilen, dauerhaften Teams gelingt, haben eine höhere Zufriedenheit, einen wesentlich niedrigeren Krankenstand und zugleich eine hohe produktive Dynamik der Unterrichts- und Schulentwicklung."