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Gerichtsbericht: Schlüsselklau im Bürgermeisterbüro

Ein Wülknitzer liegt mit der Gemeinde im Streit um eine Straßenwidmung – und lässt als Faustpfand den Schlüsselbund des Amts-Chefs mitgehen.

Von Manfred Müller
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Eine Figur der Justitia, der römischen Göttin der Gerechtigkeit: Ein Wülknitzer handelte selbstgerecht und verhielt sich auf der Anklagebank respektlos.
Eine Figur der Justitia, der römischen Göttin der Gerechtigkeit: Ein Wülknitzer handelte selbstgerecht und verhielt sich auf der Anklagebank respektlos. © Jan Woitas/dpa

Richterin Rita Großmann setzt gerade zur Urteilsbegründung an, als der Delinquent wütend von der Anklagebank aufspringt und aus dem Saal stürmt. Auch eine energische Aufforderung zum Sitzenbleiben kann ihn nicht aufhalten. Dabei geht es nur um eine Geldstrafe von 1.200 Euro. Die soll der Wülknitzer bezahlen, weil er wegen versuchter Nötigung verurteilt wurde.

Ronald P. (Name geändert) war im Juni vorigen Jahres im Gemeindeamt aufgetaucht, um mit dem Bürgermeister einen Streit um eine Grundstücksangelegenheit auszufechten. Weil er sein Anliegen nicht durchsetzen konnte, griff er sich vom Schreibtisch den Schlüsselbund und den Dienstwagenschlüssel des Amts-Chefs, stieg in sein Auto und verschwand.

Die Auseinandersetzung drehte sich um ein Grundstück nahe der Bahnlinie, das der 40-Jährige um das Jahr 2010 herum erworben hat. Zu diesem gehört auch ein Teil der Feldstraße, die parallel zu den Gleisen verläuft. Da die Straße von der Gemeinde schon in den 1990er-Jahren öffentlich gewidmet wurde, muss P. als Grundstücksbesitzer die ungehinderte Benutzung der Straße eigentlich gewährleisten und dulden. Die Gemeinde hatte ihm in der Vergangenheit auch schon angeboten, die betreffende Fläche zu erwerben, was P. aber ablehnte. Daraufhin gab es einen regen Schriftwechsel, der den Angeklagten wohl ziemlich aufbrachte. Schließlich ließ Ronald P. an der Straße einen Metallpfosten anbringen, der die Zufahrt einschränkte. Die Gemeinde wiederum pochte auf die öffentliche Widmung und ließ den Pfosten entfernen. Daraufhin tauchte der empörte Grundstückseigner beim Bürgermeister Rico Weser auf und bezichtigte ihn des Diebstahls. Die Emotionen kochten derart hoch, dass Weser seinen Besucher aufforderte, die Amtsräume zu verlassen. Andernfalls werde er die Polizei rufen. Worauf sich P. – quasi als Faustpfand – den Schlüsselbund und den Dienstwagenschlüssel schnappte. Da der Besucher recht aggressiv aufgetreten war und sich am Bund auch die privaten Schlüssel befanden, zeigte der Amts-Chef die Sache sofort bei der Polizei an und ließ alle Schlösser auswechseln.

Vor Gericht bestreitet Ronald P. vehement, die Schlüssel mitgenommen zu haben. Allerdings führt er sich auf der Anklagebank derart cholerisch und respektlos auf, dass man ihm die Tat im Bürgermeisterbüro durchaus zutraut. Überdies hat er einem Polizeibeamten gegenüber geäußert, er werde den Schlüsselbund zurückgeben, wenn die Gemeinde ihm die Metallsäule aushändigt. Das erfüllt den Tatbestand der versuchten Nötigung. P. hat schon mehrfach wegen seiner Unbeherrschtheit vor Gericht gestanden. Unter anderem wegen Beleidigung und Bedrohung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Trotzdem verurteilt ihn das Gericht nur zu einer durchaus bezahlbaren Geldstrafe. Aber selbst das ist dem Delinquenten zu viel. Auch wenn er sich im Recht wähne, könne er nicht einfach zur Selbstjustiz greifen, schickt Richterin Großmann dem Hinausstürmenden hinterher. Das könne der Staat nicht dulden.