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"Heute leider geschlossen": Die Gastronomie im Kreis SOE steckt noch immer in der Krise

Steigenden Kosten und Personalmangel zwingen immer mehr Gastronomen im Kreis SOE zur Kürzung der Öffnungszeiten. Manche haben nur noch auf Vorbestellung geöffnet.

Von Viktoria Langenhuizen
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Anja Fischer und Rico Pommrich öffnen die Gaststätte Teufelsmühle nur noch auf Reservierung.
Anja Fischer und Rico Pommrich öffnen die Gaststätte Teufelsmühle nur noch auf Reservierung. © Karl-Ludwig Oberthür

Die kalte Jahreszeit lädt dazu ein, es sich gemütlich zu machen. Ein Spaziergang im Wald und danach in ein heimeliges, warmes Gasthaus einkehren - eigentlich eine nette Idee fürs Wochenende, doch mittlerweile in der Region mitunter schwierig umzusetzen. Viele Gaststätten haben ihre Öffnungszeiten drastisch gekürzt und die Anzahl der Speisen reduziert. Andere Inhaber mussten diese Maßnahme noch nicht ergreifen, aber denken darüber nach.

Die Gaststätte Teufelsmühle etwa, im Lockwitztal zwischen Kreischa und Hirschbach gelegen, ist als "gemütliches Wanderrestaurant" bekannt. Doch ein spontaner Besuch ist hier nicht mehr möglich. Die Betreiber öffnen das Lokal nur noch auf Reservierung für größere Gruppen. Regional einkaufen, täglich alles frisch vorbereiten und am Ende kommen keine Gäste - das Risiko möchten Anja Fischer und Rico Pommrich nicht mehr eingehen. Sie spielen sogar mit dem Gedanken, die Türen der Teufelsmühle im nächsten Jahr nur noch einmal pro Monat und an Feiertagen zu öffnen. Mehr Aufwand lohne sich eigentlich nicht mehr, sagen sie.

Im Café Lehmann in Kreischa herrscht sonntags und montags Ruhetag. Betreiber Christof Tittrik musste diesen Schritt gehen, um seinem Team einen freien Tag garantieren zu können. Aktuell sind vier seiner Mitarbeiter fest angestellt, eine Person arbeitet auf Minijobbasis. Wünschen würde er sich sechs Vollzeitangestellte. Er sucht online über seine Homepage und auf Facebook. Doch es meldet sich niemand.

Es gibt einfach zu wenig Arbeitskräfte

Axel Klein, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel - und Gaststättenverbandes in Sachsen, bringt das Problem auf den Punkt: "Alle, die Personal einsetzen, sind betroffen. Es gibt einfach zu viele offene Stellen und zu wenig Arbeitskräfte."

Von vielen Wirten sei zu hören, dass die Arbeitszeiten in der Gastronomie potenzielle Mitarbeiter schon vorab abschrecken würden." Das Personal rennt regelrecht weg, niemand möchte am Wochenende arbeiten", klagt Andreas Meiling, Wirt der "Glück-Auf-Gaststätte" im Wilsdruffer Ortsteil Oberhermsdorf. Er denkt darüber nach, die Öffnungszeiten in seinem Lokal zu reduzieren. Bisher war das allerdings noch nicht notwendig.

Anscheinend gelingt es trotz zusätzlicher Vergünstigungen für die Mitarbeiter, wie zum Beispiel freie Verpflegung und Fahrtkostenzuschläge, kaum einem Gastronomieunternehmen in der Region, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Auch die Teufelsmühlen-Wirtin bestätigt den traurigen Trend: "Die jungen Leute wollen nicht mehr so lange arbeiten. Das Interesse ist einfach nicht da." Ein Wirt aus Stolpen findet drastische Worte: "Es gibt nicht mal mehr jemanden, der hier ein Praktikum machen will."

Doch während der Mangel an Arbeitskräften für Branchen aus verschiedenen Bereichen harte Einschnitte bedeutet, fürchtet die Gastronomie vor allem die Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Essen wurde laut Axel Klein schon immer stark besteuert, aber nun seien die Kosten einfach explodiert. Und nun soll die Sieben-Prozent-Regelung, die Mitte 2020 auf Speisen eingeführt wurde, zum Jahresende auslaufen. Insgesamt sind sich die befragten Gastronomen und Gastronominnen aus der Region einig: Die aktuelle Lage sei für eine Anhebung des Steuersatzes absolut unpassend.

Komplizierte Regelungen und Bürokratie

Besonders Familienunternehmen müssen die Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen, meistern. "Jedes neue Gesetz, jede Vorgabe ist ein großer Aufwand", betont Axel Klein. Mittlerweile benötigten einige Gaststätten fast ein Drittel ihrer Zeit für organisatorische Aufgaben.

Wie dies konkret im Alltag stört, beschreibt Anja Fischer von der Teufelsmühle: "Wir haben so viele Bürotätigkeiten, die uns einfach aufhalten. Manche Dinge wie zum Beispiel ständig neue Speisekarten mit allen Inhalts- und Zusatzstoffen zu erstellen, das ist zeitlich einfach nicht möglich." Vom Zwang, stets neue Vorgaben umsetzen zu müssen, fühlen sich viele in der Branche ausgebremst und erdrückt. "Wir können die ganzen Regeln und Anforderungen einfach nicht mehr erfüllen", klagt ein Wirt aus Stolpen.

Höhere Preise sind nicht die Lösung

Da jedes Unternehmen wirtschaftlich denken muss, passt es die Öffnungszeiten so an, dass zu den schwach besuchten Stunden geschlossen wird. Auch an einer minimierten Speisekarte kommen die meisten Restaurants und Gaststätten nicht mehr vorbei. Den Kunden fallen natürlich sofort die erhöhten Preise auf. Von "Gierflation" und "Mondpreisen" ist die Rede, aber stimmt das? "Natürlich können wir die Preise hochsetzen, aber unsere Kunden haben ja nicht automatisch mehr Geld. Wir können es uns nicht leisten, unsere Stammkunden zu vergraulen", so der Gaststättenbetreiber aus Stolpen.

Die Auswirkungen spüren die Konsumenten trotzdem. "In vierzig Prozent der Gemeinden in Sachsen gibt es weniger als eine Gaststätte pro 1.000 Einwohner", sagt Axel Klein. Wenn alte Institutionen schließen, kommt kein neues Angebot nach. Die Gemeinde Rabenau sucht bereits seit über einem Jahr nach einem neuen Pächter für den "Oberen Gasthof". Doch bislang ist kein Interessent in Sicht.

Viele Gastronomen seien bereits selbst in andere Branchen, wie beispielsweise in die Chipproduktion, abgewandert, erzählt Rico Pommrich. Er und seine Partnerin sind selbst Vollzeit angestellt. Doch die Teufelsmühle ist ihr Herzensprojekt geblieben. Ziel des Paares ist es immer noch, die traditionelle Ausflugsgaststätte für die Region zu erhalten. Doch ihr Blick in die Zukunft ist getrübt: "Wenn es noch mehr Hürden gibt, müssen wir darüber nachdenken, ob wir besser aufhören", sagt Anja Fischer.