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Riesa: Was heute im einstigen Klubhaus los ist

Zu DDR-Zeiten war das Gebäude nahe dem Bahnhof Riesas Kultur-Zentrum. Heute sieht das etwas anders aus. Die SZ hat sich im Haus umgesehen.

Von Sarie Teichfischer
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Früher Kulturzentrum, heute Bürogebäude: Das ehemalige Klubhaus Joliot Curie am Bahnhof.
Früher Kulturzentrum, heute Bürogebäude: Das ehemalige Klubhaus Joliot Curie am Bahnhof. © Schultz; Stadtmuseum/Montage:SZ

Riesa. Die Ausstattung des Saals ist noch fast dieselbe, wie vor mehr als 30 Jahren: Vor der politischen Wende war das Klubhaus Joliot Curie eines, wenn nicht das kulturelle Zentrum Riesas. Am Sonnabend, 25. März, soll ab 15 Uhr diese Zeit erneut aufleben. Dann laden der Konzertchor Riesa und das Tanzstudio Live zu einem Bühnenprogramm im historischen Ambiente ein. Beide wurden in den 1990er-Jahren gegründet und sind aus dem Volkskunstensemble "Joliot-Curie" hervorgegangen.

Vorab hat Sächsische.de einen Blick in das rund 1.200 Quadratmeter Nutzfläche umfassende Gebäude geworfen.

Die Spielhallen-Mitarbeiterin

Susann Albrecht arbeitet seit 26 Jahren in der Spielhalle am Bahnhof.
Susann Albrecht arbeitet seit 26 Jahren in der Spielhalle am Bahnhof. © Sebastian Schultz

Schon seit 1991 befindet sich im Haus eine Spielhalle. Acht Automaten, ein abgetrennter Raucherraum, Zutritt erst ab 21 Jahren. Susann Albrecht arbeitet hier bereits seit Ende der 90er-Jahre. Die 46-Jährige führt zu einem der Automaten, erklärt: Mehr als 30 Spiele seien da drauf; maximal 60 Euro dürfen Besucher pro Stunde an den Geldautomaten ausgeben. Das sei Teil der Suchtprävention. Die Mitarbeiter würden dazu auch regelmäßig geschult. "Leute beiseitenehmen und sagen: Nimm's und geh jetzt einfach mal nach Hause", auch das gehöre zur Arbeit.

"Wir haben viele, die kommen einfach so, weil sie sich die Zeit vertreiben wollen, runterfahren. Die sind nicht suchtgefährdet. Sie haben ihr Budget, ihr Limit. Es gibt aber auch Ausnahmen." Sie erzählt das Beispiel eines Mannes, der nicht mehr auf Arbeit gegangen sei, stattdessen schon morgens am Automaten saß. Eine absolute Ausnahme, sagt die gelernte Hotelfachfrau. In 26 Jahren habe sie es vielleicht zweimal so extrem erlebt. Zur Not müsse man auch erkennen , wenn die Besucher ein ernsthaftes Suchtproblem haben - und dann Hilfe vermitteln oder zumindest ein Kärtchen für die Therapie mitgeben.

Die Spielhalle ist eher eine Männerdomäne. "Obwohl, wenn ich Schicht habe, habe ich auch ganz viele Kundinnen, wir schau'n uns dann manchmal um und sagen: Heute ist Mädelsabend."

Der Musiker

Michael Töpfer ist Inhaber der Musikschule Golden Sound. Momentan sucht er einen Klavierlehrer.
Michael Töpfer ist Inhaber der Musikschule Golden Sound. Momentan sucht er einen Klavierlehrer. © Sebastian Schultz

Von Montag bis Mittwoch hallt auch weiterhin Musik durchs ehemalige Klubhaus. Dann gibt Michael Töpfer Erwachsenen, Kindern oder Jugendlichen Unterricht an Gitarre, Ukulele oder Bassgitarre. Der Riesaer ist Jahrgang 1962, hat selbst Ende der 70er-Jahre seinen ersten Gitarrenunterricht an der Musikschule angefangen. Heute spielt er Gitarre und Bass in mehreren Bands und gibt sein Wissen weiter.

2019 war Töpfer mit seiner Musikschule "Golden Sound" ins Haus gezogen. Vorher war er auf der Bahnhofstraße Mieter. "Ich habe mich stark verkleinert, im Moment bin ich Einzelkämpfer", erklärt Töpfer, der 2007 vom Lehrer zum Inhaber der Musikschule wurde. Eigentlich würde er sich allerdings Verstärkung wünschen, für Klavier und Keyboard. "Es ist schwer, einen verlässlichen Klavierlehrer zu finden. Ich habe hier ein Angebot für einen Tag. Dafür kommt niemand aus Dresden her." Durch Corona sei viel zusammengebrochen.

