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Planenschlitzer stehlen Technik und Kleidung im Wert von 425.000 Euro

Osteuropäische Banden bedienen sich immer wieder an der Fracht von Lastern, deren Fahrer auf Parkplätzen an der A 4 und A 14 übernachten. Einige Täter verbüßen jetzt hohe Haftstrafen.

Von Cathrin Reichelt
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In den Nächten stehen Sattelschlepper dicht an dicht auf den Rastplätzen an den Autobahnen. Das nutzen vorwiegend osteuropäische Banden, um Fracht von den Aufliegern zu stehlen.
In den Nächten stehen Sattelschlepper dicht an dicht auf den Rastplätzen an den Autobahnen. Das nutzen vorwiegend osteuropäische Banden, um Fracht von den Aufliegern zu stehlen. © SAE Sächsische Zeitung

Mittelsachsen. Sie kommen nachts über die Autobahn. Sie nutzen die Zeit, in der die Fahrer von Sattelschleppern und Transportern in ihren Fahrzeugen fest schlafen. Sie agieren leise und schnell. Manchmal richten sie nur geringen Sachschaden an, oft stehlen sie aber auch hochwertige Fracht – die Planenschlitzer.

Immer wieder berichtet die Polizei über solche Übergriffe. Scheinbar häufen sie sich. Wie die Situation an den Raststätten an der A 14 und A 4 tatsächlich aussieht, darüber informieren auf Nachfrage die Polizeidirektion (PD) Chemnitz und das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen.

Wie oft haben die Planenschlitzer in diesem Jahr schon zugeschlagen?

In den vergangenen drei Monaten wurden der PD Chemnitz 15 Fälle gemeldet. Kay Anders vom LKA spricht von elf Fällen. Im vergangenen Jahr seien es bei der PD 39 gewesen.

Diese Zahlen seien aber nicht mit denen der angegriffenen Lkw gleichzusetzen. Denn nicht selten würden an einem Rast- oder Parkplatz bei mehreren Lkw die Planen aufgeschlitzt, aber beispielsweise nur aus einem Sattelzug tatsächlich Gegenstände gestohlen.

„Zehn Fälle ereigneten sich auf dem Rastplatz „Auerswalder Blick“ (A 4), drei auf dem Parkplatz „Rossauer Wald“ (A 4) und jeweils ein Fall auf den Parkplätzen „Beuthenbach“ (A 72) und „Neukirchener Forst“ (A 72)“, sagt Julia Schwarzenbach von der PD Chemnitz.

Das LKA stellte zudem eine Häufung der Fälle auf den Rastanlagen „Dresdner Tor“ (A 4), „Hansens Holz“ (A 14) und „Muldental“ (A 14) fest.

Wie hat sich die Zahl der Übergriffe im Vergleich zu den Vorjahren verändert?

2021 registrierte die PD Chemnitz acht dieser Bandendiebstähle. Im vergangenen Jahr gab es in deren Zuständigkeitsbereich insgesamt 17 Fälle, wobei zwei davon nicht auf einem Park- oder Rastplatz der Autobahn stattfanden.

„Verzeichnete die Polizei von Januar bis September 2022 neun dieser Straftaten, so stieg die Anzahl seit Oktober deutlich. Das setzt sich in diesem Jahr fort“, so Julia Schwarzenberg.

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Ursache seien zum einen die noch Anfang 2022 vorherrschenden coronabedingten Beschränkungen, aber auch Festnahmen einer Tätergruppierung in Brandenburg Ende 2022.

Das LKA schaut etwas weiter zurück. Deshalb erklärt Kay Anders auch: „Die Fallzahlen sind seit 2017/2018 stark gesunken.“ So habe es 2017 noch 315 und 2018 sogar 394 Planenschlitzer-Fälle gegeben.

Gründe für den Rückgang seien unter anderem die Festnahme von Tätern auf frischer Tat in Sachsen, umfangreiche Ermittlungen mit Durchsuchungsmaßnahmen und Festnahmen in Polen sowie die rechtskräftige Verurteilung mehrerer Bandenmitglieder vor sächsischen Gerichten zu Haftstrafen zwischen vier und sieben Jahren.

Wie sind die Kriminellen organisiert?

„Es handelt sich bei diesem Phänomen vorwiegend um organisierte Bandenkriminalität“, sagt Kay Anders vom LKA. Die Täter agierten im Rahmen von international operierenden Banden, die hierarchisch strukturiert seien.

Haben es die Täter auf Fahrzeuge bestimmter Nationalitäten abgesehen?

Die Nationalität der angegriffenen Fahrzeuge sei breit gefächert. Darunter befinden sich Lkw mit deutscher, polnischer, rumänischer, slowakischer und ukrainischer Zulassung. Ein Großteil der Sattelzüge habe eine polnische Zulassung.

Das hänge damit zusammen, dass im Vergleich zu anderen Nationalitäten generell der Anteil an polnischen Lastern auf Autobahnen und an entsprechenden Raststätten hoch ist. „Dass es die Täter auf bestimmte Lkw abgesehen haben, kann man so nicht sagen. Ausschlaggebend ist eher die Ladung“, so Julia Schwarzenberg.

