Partner im RedaktionsNetzwerk Deutschland
Merken

Riesas rätselhafte Ringe

Aus der Luft sind sie deutlich zu sehen: kreisförmige Spuren auf Feldern. Was es damit wohl auf sich hat?

Teilen
Folgen
NEU!
© O. Brasch/R. Heynowski

Von Britta Veltzke

Riesa. Wer kennt ihn nicht? Den formschönen Laubbaum unweit der Jahna – mitten auf dem Feld zwischen Riesa und Poppitz. Es gibt wohl kaum einen Fotografen aus der Gegend, der das Gewächs noch nicht vor der Linse hatte. In dieser frühlingshaften Kulisse steht nun Dr. Michael Strobel vom Landesamt für Archäologie mit einer Mappe in der Hand – darin: ein Stapel Luftaufnahmen. Die sind auch nötig. Denn: Zwar steht der Archäologen direkt am Denkmal – zu sehen ist auf dem Feld aber nichts. Nichts? „Nein, aber die Umgebung ist trotzdem aufschlussreich“, sagt der Wissenschaftler.

Dr. Michael Strobel vom Landesamt für Archäologie interessiert sich seit Jahren für die Gräben in und um Riesa.
Dr. Michael Strobel vom Landesamt für Archäologie interessiert sich seit Jahren für die Gräben in und um Riesa. © Sebastian Schultz

Dann klappt er seine Mappe auf und nimmt ein Luftbild heraus. Es zeigt das Feld von oben: Neben den exakt parallel verlaufenden Linien, die die Landmaschinen hinterlassen haben, sind kreisförmige Spuren sichtbar. Sie bilden drei in einander liegende Ringe – die Spuren jeweils parallel. Auf der Seite, die gegenüber der Poppitzer Landstraße liegt, schließt sich sogar noch eine vierte etwas kräftigere Linie an. Die Kreise dehnen sich von der Jahna bis zum besagten Laubbaum aus. Eine Fläche von etwa viereinhalb Hektar umschließt der innere Ring.

Kann das Zufall sein? Nein, sicher nicht. Sonst würde sich der Archäologe nicht seit Jahren damit beschäftigen. „Hier war eine Grabenanlage. Auf den Luftbildern sehen wir im Norden, Westen und Osten auch jeweils leicht versetzte Durchgänge“, sagt er und deutet auf das Foto.

Etwa 6 000 Jahre alt

Bis zu fünf Meter breit und drei Meter tief dürften die Gräben gewesen sein. Durch Funde konnten die Wissenschaftler auf die Entstehungszeit schließen: das vierte Jahrtausend v. Chr. Vor etwa 6000 Jahren also haben Menschen zwischen Riesa und Poppitz die Gräben ausgehoben. Das Bemerkenswerte: „Wir haben hier keine Anzeichen für Bebauung innerhalb der Kreise. Sie können also nicht der Verteidigung eines Ortes gedient haben“, erklärt Strobel. Welchen Nutzen werden sie dann gehabt haben? „Als Archäologen können wir nie etwas mit letzter Bestimmtheit sagen. Wir gehen aber davon aus, dass das Vieh hier zusammengetrieben wurde.“

Aber der Reihe nach: „Die Anlagen stammen aus einer Zeit, in der die Besiedlung hier erst begonnen hat. Vorher hat man die fruchtbareren Böden der Lommatzscher Pflege bevorzugt. Mit der Brandrodung konnte man aber auch weniger fruchtbareres Land urbar machen.“ Kurzfristig seien dadurch die Erträge auf den Feldern enorm gestiegen. „Doch genauso schnell ging die Fruchtbarkeit auch wieder zurück. Wir gehen davon aus, dass die Menschen dann nach ein paar Jahren weitergezogen sind. Das erklärt auch, warum man aus dieser Zeit keine Hinweise auf massiv gebaute Häuser findet“, so der Archäologe. Man habe eine leichte Bauweise bevorzugt. Strobel geht davon aus, dass die Menschen in der Nähe der Erdwälle geblieben sind.

Ähnliche Anlagen wie bei Poppitz müssen bei Jahnishausen, Plotitz, Mehltheuer und Pahrenz gestanden haben. „Bei allen Beispielen gibt es Gemeinsamkeiten: Sie liegen an Bachläufen. Außerdem sind in der Nähe jeweils Grabanlagen zu finden.“ Eine Leiche hinterlasse Spuren – mit unter auch Tausende Jahre später noch, wenn das Skelett längst zerfallen ist. „Die sogenannten Leichenschatten.“ Funde in den Gräbern ließen ebenfalls Rückschlüsse auf die Entstehungszeit zu, so Strobel.

Und die Ringe? Wieso sind sie heute noch sichtbar? „Die Füllung der Gräben besteht aus einem anderen Material als der Boden daneben – nämlich aus Sanden und Kiesen. Darin wächst der Weizen besonders gut.“ Die Kreise seien daher besser zu sehen, je höher das Getreide auf dem Feld stehe, so Strobel. Der Wissenschaftler aus Dresden würde die Ringe gern weiter erforschen. Denn viele Fragen seien noch ungeklärt. „Leider habe ich keine Zeitzeugen, die ich fragen kann“, bemerkt er schmunzelnd. Ein Forschungsantrag wurde jedoch abgelehnt. Doch er will es wieder versuchen, um noch mehr Wissen über Riesas rätselhafte Ringe zu erlangen.