Wöchentlich übt hier auch eine Gruppe Senioren. "Die bringen es zu beachtlichen Erfolgen", so Töpfer. Zwei ältere Damen proben ebenfalls regelmäßig, ihnen hat Töpfer einen Schlüssel überlassen. Und dann ist da noch ein Projekt in der JVA Zeithain: Dort ist Michael Töpfer einmal in der Woche als Lehrer und Bandbetreuer tätig.

Die Jugendweihe-Organisatorin

Birgit Gäbler bereitet Jugendliche und Erwachsene auf die Jugendweihe-Feiern vor.
Birgit Gäbler bereitet Jugendliche und Erwachsene auf die Jugendweihe-Feiern vor. © Sebastian Schultz

Über fehlende Nachfrage kann sich Birgit Gäbler nicht beklagen. "Die Leute rennen mir die Bude ein", sagt die Frau, die schon seit 30 Jahren Jugendweihen in der Region anbietet. "Von Leuten, die bei mir Jugendweihe gehabt haben, kommen jetzt die Kinder."

Zwischen 2005 und 2022 war Gäbler mit ihrem Jugendweihe-Angebot selbstständig im Kulturschloss in Großenhain tätig. Seit Oktober 2022 ist sie nun bei Outlaw angestellt - und hat ein Büro im Klubhaus an der Bahnhofstraße. Gern würde sie für die Feiern auch den Saal im Haus nutzen. Bislang war das aber noch kein Thema. Ihre eigene Jugendweihe liege mittlerweile 50 Jahre zurück, sagt Birgit Gäbler. Die Suche nach einer Nachfolge gestaltet sich allerdings schwierig.

Der Eigentümer

Konrad Kämmerer aus Hanau bei Frankfurt am Main im Saal des ehemaligen Klubhauses Joliot Curie. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern ist er Eigentümer der Immobilie.
Konrad Kämmerer aus Hanau bei Frankfurt am Main im Saal des ehemaligen Klubhauses Joliot Curie. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern ist er Eigentümer der Immobilie. © Sebastian Schultz

Konrad Kämmerer schaut etwa aller drei Monate im ehemaligen Klubhaus nach dem Rechten. Sein Großvater Herbert hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Tabakwarengroßhandel aufgebaut. Später handelte er neben Zigaretten- mit Spielautomaten.

Dass der Hanauer Kämmerer das Klubhaus in Riesa kaufte, hat mit einem ehemaligen Mitarbeiter der Firma zu tun. Der hatte nach der Wende sein Glück im Westen gesucht. "Er hat nach einigen Monaten so schlimmes Heimweh gekriegt, dass er mir gesagt hat: Wollt Ihr nicht mal schauen, ob Ihr bei mir in der Heimat was machen könnt?" So kam die Spielhalle in das Gebäude. "Damals war noch die Gaststätte Geigler nebenan und im Haus die Bibliothek vom Stahlwerk", erinnert sich Konrad Kämmerer. Später eröffnete der Unternehmer weitere Spielhallen, etwa an der Lauchhammerstraße und 2019 auch in Wurzen. Als zweites Standbein vertreibt Kämmerer mittlerweile Kaffeemaschinen.

Das Klubhaus gehört Konrad Kämmerer und seinen beiden Brüdern. Seit den 90ern wurde die Heizung modernisiert, aufs Dach kam eine Fotovoltaik-Anlage, das Haus bekam einen neuen Anstrich und die Büroräume seien gestrichen worden.

Neben den eigentlichen Mietern sind auch das Kreative Zentrum Riesa und die Line Dancer im Haus, laut Kämmerer mietfrei. Sie zahlen nur Strom und Wasser. Ein neuer Mieter könnte demnächst dazukommen: Geplant sei ein Yogazentrum im Dachgeschoss, das vermutlich im Mai öffnet. Nach wie vor seien Flächen zu vermieten. Eine Wohnung im Seitengebäude wird beispielsweise gerade renoviert.

Und was wird aus dem Saal? Bisher wird er immer mal wieder für Hochzeiten, Jugendweihen oder Ähnliches vermietet. Aber ein Raum dieser Größe brauche eben auch zwei Tage, bis er warm ist. Konrad Kämmerer überlegt, einen großen Billardraum draus zu machen.