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Bad Schandau: Hat die Polizei bei einer Corona-Demo Grenzen überschritten?

Ein Vermummter wehrt sich heftig, die Beamten gehen robust ran. Vom Amtsgericht wird das gebilligt. Das letzte Wort ist aber wohl noch nicht gesprochen.

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600 Menschen demonstrierten am 7. März vergangenen Jahres unangemeldet gegen die Corona-Politik. Danach ging die Polizei gegen Vermummte vor.
600 Menschen demonstrierten am 7. März vergangenen Jahres unangemeldet gegen die Corona-Politik. Danach ging die Polizei gegen Vermummte vor. © Marko Förster

Von Friederike Hohmann

Wenn man eine Camouflage-Jacke und dazu noch eine Sturmhaube trägt, während man in den vorderen Reihen einer nicht genehmigten Demonstration läuft, wird man von den Polizeibeamten sehr genau beobachtet. Ein Polizeibeamter wird eine gegen ihn gerichtete harsche Beleidigung, die aus der Richtung des Vermummten kommt, kaum überhören. So ist das auch im vergangenen Jahr in Bad Schandau geschehen.

Der Beamte M. informierte sofort seine Kollegen über den verbalen Angriff, in dem das Wort „Fotze“ gefallen war, und zeigte auf den Vermummten mit der Tarnjacke. Als sich der „Spaziergang“ am 7. März 2022 Jahres auf dem Lidl-Parkplatz in Bad Schandau auflöste, griffen die Beamten zu. Im Visier hatten sie mehrere zuvor Vermummte.

Tierabwehrspray beim Demonstranten

Zwei Beamte hielten Lucas S. von hinten kommend fest an den Armen und drückten ihn gegen einen Stromkasten, um ihn zu durchsuchen und die Identität festzustellen. Der 23-Jährige versuchte, sich den Griffen der Beamten zu entwinden und schlug dabei gegen das Visier des Helms eines Polizisten. Der Helm fiel vom Kopf. Auf der Wiese drückte man Lukas S. zu Boden. Der Deutsche wehrte sich weiter gegen inzwischen vier Polizisten, gab dann aber nach langem Geschrei auf. Bei der Durchsuchung fand man in der Jacke von S. neben der Sturmhaube auch Tierabwehrspray.

Am späten Abend wurden in der Notfallambulanz in Sebnitz bei S. Verletzungen am Ohr, wo er einen Tunnel-Ohrring trägt, der herausgefallen war, und mehrere Prellungen festgestellt. Lucas S. zeigte die Beamten am nächsten Morgen an.

Neben fünf Polizeibeamten hatte Richterin Simona Wiedmer sechs Freunde, Bekannte und die Schwester von S. zur Verhandlung geladen. Sie waren alle dem Aufruf der „Freien Sachsen“ zum montäglichen „Spaziergang“ gegen die Corona-Maßnahmen gefolgt und berichteten von ihren Beobachtungen.

Auf den Videos der Polizei ist immer wieder der auffällig gekleidete und vermummte Angeklagte neben Bannern der „Freien Sachsen“ zu sehen. Auch der Verteidiger brachte Aufnahmen, die ihm zugespielt wurden, mit. Sie zeigen den auf der Wiese liegenden und sich gegen vier Beamte wehrenden Lucas S. und dessen Kumpel, vor dem Stromkasten ruhig am Boden liegend. Auch den Kumpel hatte man zuvor gegen den Kasten gedrückt.

Furcht, als Feuerwehrmann erkannt zu werden

Er hatte sich aber nicht widersetzt. Vermummt sei er bei der Versammlung gewesen, weil er nach Anwohnerbeschwerden als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr nicht erkannt werden wollte. Sein Verfahren wegen der Vermummung wurde wegen geringer Schuld eingestellt.

Dagegen forderte der Staatsanwalt für Lucas S. eine Bewährungsstrafe von mehr als einem Jahr und eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot, Beleidigung, versuchter Körperverletzung, tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Die Beamten hätten aufgrund des martialischen Auftretens einzelner Personen mit einer aggressiven Grundhaltung rechnen müssen. Er hält die Vorgehensweise der Beamten gegen Lucas S. für angemessen und den Widerstand und den Angriff auf den Beamten für strafbar. Das Pfefferspray in der Tasche käme erschwerend hinzu.


Verteidiger Dr. Uwe Mosig sieht das völlig anders. Sein Mandant hätte gar keine Gelegenheit zu rechtstreuem Verhalten gehabt, als man ihn ohne Vorwarnung von hinten ergriff und gegen den Stromkasten drückte. Gegen diese rechtswidrige Diensthandlung sei der Widerstand erlaubt gewesen und müsse deshalb straffrei bleiben.

Gericht verhängt Geldbuße und Bewährungsstrafe

Die Beleidigung könne Lucas S. nicht zweifelsfrei zugeschrieben werden, da er vermummt war. Außer der Vermummung könne ihm nichts nachgewiesen werden, führte er aus und unterstellte dem Gericht Voreingenommenheit im gesamten Verfahren, da man sich nicht mit den Anliegen der Spaziergänger identifiziere.

Die Richterin widersprach den Anwürfen vehement. Sie hätte sich bei diesem Verfahren, allein durch die Anhörung der elf Zeugen, besonders viel Mühe gegeben und auch geprüft, ob die Beamten womöglich Grenzen überschritten hatten. Sie habe durchaus Verständnis dafür, dass Menschen ihre Ängste vor Zwangsimpfungen äußern, erwarte aber auch, dass sie dies in einem legalen Rahmen tun und zu ihren Aussagen stehen.

Dieser Spaziergang mit Transparenten und Sprechchören sei eine unangemeldete Versammlung gewesen, auf der man nicht vermummt und mit Pfefferspray in der Tasche mitlaufen dürfe.

Bis auf die versuchte Körperverletzung hätten sich alle Anklagepunkte bestätigt. Das Gericht verurteilt Lucas S. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten und zwei Wochen und zu einer Geldbuße von 1.500 Euro. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung haben mittlerweile gegen dieses Urteil Rechtsmittel eingelegt.