Ein Jahrhundert Holperpiste

Riesa. Als die Anwohner vor gut 100 Jahren am Riesaer Stadtrand solide Häuser bauten, ahnten sie wohl nicht, dass noch ihre Urenkel-Generation an einem staubigen Feldweg wohnen würde. "Die Häuser hier oben stammen von 1911", sagt Dietrich Hoffmann. Am Dienstag hat der Anwohner der Ganziger Straße seinen Parteifreund Torsten Herbst (FDP) eingeladen. Der Dresdner Politiker saß zehn Jahre für die Liberalen im Landtag, ist heute Bundestagsmitglied und gehört dem FDP-Bundesvorstand an.
Als Politiker kommt er viel rum. "Aber ein Verkehrsschild 'Bei Staubentwicklung bitte Schrittgeschwindigkeit' habe ich auch noch nirgendwo gesehen", sagt Torsten Herbst kopfschüttelnd. Darum hatten die Anwohner zwar selbst gebeten. Freilich wäre ihnen ein Ausbau der noch immer unbefestigten Straße deutlich lieber. Seit Jahren fordern sie ihn von der Stadt - doch im städtischen Haushalt fehlt schlicht das Geld.

Immerhin: Schon vor geraumer Zeit beantragte Riesa Fördermittel für den Ausbau. Aber leider nicht als einzige Stadt. Es gibt förmlich eine Antragsflut für ähnliche Bauvorhaben, für die das Geld bei weitem nicht reichen wird, sagt Torsten Herbst. "Verantwortlich dafür ist eine Stichtagsregelung, die der Freistaat erlassen hat", so der Bundespolitiker.
Er selbst habe leider auch keine Schatulle für den Straßenausbau. "Ich werde mich an das Sächsische Wirtschaftsministerium wenden." Entscheidend sei, was der Freistaat im nächsten Doppelhaushalt für den kommunalen Straßenausbau einplane. Eigentlich müsste man die Mittel dafür deutlich aufstocken, findet der Liberale. Aber in Corona-Zeiten? "Und dann ist es ja so, dass die Grünen Straßenbauprojekten eher skeptisch gegenüber stehen." Aber es dürfe nicht sein, dass im ganzen Land Projekte brach liegen, weil man sich politisch nicht einigen könne.
Die Stadt hatte auf Anfrage von Stadträten mitgeteilt, dass mit einem Ergebnis auf den Fördermittelantrag erst 2022 zu rechnen sei. "Und was passiert, wenn wir dann eine Ablehnung erhalten?", fragt Anwohner Hoffmann. "Ich fürchte schon, dass mein Sohn bei mir auszieht, bevor hier tatsächlich gebaut wird. Und der ist erst fünf."
Er wünscht sich von der Stadt, dass man auch einen Plan B prüfe - keinen grundhaften Ausbau, sondern etwa eine einfache Asphaltierung. Aber da ist man bei der Stadt skeptisch: Die Ganziger Straße ist ziemlich steil - da kann von oben auch mal viel Wasser hinabschießen, so dass Provisorien Gefahren bergen. Es könnte durchaus sein, dass die Holperpiste noch deutlich länger bleibt. Die Anwohner der Ganziger Straße sind dabei nicht die einzigen, die auf einen Ausbau warten: In Riesa gibt es noch eine Reihe weiterer Straßen, die nach wie vor unbefestigt sind.