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Kommunal- und Europawahl in Sachsen - Zuversicht parteiübergreifend

Vor allem die Europawahl gilt als Stimmungstest für die Landtagswahl in Sachsen am 1. September. Noch sind alle Parteien zuversichtlich, dass sie ihre Position ausbauen oder zumindest halten können.

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Ein Frau wirft ihren Stimmzettel in die Wahlurne.
Ein Frau wirft ihren Stimmzettel in die Wahlurne. © Pia Bayer/dpa (Symbolbild)

Kamenz/Dresden. Die Zeiten ändern sich, doch die Zuversicht aller Parteien vor einer Wahl bleibt: Auch bei den sächsischen Kommunalwahlen und Europawahlen am 9. Juni ist das nicht anders. Stellung ausbauen oder zumindest halten, lautet die Devise bei allen größeren Parteien. Tatsächlich dürfte sich das Machtgefüge im Freistaat aber verändern. Denn vom aktuellen Umfragehoch der AfD mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September dürften auch deren Kandidaten für kommunale Ämter und für das Europaparlament profitieren. Das Ergebnis der Europawahl gilt wiederum als Fingerzeig für die Landtagswahl.

Bei den Kommunalwahlen werden die Mitglieder von zehn Kreistagen, 418 Stadt- und Gemeinderäten und vielerorts auch Ortschaftsräte gewählt. In der Landeshauptstadt Dresden steht zudem die Wahl von zehn Stadtbezirksbeiräten an. Die Amtsperiode dauert fünf Jahre. Zur Europawahl sind in Sachsen etwa 3,3 Millionen Menschen wahlberechtigt. Zu Kommunalwahlen sind es etwa 70.000 Menschen weniger, weil man hier erst ab 18. Lebensjahr wählen kann. Viele halten das für paradox: 16- und 17-Jährige dürfen zwar das Europaparlament mitwählen, nicht aber ihren Gemeinde- oder Stadtrat.

"Kommunalwahlen laufen unter eigenen Gesetzen. Da spielen Parteien nur am Rande eine Rolle. Vielmehr stehen Personen im Vordergrund", sagt der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer. Auf lokaler Ebene seien vor allem Freie Wählervereinigungen stark. Hier gehe es also überwiegend um lokale Gesichtspunkte. Bei der Europawahl werde die Neigung zur Zustimmung oder Abstrafung einer Partei eher deutlich. "Das Misstrauen, das den Parteien im demokratischen Spektrum in den letzten Wochen und Monaten entgegenschlug, wird sich da bemerkbar machen".

Vor fünf Jahren war die AfD bei der Europawahl mit 25,3 Prozent der Stimmen vor der CDU (23,0) gelandet. Bei der Landtagswahl ein paar Monate später konnte die CDU den Spieß wieder herumdrehen. Auch bei der Kommunalwahl schnitten die Christdemokraten damals besser ab als die AfD. Bei den Kreistagen hatten sie in acht von zehn Landkreisen die Nase vorn. Auch bei den Gemeinderatswahlen konnte die Union (23,8 Prozent) die AfD (15,3 Prozent) abhängen. Sieger waren hier allerdings die Freien Wählervereinigungen, die gut ein Viertel aller Stimmen - 25,8 Prozent - einheimsten.

SPD, Grüne und Linke zeigen sich optimistisch

Aus den Parteien sind wenige Wochen vor dem Urnengang vor allem optimistische Töne zu hören. "Ziel ist, dass die SPD mehr Abgeordnete im Europaparlament stellt als bisher. 2019 hatten wir 8,6 Prozent. Das wollen wir verbessern", heiß es aus der SPD-Zentrale. Für die kommunalen Parlamente könne man etwa zehn Prozent mehr Kandidaten aufstellen als bei der vergangenen Wahl. "Dabei spielt sicherlich auch die jüngste Welle der Demokratiebewegung eine Rolle", sagt Parteisprecher Tilman Günther. Man versuche, möglichst überall präsent zu sein. "Das gelingt leider nicht an jedem Ort in Sachsen."

Die Grünen wollen vor allem im ländlichen Raum weiße Flecken tilgen. Kein kommunaler Mandatsträger soll mehr allein für grüne Politik streiten müssen, meint Parteichefin Christin Furtenbacher. In einzelnen Kreisverbänden sei die Nominierung von Kandidatinnen und Kandidaten herausfordernd. "Das liegt zum einen an geringeren Mitgliederzahlen in ländlichen Kreisverbänden. Zum anderen erschwert die Zunahme von Hetze und Anfeindungen gegen unsere Mitglieder die Kandidatenfindung." 2019 hatten die Grünen bei den Gemeinderatswahlen 8,4 Prozent erreicht, bei den Europawahlen waren es 10,3 Prozent.

Auch Furtenbacher beschreibt eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung". Einige Kreisverbände hätten für die Kommunalwahl so viele Leute wie noch nie aufstellen können. Es gebe das Gefühl, dass gerade jetzt viele Grüne in Kommunen gebraucht würden. "Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden auch in Zeiten eines heftigen Gegenwindes von Rechten da sein und unsere Ziele für eine lebenswerte Zukunft in unserem Bundesland vertreten." Kernthemen seien der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, der Schutz der Demokratie und eine zukunftsfeste Wirtschaft sowie eine solide Daseinsfürsorge in den Kommunen.

"Wir sind stolz, dass wir als Linke wieder in ganz Sachsen mit starken Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stehen. In den letzten Jahren konnten wir vor Ort viel für die Menschen erreichen", sagt Linke-Chefin Susanne Schaper. Als Beleg nennt sie unter anderem das 29-Euro-Sozialticket in Leipzig, den kostenlosen Museumsfreitag in Chemnitz, stabile Kita-Elternbeiträge in vielen Kommunen und den Erhalt der Kinderstation am Krankenhaus Wurzen. Man wolle weiter echte Verbesserungen sorgen, in allen Kreistagen die soziale Stimme bleiben und in Leipzig die Position als stärkste Kraft verteidigen.

AfD erwartet deutlichen Aufschwung

Die AfD erwartet bei von den Juni-Wahlen einen deutlichen Aufschwung. Als sie im vergangenen Dezember erstmals ein Rathaus in Sachsen eroberte - in Pirna trat der parteilose Kandidat Tim Lochner für die AfD an - sprach Parteichef Jörg Urban von einer Steilvorlage für das Wahljahr 2024. "Wir werden sicherlich in der Kommunalwahl nächstes Jahr viele ähnliche Konstellationen haben - dass Menschen auf unseren Listen gehen, die nicht unbedingt AfD-Mitglied sind und die gute Ergebnisse bringen werden."

Die vom Verfassungsschutz vorgenommene Einstufung des AfD-Landesverbandes als rechtsextremistische Bestrebung sieht er dabei nicht als Hindernis. Die Leute würden so etwas durchschauen, glaubt Urban. (dpa)