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Pirnaer PS-Junkie zahlt schmerzhafte Abschlussrate in Döbeln

Ein 46-jähriger Pirnaer least ein 600 PS starkes Auto. Statt auf der Überholspur findet er sich vorm Amtsgericht Döbeln wieder.

Von Dirk Westphal
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Ein ehemaliger BMW-Fahrer aus Pirna hat sich am Donnerstag vorm Amtsgericht Döbeln verantworten müssen. Er war nicht nur schnell, sondern hat auch gedrängelt.
Ein ehemaliger BMW-Fahrer aus Pirna hat sich am Donnerstag vorm Amtsgericht Döbeln verantworten müssen. Er war nicht nur schnell, sondern hat auch gedrängelt. © André Braun

Döbeln. Selbstbewusst sitzt der 46-jährige Angestellte einer Hausmeisterfirma neben seinem Anwalt. So zumindest der Schein, den er versucht zu erwecken.

Die Fassade beginnt zu bröckeln, als er sich in der Beweisaufnahme nervös und unsicher zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußert.

Die Liste der Verkehrsverstöße, die dem einschlägig Vorbestraften laut Staatsanwaltschaft zur Last gelegt werden, ist lang.

Gefährdung und Nötigung

So soll er am 20. Juli 2022 auf der A14 in Richtung Magdeburg auf der Überholspur auf den Vordermann dicht aufgefahren sein, Lichthupe gegeben, dann rechts überholt haben und unmittelbar vor dem Genötigten wieder eingeschert sein. Dadurch musste dieser scharf bremsen.

Das Ganze wiederholte sich später ebenso, wie der Angeklagte mehrfach dicht auf andere Autos auffuhr, um diese per Lichthupe zu einem schnelleren Fahren zu nötigen. Zudem hätte er in der 14 Kilometer langen Baustelle zwischen Döbeln und Leisnig bewusst abgebremst, um andere Verkehrsteilnehmer zu maßregeln. Strafbar in zwei Fällen als Gefährdung des Straßenverkehrs sowie Nötigung in vier Fällen.

In seiner Einlassung erklärte der Angeklagte, dass er seit vielen Jahren die Fahrerlaubnis besitze und es ihm Freude mache, „schnell zu fahren“.

So sei es immer sein Traum gewesen, „ein Auto mit über 600 PS zu fahren“. Den hatte er sich mit einem geleasten BMW M5 erfüllt, auch wenn der Traum nach drei Jahren bei einem Gehalt von 1780 Euro netto wieder vorbei war.

Auf der Autobahn hätte er nach Nossen den Tempomaten auf 200 Stundenkilometer gestellt und kurz vor Hansens Holz sei ihm ein anderer BMW in die Spur gezogen. „Ich konnte durch Vollbremsung einen Unfall verhindern“, glaubt der Angeklagte. „Er ist 300 Meter links gefahren und hat nach Lichthupe die Spur nicht frei gemacht.“

Auch eine weitere gefährliche Situation hätte er mit einem solchen Manöver verhindert. An andere Vorfälle konnte oder wollte sich der Pirnaer nicht erinnern, wobei er noch wusste, dass ihn die Polizei in Grimma aus dem Verkehr gezogen hatte.

Überrascht von Strafbefehl

Ihn selbst hätte der Strafbefehl, der nach einem Jahr zugestellt wurde, überrascht. „Das Rechts-Überholen hätte nicht sein dürfen, aber wenn jemand vor mein Auto zieht, kann ich nichts anderes machen“, versucht er zu verharmlosen.

Gar nicht harmlos sah die Aktion des PS-Junkies der 73-jährige Fahrer des anderen BMW. Der erklärte, dass er mit seinem Wagen am Ende einer Kolonne gefahren sei, die Lkw überholte, als von hinten der M5 mit aufgeblendetem Licht und Lichthupe kam.

„Ich habe im Spiegel den Kühlergrill nicht mehr gesehen“, erklärte der Dresdener zum Abstand. Dann hätte der Angeklagte rechts überholt und sei so wieder eingeschert, dass eine starke Bremsung nötig war.

Auf dem Rastplatz Grimma hatte er den Beamten dann zugerufen, dass sie den Richtigen gestellt hätten. „Das ist nicht zu tolerieren. Wenn ich gewusst hätte, dass man das kann, hätte ich selbst die 112 angerufen“, so der rüstige Rentner, der selbst gern schnell unterwegs sei.

Die 112 jedenfalls hatte ein anderer Zeuge gewählt, den der Pirnaer versucht hatte, auszubremsen. „Ich wusste schon, was da von hinten mit viel Fernlicht und Dauerlichthupe, Blinker links und Blinker rechts angerauscht kam“, so der 31-Jährige, der dem Gericht dann auch Bilder von der Bummelfahrt durch die Baustelle vorlegen konnte.

Zeuge wählte die 112

Diese waren entstanden, als er die 112 wählte. Vorher hatte ihn der Angeklagte rechts überholt und war so vor ihm wieder eingeschert. „Er musste bremsen, dadurch musste ich auch bremsen“, sagte der junge Mann und dass der BMW-Fahrer mindestens drei weitere Fahrzeuge auf diese Weise überholt hatte.

Dem kam auf der Anklagebank, auch in Anbetracht weiterer Zeugenaussagen, sein Selbstbewusstsein mehr und mehr abhanden. Nervös nestelte er mit seinen Händen an den vor ihm liegenden Unterlagen.

Dass der Pirnaer bereits Konsequenzen gezogen und freiwillig an verkehrspsychologischen Einzelgesprächen teilgenommen hat, warf die Verteidigung in die richterliche Waagschale.

So würde er nicht nur ein PS schwächeres Auto fahren, sondern auch in kritischen Situationen die Autobahn verlassen, um zur Ruhe zu kommen.

Da zwei Vorfälle nicht ausreichend zu belegen waren, forderte die Staatsanwaltschaft letztendlich eine Gesamtstrafe von 120 Tagessätzen zu jeweils 59 Euro und außerdem den Einzug der Fahrerlaubnis und eine Sperre für die Neubeantragung von sechs Monaten. Dagegen sah die Verteidigung das Strafmaß bei 30 Tagessätzen und keinem Führerscheinentzug.

Richterin Anne Mertens verhängte letztendlich eine Gesamtstrafe wegen zweifacher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung, wegen versuchter Nötigung sowie erfüllter Nötigung von 100 Tagessätze zu 59 Euro sowie den Entzug der Fahrerlaubnis bei einer Sperre zur Neubeantragung von sechs Monaten.