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Morgenlage in Sachsen: Gedenktag; Milbradt; Minister-Karenzzeit; Montagsdemo

So lief der Gedenktag in Dresden + Politik-Frust: Milbradt redet Klartext + Mehr "gefährliche Orte" in Sachsen + Karenzzeit für Minister: Linke kritisiert Vorschlag

Von Tobias Winzer
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Zum Gedenktag 13. Februar haben sich Menschen zum gemeinsamen Singen vor dem Dresdner Kulturpalast getroffen.
Zum Gedenktag 13. Februar haben sich Menschen zum gemeinsamen Singen vor dem Dresdner Kulturpalast getroffen. © dpa

Guten Morgen,

es ist häufiger zu beobachten, dass ehemalige hochrangige Politiker einer laufenden Debatte einen neuen Dreh geben oder ihr wenigstens einen neuen Gedanken hinzufügen können. Das hängt sicherlich zusammen mit einer unschlagbaren Mischung aus Expertise und der Freiheit, nicht mehr auf Wählerstimmen angewiesen zu sein. Für Sachsen fällt mir da Thomas de Maizière ein - oder auch Georg Milbradt, bis 2008 Ministerpräsident des Freistaats.

Milbradt hat sich nun mit einer interessanten Einschätzung zu den anhaltenden Protesten gegen die Bundesregierung zu Wort gemeldet. Seiner Meinung nach hänge dies mit einem falschen Staatsverständnis zusammen, sagte er auf einer Veranstaltung des Wirtschaftsrats der sächsischen CDU. Die wesentliche Aufgabe eines Staates sei es nicht, "Sozialpolitik zu machen, sondern die innere und äußere Sicherheit zu gewährleisten, weil der einzelne Bürger dies nicht kann", so Milbradt. In den vergangenen 30 Jahren habe sich jedoch eine Anspruchshaltung an den Staat ergeben, verbunden mit einem tiefen Misstrauen, "so dass wir heute eine gepamperte Bevölkerung mit hohen Forderungen haben, die aber nicht bereit ist, dem Staat das zu geben, was er benötigt, um diese Forderungen zu erfüllen", so der Ex-Spitzenpolitiker.

Genauer ging Milbradt auf die Rufe nach Bürokratie-Abbau ein. Ob beim großen Hochwasser 2002 oder bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, der Einzelne wolle keine Verantwortung mehr übernehmen, das solle der Staat tun. Dieser verhalte sich genauso oder versuche, die Risikoübernahme mit Regulierung abzuwehren. "Das, was sie als zu hohe Bürokratie empfinden, ist nichts anderes als die mangelnde Risikobereitschaft der Menschen und Unternehmen, die gegen alles und jeden abgesichert werden wollen", so Milbradt.

Obwohl der 79-Jährige sich zwar explizit nicht in die aktuelle Politik einmischen will, hat er es bei seinem Vortrag doch getan. Er machte einen Vorschlag, wo sich Sachsens Landesregierung stärker engagieren könnte. Aber das lesen Sie am besten selbst im Text meiner Kollegin Nora Miethke.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Tobias Winzer, Politikredakteur Sächsische.de

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Das Wichtigste am Morgen:

"Stehen hier, weil es immer mehr Extremisten gibt"

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat den Gedenktag zu den Bombenangriffen auf die Stadt am 13. Februar 1945 zu einem Appell für Demokratie genutzt. Die Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft und die Opfer des Krieges seien untrennbar mit der Geschichte Dresdens verbunden, so Hilbert in einer Rede vor dem Rathaus. "Die Menschenkette schließt sich um die Innenstadt von Dresden, damit diese Erinnerung nicht instrumentalisiert und von alten wie neuen Nationalisten umgedeutet wird. Wir stehen hier, weil es immer mehr politische Extremisten in unserem Land gibt, die unsere demokratische Verfassung in Frage stellen." Er sehe die Menschenkette an diesem Tag als Teil der Bewegung, dass immer mehr Menschen in den letzten Wochen für Demokratie auf die Straße gingen. Ursula Staudinger, Rektorin der TU Dresden, nannte die Menschenkette in diesem Jahr ein Symbol für Gemeinschaft und Wehrhaftigkeit. Die Menschenkette wolle dabei helfen, Stärke zu vermitteln – unter anderem in kontroversen Gesprächen für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten. Alle Ereignisse des Gedenktags gibt es zum Nachlesen in unserem Newsblog.

