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Fischkot trifft Rauschhanf

Bei einer Wohnungsdurchsuchung in Riesa finden Polizisten eine hoch technisierte Cannabis-Kleinplantage. Der extreme Qualitätsanspruch und der makellose Lebenswandel des Marihuana-Gärtners überraschen die Ermittler.

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© wikimedia.org/ Rotbuche

Von Christoph Scharf

Riesa. Sebastian M. hatte an alles gedacht: an einen Spezialcomputer, der ph-Wert, Temperatur und Luftfeuchtigkeit misst. An eine Zeitschaltuhr, die Beleuchtung und Belüftung steuert. An eine Anlage mit Pumpe und Zerstäubern, die automatisch Nährstoffe verteilt. Und dann fliegt die ganze Anlage zur Zucht von Cannabis-Pflanzen auf, weil ein Luftfilter nicht mehr funktioniert. Dazu kommt ein misstrauischer Nachbar – und schon klingelt die Polizei im schicken Mehrfamilienhaus am Stadtrand von Riesa. Der Nachbar hatte den intensiven Geruch wahrgenommen, der von blühenden Cannabispflanzen ausgeht. Und dann ist der Traum von Sebastian M., der eigentlich ganz anders heißt, ausgeträumt.

„Ich wollte Marihuana gewinnen, das anders als im Straßenhandel ohne Streckmittel auskommt“, sagt der 28-Jährige. Am Mittwoch stand der Industrie-Facharbeiter vor dem Schöffengericht, weil ihm für seine kleine, aber feine Drogenplantage mehr als zwei Jahre Haft drohten. Denn die Beamten fanden bei der Hausdurchsuchung im Mai 2015 nicht nur zwei professionelle Anbauschränke, in denen die Cannabis-Pflanzen kurz vor der Ernte standen – sondern auch Gläser, in denen bereits Erntegut trocknete. Die Kripo nahm sämtliche Pflanzenteile mit, um sie zu trocknen und den Wirkstoffgehalt zu ermitteln.

Dabei stellte sich heraus, dass die Menge deutlich größer war, als bei den typischen Betreibern solcher Wohnzimmer-Plantagen. Insgesamt stellten die Ermittler deutlich mehr als ein halbes Kilo Marihuana fest. Der Wirkstoffgehalt entsprach etwa der sechsfachen Menge dessen, was der Gesetzgeber eine „nicht geringe Menge“ nennt. Sprich: Die Menge spricht dafür, dass M. den Stoff nicht nur für sich anbauen, sondern den Stoff auch verkaufen wollte. Doch dafür liefert Sebastian M. eine Erklärung. „Ich wollte den Stoff nicht wie andere rauchen, weil ich eine Abneigung gegen das Rauchen an sich habe“, sagt der sportliche Riesaer, der vor Gericht Jackett, Oberhemd, Kurzhaarschnitt und modische Brille trägt. Stattdessen habe er aus den Blüten ein Öl gewinnen und das später per Vaporisator konsumieren wollen – also per Verdampfung, nicht Verbrennung. Damit konsumiere man weniger schädliche Stoffe. Und die Sorge vor ungesunden Zusätzen sei es auch, die ihn vor dem Kauf beim Dealer abhielt. „Die strecken den Stoff mit wer weiß was für einem Zeug.“

Um sich den Traum vom eigenen Öko-Trip zu ermöglichen, sparte Sebastian M. weder Zeit noch Geld. Für Tausende Euro kaufte er zwei Aufzuchtschränke, Belüftungs-, Beleuchtungs-, Steuerungstechnik. Allein ein sogenannter Teichcomputer kostet mehr als 2 000 Euro. In einem Aquarium hält er Panzerwelse, deren Ausscheidungen vollautomatisch herausgefiltert, gepumpt, über den Pflanzen zerstäubt werden. Mit einem Photometer misst M. regelmäßig den Stickstoff-, Phosphor-, Kalium-, Schwefel-, Calcium-, Eisengehalt – und steuert per Düngemittel nach, damit sich die Pflanzen wohlfühlen. „Bio und Chemie haben mich schon als Schüler begeistert“, sagt der 28-Jährige.

Solch eine professionelle Anlage hat der Polizist, der bei der Hausdurchsuchung in Riesa dabei war, noch nie gesehen. Und ohnehin gleicht die Wohnung des Angeklagten überhaupt nicht denen, in denen man üblicherweise Drogenplantagen findet. „Da gibt es sonst kaum Möbel, alles ist vergammelt, in der Ecke liegt Essen“, sagt Richter Alexander Keller. Die Wohnung von M. dagegen wirkt vorbildhaft – genauso wie sein sonstiges Leben. Er ist vor der Hausdurchsuchung noch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, verdient als Industrie-Facharbeiter 2 500 Euro netto, verkehrt nicht im Drogenmilieu.

Bei der Durchsuchung seiner Habseligkeiten – auch sein Smartphone und sein Tabletcomputer werden ausgewertet – findet sich nicht der kleinste Hinweis, dass M. je mit Drogen gehandelt hat. Das Schöffengericht ist deshalb gnädig – und verhängt mit sieben Monaten auf Bewährung eher eine symbolische Strafe. „Wir glauben Ihnen, dass sie keine Drogen verkauft haben“, sagt der Richter. Damit die Strafe wehtut, muss M. nun 2 000 Euro an zwei Riesaer Vereine zahlen. Und er büßt seine kostbare, heiß geliebte Anbautechnik ein.