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Üblicherweise würden die Täter einen sogenannten Sichtschlitz in die Plane des Anhängers schneiden, um zu schauen, welche Ladung sich darin befindet. Werde diese als lukrativ eingeschätzt, werde sie gestohlen.

Die Täter seien vorwiegend auf technische Geräte wie Fernseher, Fahrzeugzubehör wie Reifen oder Bekleidung und Schuhe verschiedener Markenhersteller aus. „Die meist aus dem osteuropäischen Raum stammenden Täter entladen dann so viele Gegenstände wie in das Tatfahrzeug passen und verschwinden“, so die PD-Sprecherin.

Wie hoch ist der im vergangenen Jahr bekannt gewordene Schaden?

Im Jahr 2022 belief sich der Stehlschaden auf mindestens 425.000 Euro. Aufgrund verschiedener Arten, wie die Diebstähle begangen werden, gehe die PD Chemnitz davon aus, dass dabei unterschiedliche Tätergruppierungen gehandelt haben.

Aus polizeilicher Erfahrung heraus werde von Bandenkriminalität ausgegangen. Konkrete Angaben zu den entstandenen Sachschäden liegen der Polizei jedoch nicht vor.

Sind bei solchen Übergriffen Personen verletzt worden?

Sowohl die PD Chemnitz als auch das LKA erklären, dass bei den Diebstählen bisher keine Personen verletzt wurden. Die Täter würden sehr konspirativ agieren.

Wenn die LKW-Fahrer auf die Vorgänge aufmerksam werden oder die Polizei erscheint, würden die Täter vom Ort flüchten oder sich verstecken.

In welchem Umfang werden solche Straftaten aufgeklärt?

„Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen können immer wieder Täter bekannt gemacht und Straftaten im Nachgang über Aussagen oder zum Beispiel über DNA-Gutachten zugeordnet und diese Taten aufgeklärt werden“, so Kay Anders vom LKA.

Erfolge verzeichnet auch die PD Chemnitz. Durch die umfangreichen Ermittlungen und der auch länderübergreifenden Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen konnten bereits mehrere Tatverdächtige ermittelt werden.

„Diese waren osteuropäischer Herkunft“, so Julia Schwarzenberg. Zum Teil seien sie bereits zu hohen Haftstrafen von fünf bis sieben Jahren verurteilt worden.

Wie können Fahrer solchen Übergriffen vorbeugen?

„Für die Lkw-Fahrer gibt es kaum Möglichkeiten derartigen Übergriffen vorzubeugen“, meint die PD-Sprecherin. Die Täter nutzten die angespannte Parkplatzsituation auf den Rast- und Parkplätzen, wo sich die Lkw dicht an dicht drängen und den Tätern somit ein sichtgeschütztes Agieren ermöglichen.

Speditionen würden ihre Fahrer darauf hinweisen, unbeleuchtete Parkplätze zu meiden. Aber auch das schrecke viele Täter nicht ab. Es sei Aufgabe der Speditionen, diverse Übergriffe zu verhindern. So gebe es zum Beispiel Planen für Auflieger, die beim Durchschneiden einen Alarm auslösen.

Stellen Fahrer einen Übergriff auf ihr Fahrzeug fest, sollten sie die Polizei rufen und den Vorfall anzeigen, sich Personenanzahl, Aussehen und Kennzeichen möglicher Täterfahrzeuge merken, so Kay Anders vom LKA.

Was unternimmt die Polizei gegen Übergriffe durch Diebesbanden?

Die Beamten des Autobahnpolizeireviers Chemnitz führen sowohl am Tag als auch in der Nacht zu unregelmäßigen Zeiten Streifen auf den Park- und Rastplätzen im Zuständigkeitsbereich durch. Dadurch konnte in einigen Fällen der Diebstahl verhindert werden.

So bemerkten Polizisten beispielsweise während der Streife in der Nacht zum 28. März die offenstehende Laderaumtür eines Lkw auf dem Rastplatz „Auerswalder Blick“ (wir berichteten). Aufgrund der Distanz und entsprechender Fahrdauer können die Beamten jedoch nicht auf allen Rastplätzen gleichzeitig sein.

„Daher ist die Polizei auch auf Zeugenhinweise angewiesen, die bei der Aufklärung hilfreich sein können“, sagt Julia Schwarzenberg.

Außerdem finden in regelmäßigen Abständen sogenannte „LKW-Stammtische“ statt, in denen die Probleme der LKW-Fahrer mit der Polizei besprochen werden, so Kay Anders.

Das beste Mittel, solche Taten mittelfristig zu vermeiden, seien Festnahmen der Täter sowie Verurteilungen mit hohen Haftstrafen, was in der Folge zum starken Absinken der Fallzahlen führe.

Um diese Ermittlungen erfolgreich führen zu können, wurde in Sachsen die Koordinierungsstelle „Plane“ (KoSt Plane) beim LKA Sachsen eingerichtet, welche die Ermittlungen in den jeweiligen Polizeidirektionen begleitet und unterstützt, Maßnahmen und Einsätze koordiniert sowie den guten Kontakt zu den ausländischen Partnerdienststellen hält.