Mehr "gefährliche Orte" in Sachsen

In Sachsen stuft die Polizei zurzeit deutlich mehr Standorte als lokale Kriminalitätsschwerpunkte ein als in der Vergangenheit. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hervor. Laut Innenminister Armin Schuster (CDU) registrierte die Polizei zuletzt landesweit 55 Standorte, an denen "Personen regelmäßig Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich unter Verstoß gegen die Aufenthaltsanordnungen oder Kontaktverbote treffen oder sich dort Straftäter verbergen". 2017 lag die Zahl der früher im sächsischen Polizeigesetz als sogenannte "gefährliche Orte" definierten Kriminalitätsschwerpunkte noch bei 26. Viele der aktuellen Hotspots befinden sich in den Freistaat-Metropolen.
Allein in Leipzig betrifft das ganze vier Straßenzüge im Stadtzentrum. Dazu kommt jeweils ein weiterer gefährlicher Ort im Südwesten und Norden der Stadt. Für Dresden werden insgesamt sogar acht Orte als problematisch eingestuft. Köditz zeigt sich besorgt. Sie befürchtet eine unberechtigte Stigmatisierung von Personen vor Ort.

Karenzzeit für Minister: Linke kritisiert Vorschlag

Die Linksfraktion im Landtag hat auf das von der sächsischen Regierungskoalition geplante Karenzzeitgesetz für Regierungsmitglieder reagiert. Aus Sicht der Fraktion ist die geplante Pause von zwölf Monaten, in der zum Beispiel Minister nicht in die Wirtschaft wechseln dürfen, zu kurz. Fraktionschef Rico Gebhardt verweist auf einen eigenen Gesetzesvorschlag, den der Landtag allerdings ablehnt hat. "Wir hatten damals eine Karenzzeit von 24 Monaten gefordert, Sachverständige hatten sogar 36 Monate vorgeschlagen", so Gebhardt. Ob das Gesetz tatsächlich noch vor Ende der Legislaturperiode beschlossen wird, bezweifelt Gebhardt. "Wir sind gespannt, ob diesem Gesetz dasselbe Schicksal blüht wie dem Agrarstrukturgesetz, dem Vergabegesetz und wohl auch dem Integrationsgesetz."

Zittauer Montagsdemo: Erstmals Dialogangebot

Die beiden Gruppen, die jeden Montagabend am Zittauer Rathaus demonstrieren, scheinen einander unversöhnlich. Die einen demonstrieren seit Jahren so gegen ziemlich alles, was die Bundesregierung macht. Unter ihnen befinden sich auch Anhänger der rechtsextremen "Freien Sachsen". Die anderen sind dezidiert anti-rechts, rekrutieren sich teilweise aus der Antifa-Bewegung und skandieren jeden Montag "Nazis raus!". Doch am Montagabend kam es zu einem Angebot des Dialogs. Man müsse zur "Sachpolitik" übergehen, konkret werden und überlegen wie es weitergehen soll, sagt einer der anti-rechten Demonstranten öffentlich. Er wolle die Menschen auf der anderen Seite nicht "den rechten Extremisten überlassen". Er griff damit einen Vorschlag von Professor Peter Dierich auf, einer der Organisatoren der "klassischen" Montagsdemos. Dieser hatte eine Woche zuvor am Rande der Demo vorgeschlagen, dass es ihm lieber wäre, ins Gespräch zu kommen, statt sich gegenseitig niederzubrüllen. Nun gibt es erste Schritte für ein Treffen, aber weiterhin auch Skepsis.

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