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Das Amtsgericht Riesaer verurteilte Iraker wegen Missbrauchs von Elfjährigem

Ein Vorfall in einem Dönerimbiss in Strehla hatte den Asylbewerber auf die Anklagebank gebracht. Warum das Gericht milde urteilt.

Von Eric Weser
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Am Riesaer Busbahnhof waren sich am ersten Tag des Jahres ein Mann aus dem Irak und ein elfjähriger Junge aus Strehla begegnet. Ein Vorfall, der sich kurze Zeit später ereignete, sorgte für Aufsehen – und einen Prozess gegen den Iraker.
Am Riesaer Busbahnhof waren sich am ersten Tag des Jahres ein Mann aus dem Irak und ein elfjähriger Junge aus Strehla begegnet. Ein Vorfall, der sich kurze Zeit später ereignete, sorgte für Aufsehen – und einen Prozess gegen den Iraker. © Sebastian Schultz

Riesa/Strehla. Das Riesaer Amtsgericht hat einen 43 Jahre alten Mann irakischer Herkunft wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt ist.

Nach mehrstündiger Hauptverhandlung sah das Schöffengericht um den Vorsitzenden Herbert Zapf als erwiesen, dass der Mann am Neujahrsnachmittag 2023 einem damals elfjährigen Jungen in einem Strehlaer Dönerimbiss zwei Zungenküsse gegeben hatte.

Der Vorfall hatte nach Bekanntwerden im Vorjahr durchaus Wellen geschlagen: Der Betreiber des Strehlaer Dönerimbisses sah sich Anfeindungen ausgesetzt.

Begegnung am Busbahnhof

Im jetzigen Strafprozess wurde die Sache nun aufgearbeitet. In der Verhandlung hatte der Angeklagte den gegen ihn erhobenen Vorwurf bestritten und behauptet, der damals elfjährige Junge habe ihn umarmt. Der heute Zwölfjährige sagte indes aus, dass der Mann ihn geküsst hatte. Beide hatten sich allein in dem Strehlaer Imbiss befunden.

Begegnet waren sie einander an jenem Tag am Riesaer Busbahnhof. Der Asylbewerber und der Junge kannten sich offenbar bereits vom Sehen, da der Iraker im Dönerimbiss seines Bruders in Strehla in der Vergangenheit ausgeholfen hatte und der Junge dort Kunde gewesen war.

Wer von beiden wen am Busbahnhof angesprochen hatte, dazu machten der Iraker und der Junge unterschiedliche Angaben. Unstrittig blieb, dass beide an dem Nachmittag gemeinsam im Bus nach Strehla fuhren, wo sie ausstieg und in den eigentlich an dem Tag geschlossenen Dönerimbiss gegangen waren. Während der Angeklagte deutlich machte, dass der Junge mit ihm dorthin gewollt habe, machte der heutige Zwölfjährige deutlich, dass der Iraker ihm etwas zu trinken versprochen habe.

Kumpels ermuntern zur Anzeige

Als der Junge im Imbiss eine Limo getrunken hatte und gehen wollte, habe der Iraker ihn umarmt und dann kurz mit der Zunge geküsst. Den Imbiss konnte der Junge aber anschließend noch verlassen. Nachdem er zwei per Handy kontaktierte Kumpels in der Nähe traf und ihnen die Sache erzählt hatte, ermunterten die ihn, die Polizei zu rufen. Beamte nahmen den Iraker wenig später vorläufig in dem Dönerimbiss-Fest auf.

Im Prozess versuchte der Verteidiger des Irakers, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Jungen zu säen. Er führte dazu unter anderem Videoaufnahmen einer Überwachungskamera aus dem Dönerimbiss vor, die den Jungen nur wenige Tage nach dem angeklagten Vorfall mit Freunden dort zeigten.

Denkwürdige Geste

Die Unbeschwertheit des Jungen wertete der Anwalt als Indiz, dass etwas an den Aussagen des Kindes nicht stimmt. Der Verteidiger führte weitere Aufnahmen vor, die den Vater des Jungen zeigten, der sich einige Wochen nach dem Vorfall beim Dönerimbiss-Inhaber für die „Lügengeschichten“ seines Sohnes entschuldigte. Allerdings haben der Junge und sein Vater so gut wie keinen Kontakt, wie in der Verhandlung deutlich wurde.

Vorsitzender Herbert Zapf machte in der Urteilsbegründung deutlich, dass das Schöffengericht dem Siebtklässler glaubte. Mehrere Deuten darauf hin, dass man es mit einem durchaus intelligenten Jungen zu tun habe, der auch keinen Belastungsseifer gezeigt habe, so der Richter. So wertete das Gericht das Auftauchen des Jungen im Imbiss und mehrere Detailschilderungen von ihm geradezu als Beweis, dass es sich nicht um einen erfundenen Vorfall handelt. Auch Aussagen der zwei Kumpels des Jungen (heute 10 und 15 Jahre), wonach ihr Freund beim Treffen nach dem Vorfall mitgenommen gewirkt hatte, sprachen nach Ansicht des Gerichts für die Vorwürfe.

Kritik am Gesetzgeber

Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht unter anderem, dass von einer sehr kurzen Missbrauchshandlung ausgegangen sei. Der Mann hatte dem Jungen nach Überzeugung des Gerichts auch nicht verwehrt, den verschlossenen Imbiss zu verlassen. Auch sei der Iraker, der nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsland selbst einen elfjährigen Sohn habe, bislang in Deutschland nicht strafrechtlich aufgefallen.

Laut Richter Zapf erfüllt der Zungenkuss zwar rechtlich gesehen den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs an Kindern, weshalb der Schuldspruch inklusive Mindeststrafe im Verfahren die Folge sein muss. Man sieht aber in dem Geschehen „die unterste Untergrenze“ und bedaure, dass der Gesetzgeber keinen minderschweren Fall vorsehe, der die Möglichkeit gebe, die Wertigkeit des Vorfalls besser einzuordnen.

Das Urteil war zu Prozessende noch nicht rechtskräftig.